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Bewegte Körper und zweierlei „Gesten des Machens“ — Praktiken des Forschen mit ästhetischen Mitteln im kunstpädagogischen Feld

Petra Kathke

[Beitrag als PDF]

1. Kör­per­be­we­gun­gen repräsen­tieren

Die 2012 ent­standene Arbeit „Cold veins, warm light“ des Berlin­er Konzep­tkün­stlers Johannes Wald[1] zeigt einen auss­chnit­thaft pro­jizierten männlichen Oberkör­p­er, genauer die sich in leicht­en Wöl­bun­gen über die Musku­latur span­nende Haut mit der linken Brust­warze. Den Rezipient*innen vor Ort ste­ht die mit Hil­fe zweier Kan­thölz­er wie ein Spiegel posi­tion­ierte Plat­te, auf der das Kör­per­frag­ment erscheint, vis-à-vis gegenüber. Erst beim aufmerk­samen Betra­cht­en und Fokussieren der Brust­warze oder eines Leber­flecks wird deut­lich, dass es sich um die Pro­jek­tion eines Videos, nicht um die ein­er Fotografie han­delt. Am zunächst kaum merk­lichen Aus­dehnen und Zusam­men­ziehen der Haut – Ober­fläche eines men­schlichen Kör­pers, die auf der Ober­fläche des Steins den Ein­druck sub­til­er Ver­lebendi­gung her­vor­ruft – zeigt sich, mit Hart­mut Rosa for­muliert, der wohl basal­ste Akt des Lebens schlechthin, der als ele­mentar­er Prozess des Stof­fwech­sels für die Welt­beziehung des Men­schen, für sein In-die-Welt-Gestellt-Sein fun­da­men­tal ist: sein Atmen (Rosa 2016, S. 92).

Die der­art insze­nierte Kör­per­be­we­gung kön­nen wir allerd­ings nur wahrnehmen, weil dem Licht­strahl, der das pulsierende Schwarz-Weiß-Bild trans­portiert, etwas in den Weg gestellt wird. Wald wählt dafür eine vier Zen­time­ter starke und knapp ein Meter achtzig hohe Plat­te aus Mar­mor, dem skulp­turalen Mate­r­i­al schlechthin, die durch ihr rechteck­iges For­mat den ver­traut­en Modus bild­hafter Verge­gen­wär­ti­gung aufruft. Durch Ver­wen­den des Mar­mors für das flächen­deck­ende Auf­fan­gen der Pro­jek­tion erzeugt er jenes span­nungsvolle Ver­hält­nis zwis­chen Mate­r­i­al, Form und Inhalt, zwis­chen ding­haften Präsenz des Steins und bild­hafter Repräsen­tanz eines eben­falls nur auss­chnit­thaft gegebe­nen men­schlichen Kör­pers, das den herkömm­lichen Skulp­turen­be­griff auf sub­tile Weise unter­läuft: Der Kün­stler ruft die Illu­sion von belebter Kör­per­lichkeit nicht durch skulp­turale For­mge­bung auf, son­dern er illu­sion­iert skulp­turale Wirkung durch eine medi­ale Pro­jek­tion. „Es geht mir“, so Wald, „um eine Annäherung an den lebendi­gen Kör­p­er und seine Zustände sowie die Unfähigkeit, Bewe­gung mit Skulp­tur auszuführen.“[2]

Indem das Werk demon­stra­tiv mit ein­er über Jahrhunde tradierten Bindung von Motiv und Mate­ri­al­ität, Men­sch und Mar­mor, bricht, ruft es eine Rei­he kun­st- und medi­en­the­o­retis­ch­er Bezüge auf. So ist die Ver­lebendi­gung ein­er Skulp­tur, freilich ein­er weib­lichen, im Mythos des zyprischen Kün­stlers Pyg­malion über­liefert.[3] Unter dem Stich­wort des Paragone ließe sich rück­blick­end auch motivgeschichtlich ver­gle­ichen, welche Mit­tel Maler und Bild­hauer einge­set­zt haben, um der star­ren Unver­form­barkeit des Steins oder der zwei­di­men­sion­alen Bild­fläche die Illu­sion von bewegter Kör­per­lichkeit abzutrotzen und der stillgestell­ten Re-Präsen­ta­tion leben­sna­hen Aus­druck zu ver­lei­hen. Neben der Rück­bindung an den gat­tungs­be­zo­ge­nen Diskurs regt „Cold veins, warm light“ aber auch Ver­gle­iche mit jenen zeit­genös­sis­chen Werken an, die das Atmen selb­st the­ma­tisieren, zumal der Kün­stler in sein­er Bronzeskulp­tur „My breath cast into a big­ger chest“ Atem dargestellt hat.[4] Und schließlich wäre, bezo­gen auf die Verbindung skulp­turaler Arbeit mit ein­er Video­pro­jek­tion, jen­er ontol­o­gis­chen Dif­ferenz nachzuge­hen, auf die Vilém Flusser bere­its vor dreißig Jahren hin­wies, indem er in sein­er Schrift „Ver­such ein­er Phänom­e­nolo­gie der Gesten“ Bild­hauerei und Videografie, noch als analoge Ban­daufze­ich­nung, in den Dimen­sio­nen ihres Zugriffs auf Wirk­lichkeit gegeneinan­der abwog: „[D]ie Bild­hauerei stellt Szenen dar, das Videoband gibt sie wieder.“ (Flusser 1991, S. 247) Darstellen oder In-Bewe­gung-Ver­set­zen – um erken­nt­nisträchtige Dif­feren­zen zwis­chen stillgestell­ter Repräsen­ta­tion und bewegtem Kör­p­er im kun­st­päd­a­gogis­chen Feld kreisen die fol­gen­den Über­legun­gen.

Walds Arbeit set­zt mit sein­er Trans­for­ma­tion von Kör­per­be­we­gung in mehr oder weniger fix­ierte Bild­haftigkeit auf medi­ale Strate­gien. Verblüf­fend ein­fach und pointiert exem­pli­fiziert „Cold veins, warm light“ die bild­wis­senschaftlich und medi­en­the­o­retisch keineswegs banale Tat­sache, dass es – vom Erblick­en des Kör­pers im Spiegel über seine jahrhun­derte­lang prak­tizierte Nach­for­mung oder malerische Fix­ierung auf (Lein)Wänden bis zur Betra­ch­tung auf dem Dis­play des Smart­phones – eines wie auch immer geart­eten Schirms[5] bedarf, um men­schliche Gestalt als uns bild­haft gegenüber­ste­hende erscheinen zu lassen. Vor allem angesichts der leben­sna­hen filmis­chen Verge­gen­wär­ti­gung stellt sich die Frage, inwiefern eine Rück­über­set­zung in analoge Aufze­ich­nung­sprak­tiken etwas ver­an­schaulichen kann, was dem medi­alen Bild ent­ge­ht. Zeichen­prak­tiken der let­zten Jahrzehnte[6] visu­al­isieren neben dem Erschei­n­ungs­bild des Men­schen vor allem seine Bewe­gun­gen und Gesten. Als Aus­druck lebendi­gen Agierens kön­nen diese auch kun­st­di­dak­tisch befragt wer­den.

2. Kör­per­be­we­gun­gen trans­formieren

Für die ästhetis­che Sen­si­bil­isierung ange­hen­der Kunstpädagog*innen ist das bewusste Aufze­ich­nen, Ein­schreiben oder gar Ein­prä­gen bewegter, spüren­der oder inter­agieren­der Kör­p­er in ein Mate­r­i­al, die Trans­for­ma­tion in ein bild­haftes Gegenüber, eine wichtige ele­mentare Erfahrung.[7] Bei ein­führen­den Übun­gen erleben sie, wie Kör­per­be­we­gun­gen Gestalt her­vor­brin­gen, noch bevor sich der bewusste For­mungswille ein­schal­tet und ein die Aufmerk­samkeit fokussieren­der Werkgedanke das Vorge­hen dominiert (Kathke 2018). Solche Übun­gen kön­nen beim unortho­dox­en Hand­haben von Mate­r­i­al und Werkzeug entwick­elt wer­den oder lassen sich den Vorge­hensweisen von Künstler*innen abschauen:

  • Spuren, die Studierende ein- oder bei­d­händig mit Fin­gern auf den Rück­en ihrer Kommiliton*innen zeich­nen, über­tra­gen diese syn­chron auf ein Papi­er an der Wand vor ihnen. Beweg­grund der entste­hen­den Zeich­nung ist die durch einen Kör­p­er qua­si hin­durchgeschick­te und über den hap­tis­chen Sinn ver­mit­telte Bewe­gungs­geste, ein Ver­fahren, das Den­nis Oppen­heim 1971 unter dem Titel „Two Stage Trans­fer Draw­ing (Return­ing to a past state)“ als Teil ein­er Serie zur Kör­per­wahrnehmung mit seinen bei­den Kindern prak­tiziert hat.[8]
  • Bes­timmt der Aktion­sra­dius des auf ein­er großen Papier­fläche sich bewe­gen­den oder an ein­er papierbe­span­nten Wand mit Zeichenkohle in bei­den Hän­den agieren­den Kör­pers die dabei aufgeze­ich­neten Lin­ien­züge, verdicht­en sich aus­greifende Bewe­gun­gen der Arme zu Spuren kör­per­na­her, oft sym­metrisch­er Bildgestalt. Prozesse der Formfind­ung durch den Berlin­er Kün­stler Hann Tri­er oder Zeich­nun­gen der Schweiz­er Kün­st­lerin Miri­am Cahn sind Beispiele für diese Prax­is kör­per­be­zo­ge­nen Zeich­nens.[9]
  • Beim Abdruck­en von einge­färbten Kör­per­par­tien bildet sich nicht nur die Struk­tur der Haut ab. Durch Anschmiegen an das Papi­er auf fes­tem Grund entste­hen ungewöhn­liche Flächen­for­men, die sich durch Abrollen und Verän­dern des Drucks bee­in­flussen lassen.
  • Naturgemäß hin­ter­lassen Hände Spuren in jen­em Mate­r­i­al, das sie ergreifen. Wenn eine Hand die Bewe­gun­gen und den Druck, den die andere beim For­men eines plas­tis­chen Mate­ri­als (Ton, Papi­er, Schnee etc.) ausübt, syn­chron aufze­ich­net, ver­bildlicht sich dabei die indi­vidu­elle Art, etwas zu hand­haben. Zugle­ich inten­siviert das Zeich­nen Empfind­un­gen von Druck und Berührun­gen. Plas­tis­ches For­men und bild­haftes Darstellen gehen qua­si Hand in Hand.

Lehramtsstudierende vergewis­sern sich auf diese und ähn­liche Weise durch Res­o­nanzbeziehun­gen zwis­chen ihrem Kör­p­er und der entste­hen­den Re-Präsen­ta­tion der Selb­st­wirk­samkeit im Gestal­tung­sprozess. Sie spüren dem sel­ten erlebten oder reflek­tierten Tatbe­stand nach, dass schon die erkun­dende Bewe­gung ihrer Hände oder die Schw­erkraft ihres Kör­pers Gestalthaftes her­vorzubrin­gen ver­mag. Die markierte Schnittstelle zwis­chen kör­per­lich­er Gegen­wär­tigkeit und bild­hafter Repräsen­ta­tion steigert Präsen­z­er­fahrun­gen. Sie lässt Ein­druck, Abdruck oder lin­eare Spur als etwas erscheinen, was seis­mo­grafisch auf den Kör­p­er zurück­ver­weist, ohne von geläu­fi­gen visuellen Erschei­n­ungs­bildern über­lagert oder prä­fig­uri­ert zu wer­den.

Solcher­art aufgeze­ich­nete Bezüglichkeit­en zwis­chen Kör­p­er, Raum und Fläche ent­fal­ten ihr Erken­nt­nis­poten­zial sowohl im Rah­men kün­st­lerischen Arbeit­ens als auch beim Voraus­denken schulis­ch­er Lehr-/ Lernse­quen­zen. Fra­gen der Situ­iertheit in ein­er bild­do­minierten, dig­i­tal­en Welt lassen sich von hier aus eben­so the­ma­tisieren, wie die ver­nach­läs­sigte kör­per­hafte Dimen­sion men­taler Prozesse. Von der Hal­tung einem Werk gegenüber, was die Rezep­tion anbe­langt – wie posi­tion­ieren sich Betrachter*innen vor der Mar­mor­plat­te von J. Wald in der Biele­felder Kun­sthalle? –, bis zu jenen „Gesten des Machens“ (Flusser 1991), die als spez­i­fis­che Hand­habun­gen das schöpferische Her­vor­brin­gen von Gestalt ermöglichen, scheint vieles, was der Kör­p­er tut, allzu selb­stver­ständlich, auch oder ger­ade im Kun­stun­ter­richt. Hand­be­we­gun­gen acht- und neun­jähriger Schüler*innen beim Zeich­nen, Schreiben und Druck­en rück­ten daher für eine Lehramtsstu­dentin in den Mit­telpunkt ihrer Mas­ter­ar­beit, wur­den Gegen­stand kün­st­lerisch­er Arbeit, didak­tis­ch­er Befra­gung und method­ol­o­gis­ch­er Reflex­ion. Ihr kör­persen­si­bler Ein­satz ästhetis­ch­er Mit­tel in Forschungskon­tex­ten wird in den fol­gen­den Abschnit­ten dargestellt, reflek­tiert und kon­tex­tu­al­isiert.[10]

3. „Gesten des Machens“ und die lin­eare Spur der (Auf-)Zeichnung

Wie Vilém Flusser anmerkt, sind „Gesten des Machens“[11] selb­st im Rah­men ästhetis­ch­er Prak­tiken Voraus­set­zung jed­wed­er Gestalt her­vor­brin­gen­der Aktiv­ität, set­zt doch der Modus des Han­delns den bewussten Ein­satz des Kör­pers, seine sich in Bewe­gun­gen vol­lziehen­den Gebrauch­sprak­tiken, voraus (Flusser 1991, S. 61–87).[12] Auch das Hand­haben von Werkzeu­gen und Mate­ri­alien im Gestal­tung­sprozess erfordert „Gesten des Machens“. Lassen sich diese, so wäre zu fra­gen, unter Rück­griff auf die oben ange­führten Aufze­ich­nung­sprak­tiken als erken­nt­nis­re­iche „Ecri­t­ure des Kör­pers“[13] im Rah­men kun­st­päd­a­gogis­ch­er Forschung visu­al­isieren? Welch­er Schirm wäre aufzus­pan­nen, um von der konkreten Hand­habung zur bild­haften Repräsen­ta­tion der­sel­ben zu gelan­gen und dabei zugle­ich etwas über den Ein­satz der Hände in Gestal­tung­sprozessen zu erfahren? Die Suche nach Antworten begin­nt mit dem Betra­cht­en eines lin­earen Gefüges.

Die abge­bildete Zeich­nung (s.u.) fordert in ihrer Art, nichts Wieder­erkennbares und damit Benennbares zu zeigen, zunächst das ein, was der Kun­sthis­torik­er Max Imdahl „Sehen­des Sehen“ nan­nte: eine Vergewis­serung über das Beziehungs­ge­füge der Sicht­barkeitswerte im Bild­feld (Imdahl 1996). Dem fol­gend zeigen sich teils verdichtete, teils lock­er aus­greifende Lin­ien­züge, die wie zwei dynamis­che Kritzel die obere Blatthälfte markieren. Das linke schwarze erscheint vorder­gründig und präg­nant, das rechte graue dage­gen zurückgenommen­er. Kein Abriss unter­bricht den lin­earen Ver­lauf, der die Gebilde formt. Zwis­chen ihnen kommt es zur ein­ma­li­gen Über­schnei­dung zweier aus­greifend­er Schwünge.

Das implizites Wis­sen über die Entste­hung solch­er Kritzel, vom Anset­zen des Stiftes bis zu seinem Abheben vom Papi­er, lässt eine in die Lin­ear­ität eines Strichs trans­formierte Bewe­gung ver­muten. Eine Spur bzw. zwei Spuren nehmen auf dem weißen Blatt – dem Schirm ihres Erscheinens – eine Posi­tion im oberen Bere­ich ein, ohne die Fläche zu über­schre­it­en. Zugle­ich fragt unser auf Sin­nge­bung kon­di­tion­iertes Denken danach, was die lin­earen Ver­laufs­for­men repräsen­tieren mögen, für was ihre Nähe, Ferne, Vere­inzelung, Verdich­tung ste­ht, was sie bedeuten kön­nten? Und weil die Lin­ie als ele­mentare Form der Nieder­schrift let­ztlich allen Kun­st­bere­ichen ange­hört, ihr als zeich­ner­isches Ele­ment fol­glich eine Art ästhetis­ch­er Trans­ver­sal­ität zukommt, ist das Feld möglich­er Deu­tun­gen weit. Nahe­liegend wäre es, in ihr eine musikalisch-chore­ografis­che Spur zu sehen, etwa die Aufze­ich­nung ein­er (Körper)bewegung im Raum. Wir kön­nen bei­den Lin­ien mit dem franzö­sis­chen Philosophen Jean-Luc Nan­cy aber zunächst auch grund­sät­zlich das Wesen ein­er form­bilden­den Kraft zuerken­nen, das jene „Urgeste des Zeigens“ ausze­ich­net, durch die sich der Men­sch selb­st bes­timmt.

„Die Geste, deren Exis­tenz und Exzel­lenz uns die Zeich­nung dar­bi­etet, ja, man müsste sog­ar sagen, deren Entwurf (Skizze, Schema, Dynamik) diese uns unter­bre­it­et, […] sie find­et sich eben­so beim Tänz­er, beim Musik­er, beim Filmemach­er; diese Geste also ist vor allem das, was im Ure­igen­sten der Geste liegt: eine imma­nente Bedeut­samkeit, das heißt, kein Zeichen, das ein Beze­ich­netes anstrebt, son­dern ein Sinn, der unmit­tel­bar aus dem Kör­p­er entspringt, aus einem Kör­p­er, der wenig aktiv, wirk­sam oder oper­a­tiv han­delt, son­dern vielmehr an ein­er Bewe­gung – und einem Gefühl – teil­hat, die von außer­halb sein­er funk­tionalen Kör­per­lichkeit her­rühren.“ (Nan­cy 2013, S. 55)

Betra­chtet als Ergeb­nis kün­st­lerischen Tuns ließe sich die Zeich­nung auch vor dem Hin­ter­grund von Zeichen­prak­tiken befra­gen, die Künstler*innen in den let­zten Jahrzehn­ten entwick­elt haben (vgl. Anm. 6). In ihrer Kargheit bietet sie Anlass über das, was Zeich­nun­gen let­ztlich ausze­ich­net, über den Ursprung und den Aus­druck­swert von Lin­ien, nachzu­denken. „In ein­er Zeich­nung“, schreibt der von Nan­cy zitierte Philosoph Hen­ri Maldiney, „gehört jed­er Strich dem ganzen Raum und ver­schwört sich mit allen anderen im Rhyth­mus der Fülle und der Leere, bevor er irgen­deinen fig­u­ra­tiv­en Ansatz erhellt. Die ‚for­male Dimen­sion‘ ist die Dimen­sion, gemäß der­er die Form sich formt, das heißt, ihre rhyth­mis­che Dimen­sion.“ (Nan­cy 2013, S. 37)

Nicht nur mit Blick auf die Genese der Kritzel bleibt fraglich, ob sie in ihrer eigen­willi­gen Rhyth­mik tat­säch­lich aus ein­er ziel­losen, der Lust an ein­er dem Strich vorau­seilen­den Bewe­gung her­vorge­gan­gen sind. Die offen­bar keinem motivis­chen Vor­bild fol­gende, keinem sich im Ver­lauf dif­feren­zierende oder ein­er Vir­tu­osität verpflichtete Line scheint in ihrer ener­gisch (selbst-)bewussten Set­zung einen anderen Beweg­grund zu haben. Rei­ht sich das betra­chtete Blatt in die Serie ein, der es ent­nom­men wurde, ver­stärkt sich dieser Ein­druck.

Da zudem auf jed­er der sechs Zeich­nun­gen zwei Spuren auszu­machen sind, liegt ein Beziehungs­ge­füge dialek­tis­ch­er Zwei­seit­igkeit nahe, wie sie Flusser den Hän­den zuschreibt. Zeigt sich hier also die Kon­gruenz zweier Gegen­sätze, in denen der Autor die nie erre­ichte Ganzheit und damit das Ziel jedes Machens durch zwei in ihrer gegen­sät­zlichen Sym­me­trie sich end­los spiegel­nden Hände sieht, für ihn „eine der Bedin­gun­gen des Men­sch­seins“? Jene Gegen­sätze, die nur in Übere­in­stim­mung gelan­gen, wenn die „bei­den Hände in einem Hin­der­nis, in einem Prob­lem oder in einem Gegen­stand“, in der „volle(n) Geste des Machens“ aufeinan­dertr­e­f­fen, dabei Gegen­stände verän­dern und ihnen neue For­men auf­prä­gen, so dass die Geste der Hände bis zu einem gewis­sen Grad in ihnen aufge­hoben bleibt (Flusser 1991, S. 61–63)? Erst das dialek­tis­che Umfassen der Welt von zwei ent­ge­genge­set­zten Seit­en mache sie wahrnehm­bar, begreif­bar, fass­bar, behan­del­bar, so Flusser weit­er. Auch eine Zeich­nung, for­mulierte in diesem Sinn Hen­ri Matisse, „ist Besitzer­grei­fung. Jed­er Lin­ie muss eine andere Lin­ie entsprechen, die ihr Gegen­stück bildet, so, wie man etwas mit bei­den Armen umarmt“. (zit. n. Nan­cy 2013, S. 31)

In der Tat han­delt es sich hier um Aufze­ich­nun­gen von täti­gen Hän­den. Pia Gon­schorek, die sich auf eine Grad­wan­derung zwis­chen kün­st­lerischem Tun und wis­senschaftlich-akademis­ch­er Reflex­ion im kun­st­di­dak­tis­chen Feld ein­lässt, inter­essiert sich für solche „Gesten des Machens“. „Etwas Ergreifen, Erproben, neue Erfahrun­gen im Rah­men bild­ner­ischen Tuns sam­meln, sowie die Hände selb­st als Werkzeug ein­set­zen“, schreibt sie ein­lei­t­end in ihrer Arbeit, „all dies fordert die Hände auf beson­dere Weise her­aus, ohne dass man sich selb­st dessen bewusst wird oder den Hän­den bei ihrer Tätigkeit viel Beach­tung schenkt“ (Gon­schorek 2014, S. 3). Und da die Bewe­gun­gen der Hände immer auch eine Inten­tion aus­drück­en, ließe sich mit Flusser ergänzen, dass Beobach­tun­gen von „Gesten des Machens“ es uns ges­tat­ten, die Art und Weise zu „entz­if­fern“, wie wir in der Welt existieren oder, bezo­gen auf das Unter­richt­en von Kun­st als einem der Hand­habung von Mate­r­i­al und Werkzeug verpflichteten Fach, was genau die Hände der Schüler*innen bei bes­timmten Aktiv­itäten tun, wie sie sich bewe­gen.

4. Visu­al­isieren und kar­tografieren von „Gesten des Machens“

„Draw­ings are done with a point that moves.“ (Mey­er 2014, S. 171) Diese Aus­sage des Kün­stlers und Kun­st­the­o­retik­ers Philip Raw­son beschreibt tre­f­fend die Art und Weise, wie die Zeich­nun­gen let­ztlich ent­standen sind: Der sich bewe­gende Punkt, der das lin­eare Gebilde auf dem Schirm ein­er filmis­chen Pro­jek­tion her­vorge­bracht hat, sitzt qua­si im Mit­telpunkt ein­er Hand, dem die Spitze eines Stifts für die Dauer ein­er Bewe­gungsse­quenz fol­gt. Voraus­set­zung dafür war eine Videoauf­nahme. Die Kam­era filmte aus ungewöhn­lich­er Per­spek­tive einen Grup­pe­nar­beit­stisch, an dem Kinder ein­er drit­ten und vierten Schulk­lasse im Rah­men ein­er KinderKun­st-Werk­statt an der Uni­ver­sität Biele­feld mit den Hän­den gedruckt und ihre ersten Mono­typ­i­en ange­fer­tigt haben. Gon­schorek erläutert:

„Die Kam­era ist an der Decke des Raumes ange­bracht und in einem 90° Winkel zur Tisch- und Arbeit­splat­te hin aus­gerichtet. Die Hände der agieren­den Kinder befind­en sich in diesem Blick­feld. Diese tech­nisch-medi­ale Möglichkeit ist von entschei­den­der Bedeu­tung, denn der Blick von oben auf die gestal­tenden Hände gewährt […] eine Sicht aus ein­er […] Per­spek­tive, die man als Teil­nehmende am Geschehen so nicht ein­nehmen kann. Mith­il­fe der Kam­er­a­po­si­tion und Ein­stel­lung ist es möglich, die Bewe­gun­gen der Hände in dem von ihnen genutzten Aktion­sspiel­raum so wahrnehmen und ver­fol­gen zu kön­nen, wie sie sich über dem Arbeit­splatz abspie­len.“ (Gon­schorek 2015, S. 13)

Den solcher­art von oben gefilmten Tisch bedeckt eine helle Folie. Auf ihr haben die Kinder in den mit Kle­be­band markierten Feldern schwarze Farbe aus­ge­walzt. Ohne ihre Tätigkeit­en im Einzel­nen zu beschreiben, verdeut­licht der abge­bildete Film­still, dass Hand­be­we­gun­gen von min­destens sechs Kindern vor der annäh­ernd for­mat­fül­len­den Tis­chfläche gut erkennbar sind. Die fokussierende Videoauf­nahme reduziert das Inter­ak­tion­s­geschehen der Unter­richtsstunde fol­glich auf eine schein­bar ent­per­sön­lichte Dynamik tätiger Hände vor der Tis­chfläche. Diese Auf­sicht ist der erste Schritt hin zum bild­ner­ischen Sehen. Ihre Fig­ur-Grund­kon­stel­la­tion bietet andere ana­lytis­che Möglichkeit­en als die herkömm­liche Vis-à-Vis-Aus­rich­tung der Kam­era auf eine han­del­nde Per­son. Zugle­ich unter­läuft sie durch ihre geringe Tiefe die der Kam­era eigene zen­tralper­spek­tivis­che Aus­rich­tung des Blicks.

Dafür fol­gt die Stu­dentin mit einem Faser­schreiber beim Abspie­len aus­gewählter Film­se­quen­zen den Bewe­gun­gen jed­er täti­gen Hand (genauer einem Punkt dieser Hand) auf einem an entsprechen­der Stelle an der Wand fix­ierten Papi­er. Es entste­hen Spuren kar­tografis­ch­er Art, die Merk­male der Veror­tung bei­der Hände bei unter­schiedlichen Hand­habun­gen an ihrem Arbeit­splatz im Ver­lauf der Zeit visuell nachvol­lziehbar machen. Nun erk­lärt sich auch die Bezo­gen­heit bei­der „Kritzel“, die Stu­dentin spricht von „Notat­en“, aufeinan­der, denn bei der präg­nan­teren Zeich­nung han­delt es sich um die Bewe­gung der recht­en, bei der zurückgenomme­nen um die der linke Hand. Die Spiegelung resul­tiert aus der Aufze­ich­nungsan­sicht. Wird das Blatt um 90 Grad gedreht, so entspricht die Sicht jen­er des an seinem Arbeit­splatz täti­gen Kindes.

5. Filmis­che, grafis­che und ver­bale Aufze­ich­nun­gen

Nach ein­er Rei­he zeich­ner­isch­er Ver­suche wählt die Stu­dentin drei Beobach­tungskon­stel­la­tio­nen aus dem Film­ma­te­r­i­al aus. Zunächst jene, deren graphis­che Trans­for­ma­tio­nen bere­its vorgestellt wurde: sechs Kinder bei der­sel­ben Tätigkeit, dem Auswalzen der Farbe auf der vorgegebe­nen Fläche (A). Bei der zweit­en Kon­stel­la­tion han­delt es sich um eine dreim­inütige Sequenz vom Vor­gang des Druck­ens mit den Hän­den, durchge­führt zum einen von ein­er erwach­se­nen Per­son (die eben­falls am Tisch mit­gear­beit­et hat), zum anderen von einem Kind (B). Und drit­tens ent­standen Aufze­ich­nun­gen zu zwei ver­schiedene Tätigkeit­en eines Kindes, dem Sig­nieren der bere­its gedruck­ten Blät­ter und ein­er Phase des Wartens ©.

Gon­schorek erstellt zu jed­er beobachteten Sequenz zwei Zeich­nun­gen. Eine grafis­che Nota­tion von Bewe­gun­gen der recht­en, eine von denen der linken Hand. Die der recht­en zeich­net sie auf halb­trans­par­entes Papi­er, was die Spur der linken durch­scheinen lässt, wenn sie unter das durch­scheinende Papi­er gelegt wird. So wird das Zusam­men­spiel bei­der Hände in Form von Grafis­men auf eine Weise sicht­bar, die Spuren der pas­siv­eren Hand optisch zurück­nehmen.

A: Die Videose­quenz des Ein­walzens mit der Druck­farbe kom­men­tiert Gon­schorek wie fol­gt:

„Der Fil­mauss­chnitt zeigt, dass das Ein­walzen ein­er Fläche bei allen Kindern mit ein­er Hand aus­ge­führt wird. Die rechte Hand hält die Walze fest und bewegt sie in ruckar­tig-schnellem Hin- und Her über die Fläche. […] Die Hand leit­et die Bewe­gungsrich­tung und das Bewe­gung­stem­po der Walze, sie übt Druck auf die Walze aus, sie hält ihren Griff fest […]. Die Kinder gehen […] aufmerk­sam mit der Walze um, sie ler­nen ein neues Werkzeug ken­nen, ver­bun­den mit ein­er neuen Aktiv­ität.“ (Gon­schorek 2015, S. 18)

Alle sechs Graphiken (s.o.) zeigen sich über­lagernde Lin­ien, deren jew­eilige Dichte auf eine unter­schiedliche Inten­sität des Ein­fär­bens, also der Häu­figkeit, mit der die Walze über das Feld bewegt wird, zurück­ge­ht. Dabei wird auf einen Blick erkennbar, dass die rechte Hand sich erwartungs­gemäß fast auss­chließlich im Bere­ich der markierten Druck­fläche aufhält, während die linke auf allen Blät­tern deut­lich weniger aktiv ist und ihr Lin­ien­ver­lauf lediglich punk­tuelle Verdich­tun­gen aufweist (Gon­schorek 1015, S. 18). Weit­er­hin kann Gon­schorek able­sen, ob die Kinder die Walze orthog­o­nal – im Wech­sel von senkrecht­en und waagerecht­en Walz­zü­gen – oder diag­o­nal bewegt haben, ob und wie die linke Hand aktiv wird und wie stark bei­de Hände im Aktion­sraum – oder über diesen hin­aus – expandieren, welch­es Feld sie bei ihrer Aktiv­ität durchmessen.

Aufgeze­ich­net wer­den hier, Flusser fol­gend, Gesten des Hand­habens, nicht solche des Her­stel­lens oder for­mgeben­den Erzeu­gens, bei denen bei­de Hände auf einen Gegen­stand ein­wirken, ihn sein­er Umge­bung entreißen und in einen neuen Kon­text stellen. Das, wom­it die Hände agieren, wird nicht in ein Pro­dukt ver­wan­delt, son­dern zur Her­stel­lung eines Pro­duk­ts genutzt. Die Walze bleibt fol­glich der Funk­tion unter­ge­ord­net, die sie erfüllen soll. Als Werkzeug wird sie zu ein­er vere­in­facht­en und wirk­samen Ver­längerung der Hände (Flusser 1991, S. 79).

B: Aus der dreim­inütige Videose­quen­zen vom Vor­gang des Druck­ens mit den Hän­den gewin­nt die Stu­dentin zwei Aufze­ich­nun­gen (s.u.): Die erste zeigt die Hand­be­we­gun­gen ein­er Schü­lerin, die zweite die ein­er am Tisch mitar­bei­t­en­den erwach­se­nen Per­son. Bei ihrer Tätigkeit gebrauchen die Hände kein Werkzeug, das sie mit ein­er „prak­tis­chen Geste“ (Flusser) in Bewe­gung set­zen. Indem Fin­ger, Hand­fläche, Hand­kante oder Knöchel einge­färbt und als Formele­mente auf dem bere­itliegen­den Papi­er abge­druckt wer­den, sind die Hände als Träger der Farbe nun selb­st Werkzeug, Gestal­tungsmit­tel, Mate­r­i­al und, wo die ganze Hand­fläche abge­druckt wird, auch Motiv.

Gon­schorek kom­men­tiert die Videose­quenz wie fol­gt:

„Ein Ver­gle­ich der Aktiv­itäten zeigt, dass die Hände der erwach­se­nen Per­son zöger­lich und bedacht arbeit­eten. Sie nutzten nur einen gerin­gen Aktion­sraum und nehmen sich nicht viel Frei­heit. Sie agieren ziel­gerichtet – möcht­en eine Blume und eine Schlage mit dem Zeigefin­ger druck­en. Diese Hände wer­den vom Kopf gelenkt. Maja (die Schü­lerin, P.K.) hinge­gen testet aus, was die Hände ihr an Möglichkeit­en bieten. Sie nutzt die Aktions­fläche voll aus, was sich in der Abbil­dung als for­mat­fül­lende Graphik zeigt. […] Majas Ziel ste­ht nicht fest, sie geht explo­rativ vor. Die […] Bewe­gungsabläufe fol­gen schnell aufeinan­der, scheinen intu­itiv ges­teuert, um möglichst viel auszupro­bieren. Majas Hände eilen dem Kopf voraus, sie agieren und gestal­ten.“ (Ebd., S. 24)

Bei der Schü­lerin wird, so ließe sich ergänzen, die vitale Bedeu­tung von Hand­be­we­gun­gen als Aus­druck von inner­er Beteili­gung bei explo­ri­eren­dem Erkun­den anschaulich, ein­er Tätigkeit, die keines lei­t­en­den Voraus­denkens bedarf.

Der Ver­gle­ich bei­der Zeich­nun­gen (s.u.) macht das Beschriebene augen­fäl­lig: Links lässt eine Vielzahl von Lin­ien auf unter­schiedlich aus­gerichtete Bewe­gun­gen der Hände schließen: Ger­ade, geschwun­gen, kurz und lang durchziehen sie orthog­o­nal und diag­o­nal die Fläche und bilden ein dynamis­ches Gefüge mit zwei bis drei größeren Bal­lungszen­tren. Rechts hinge­gen führen die Lin­ien stets zu densel­ben Punk­ten zurück, wirken gebrem­ster, in sich geschlossen­er. Es gibt Punk­te, die immer wieder anges­teuert wer­den, wenig aus­greifende Lin­ien scheinen um diese Punk­te zu kreisen (Ebd., S. 23).

In dieser Beobach­tungse­quenz inter­essiert sich die Stu­dentin für mögliche Inter­feren­zen zwis­chen Videografie, grafis­ch­er Aufze­ich­nung und Sprache. Sie kon­fron­tiert ihre Beschrei­bung ein­er Zeich­nung mit jen­er der Tätigkeit der Hände nach der dazuge­höri­gen Videose­quenz und stellt vice ver­sa die Beschrei­bung der bei­den Videose­quen­zen den Zeich­nun­gen an die Seite. So wird in Ansätzen deut­lich, worin sich die Ver­sprach­lichung der filmis­chen Aufze­ich­nung mit ihrem stärk­er nar­ra­tiv­en Charak­ter von jen­er der abstrak­ten zeich­ner­ischen Trans­for­ma­tion unter­schei­det, welche Auswirkun­gen der Wech­sel der Medi­en (Videografie, Zeichen­s­tift und geschriebenes Wort) auf mögliche Schlussfol­gerun­gen ein und der­sel­ben Hand­habung haben kann und wie die Zeichen­funk­tio­nen im Dazwis­chen ins Unein­deutige oszil­lieren. Zudem notiert Gon­schorek jede Hand­habung, die sich inner­halb der drei Minuten ereignet hat. Da die Beobach­tungszeit hier, anders als beim Auswalzens der Farbe, auf drei Minuten beschränkt war, teilt die Anzahl der unter­schei­d­baren Tätigkeit­en auch etwas über die Geschwindigkeit mit, in der die Hände aktiv waren.

C: Wie ver­hal­ten sich die Hände eines Kindes bei der ziel­gerichteten Tätigkeit des Sig­nierens der eige­nen Blät­ter ver­glichen mit einem Moment, in dem sie (eigentlich) nichts zu tun haben? Bewe­gen sie sich den­noch oder bleiben sie ruhig auf dem Tisch liegen? In dieser drit­ten Beobach­tungsse­quenz verdeut­licht die auf die Vide­ofre­quenz bezo­gene Beschrei­bung die kar­tografis­chen Qual­itäten der Zeich­nung (rechts „sig­nierende“, links „wartende“ Hände):

„Sven­ja greift den Stift, sobald er auf den Tisch gelegt wird. Die rechte Hand begin­nt zu schreiben, die linke Hand blät­tert die auf einem Stapel liegen­den Papiere an der Ecke um, sie verän­dert ihre Posi­tion kaum. Beim Warten hält die rechte Hand den Stift weit­er­hin fest, bei­de Hände spie­len damit, sie blät­tern erneut den Papier­stapel durch, sie sind unruhig, sie müssen sich bewe­gen, sie erproben den Raum, sie greifen nach den Gegen­stän­den, sie tas­ten und fühlen die Mate­ri­al­ität, die For­men und Tex­turen, sie sind ungeduldig.“ (Ebd., S. 21)

„Wir müssen Mars­be­wohn­er wer­den“, schreibt Flusser über unsere nie ruhen­den Hände, um uns als Machende, als homines fab­ri zu beobacht­en: „Der Mars­be­wohn­er würde wahrschein­lich beim Beobacht­en unser­er Hände einen größeren Ekel empfind­en als wir, wenn wir die Bewe­gung von Spin­nen beobacht­en. Unsere Hände sind fast nie in Ruhe: es sind fünf­beinige Spin­nen, die nie aufhören, auf und in der Welt zu tas­ten, zu berühren, zu hantieren und zu trom­meln.“ (Flusser 1991, S. 64) Das unruhig aus­greifende Hin und Her der Hände in ein­er Phase des Abwartens war für Gon­schorek ein über­raschen­des Ergeb­nis dieser drit­ten Aufze­ich­nungsse­quenz.

In allen drei Beobach­tungskon­stel­la­tio­nen nutzt die Stu­dentin ihr Werkzeug – Video und Zeichen­s­tift – wie ein homo faber, exper­i­men­tiert damit jedoch wie ein homo ludens. Sie vol­lzieht ein aus dem Kon­text der Kun­st entlehntes bild­ner­isches Han­deln und bezieht es auf ihren Unter­richt. Zeichen set­zend spürt sie den Bewe­gun­gen einzel­ner Kinder nach, wis­send, dass die Resul­tate ihres Tuns sowohl Fra­gen beant­worten als auch aufw­er­fen. Zugle­ich entste­hen bei der Trans­for­ma­tion von Auss­chnit­ten ein­er Hand­habung in das let­ztlich sta­tis­che Medi­um der lin­earen Spur über den Umweg der Videografie keine ein­deutig dekodier­baren, einem Pik­togramm ähn­lichen Kürzel. Es han­delt sich vielmehr um Spuren, deren bild­ner­isch­er Charak­ter sich durch den Ver­lust mehrsinnlich­er Qual­itäten in Rich­tung Zeichen­charak­ter ver­schiebt. Insofern die Notate reale Sit­u­a­tio­nen nachze­ich­nen und verdicht­en, ver­mit­teln sie auf­grund ihres Ver­weis­charak­ters den­noch entschlüs­sel­bare Infor­ma­tio­nen. Diese fasst Gon­schorek im Rück­bezug auf die sit­u­a­tiv­en Gegeben­heit­en des Unter­richts am Ende ihrer Arbeit zusam­men.

  1. Rück­bindung an die Unter­richtssi­t­u­a­tion

„Die graphis­chen Nota­tio­nen machen Spuren sicht­bar, welche meine Hand beim Ver­fol­gen der Aktiv­itäten der Kinder­hände aufgeze­ich­net hat“, schreibt die Stu­dentin. „Sie lassen Rückschlüsse auf Hand­lun­gen, motorische Beson­der­heit­en oder indi­vidu­elle Gesten zu. Die sicht­bare Spur kon­serviert die mehr oder weniger ziel­gerichteten Bewe­gun­gen der Kinder­hände in ein­er aus­sagekräfti­gen Abstrak­tion.“ (Ebd., S. 28)

Schon vor der Auswer­tung ihrer Aufze­ich­nun­gen ist sich Gon­schorek der Tat­sache bewusst, dass der vol­l­zo­gene Schritt von der Film­se­quenz zur Graphik ein­er Trans­for­ma­tion und mehrfachen Reduk­tion gle­ichkommt:

„Jede Bewe­gung der Hand, die aus der Film­se­quenz her­aus­ge­filtert wird, hin­ter­lässt auf dem Papi­er eine Lin­ie. Damit wird die im drei­di­men­sion­alen Raum stat­tfind­ende Bewe­gung in eine zwei­di­men­sion­ale Zeichen­spur trans­formiert. Indem mein Zeichen­s­tift den Bewe­gun­gen fol­gt, ver­schafft er ihnen einen sicht­bar­eren, präsen­ten Aus­druck. Die Graphik hält den Prozess des gestal­tenden Tuns jedoch auf beson­dere Art und Weise fest, denn sie ban­nt den Bewe­gungsver­lauf ein­er Zeit­se­quenz als fix­ierten Moment.“ (Ebd., S. 27)

„Der graphis­chen Spur lässt sich nicht ent­nehmen“, so schränkt die Stu­dentin bere­its im Vor­feld ein, „wie schnell eine Bewe­gung abläuft und über welchen Zeitraum sie sich erstreckt.“ (Ebd., S. 15) Es lässt sich, sin­ngemäß in ihren Worten zusam­menge­fasst, weit­er­hin nicht erken­nen, ob und wenn ja mit welchem Werkzeug die Hand arbeit­et oder ob sie sich lediglich bewegt. Hinge­gen zeigen die lin­earen Gebilde die rel­a­tive Fläche, die das Kind bei der Arbeit ein­nimmt, wie oft die Hand einem bes­timmten Punkt ans­teuert, „ob sie eher aktiv agiert oder pas­siv beteiligt ist“ und wie die Bewe­gun­gen bei­der Hände aufeinan­der bezo­gen sind. „Die Graphiken bilden das In-Beschlag-Nehmen des Blattes, die Expan­sion, das Aus­greifen ins Aktions­feld ab“ (Ebd., S. 22, 25). Dahinge­hend lassen sie im Gegen­satz zum Video den Ver­gle­ich von Bewe­gungsver­läufen auf einen Blick zu.

Die Stu­dentin ver­ste­ht jede Zeich­nung als ein aus der filmis­chen Sequenz extrahiertes indi­vidu­elles Bewe­gungsportrait, das den Vol­lzug von Hand­be­we­gun­gen abstrahiert: „eine Zeich­nung, die das Sicht­bare aus der Man­nig­faltigkeit der Film­se­quenz isoliert und es ein­friert. Es stillt stellt.“ (Ebd., S. 26) Dabei erscheint ihr das Zusam­men­spiel zwis­chen link­er und rechter Hand beson­ders bemerkenswert: „[…] die Über­lagerung, die Schich­tung, die Dom­i­nanz der recht­en Hand, das Zurück­nehmen der linken Hand, das unver­mei­d­bare Zusam­men­tr­e­f­fen, das gegen­seit­ige Bee­in­flussen. Das Span­nungs­ge­füge entste­ht erst, wenn bei­de Hände bzw. bei­de Graphiken aufeinan­dertr­e­f­fen“ (Ebd. S. 24–25). Bei ziel­gerichteten Bewe­gungsabläufen, wie dem Auswalzen von Farbe oder dem Druck­en mit den Hän­den, zeich­net sich, so stellt Gon­schorek fest, das erwart­bare Ungle­ichgewicht bezüglich der Aktiv­itäten bei­der Hände deut­lich ab. Bei Recht­shän­dern ist die rechte Hand aktiv­er, „während die linke […] die Bewe­gun­gen der recht­en antizip­ieren und unter­stützen muss. Beim Warten hinge­gen (Beobach­tungsse­quenz 3, P.K.) ist das Ver­hält­nis zwis­chen den Bewe­gun­gen der recht­en und linken Hand ein rel­a­tiv aus­ge­wo­genes, da die rechte Hand bei freien Bewe­gun­gen der linken nicht über­legen ist.“ (Ebd., S. 25) Gon­schorek fragt weit­er, ob anhand der Bewe­gungsno­tate ables­bar wird, wie frei sich die Hand bei ver­schiede­nen Tätigkeit­en bewegt oder wie automa­tisiert eine Hand­habung abläuft: „Sowohl beim Walzen als auch beim Beschriften zen­tri­eren sich die in Lin­ien über­set­zten Bewe­gun­gen, auf ein­er einge­gren­zten Fläche. Eine Auf­gabe wird aus­ge­führt und ein Ziel ver­fol­gt. Näm­lich das Sig­nieren der Papiere und das Ein­fär­ben der Glas­plat­te.“ Beim Druck­en mit der eige­nen Hand hinge­gen wer­den die Frei­heit der Tätigkeit und die Uneingeschränk­theit der Aktiv­ität sicht­bar. „Die Hände kön­nen sich ganz darauf konzen­tri­eren, etwas auszupro­bieren, Erfahrun­gen zu sam­meln, die Mate­ri­al­ität zu erkun­den.“ (Ebd., S. 24)

Graphis­che Notate von Hand­habun­gen machen weit­er­hin erkennbar, so schlussfol­gert die Stu­dentin, mit wieviel motorischem Aufwand ein Kind arbeit­et oder wie eingeschränkt sein Bewe­gungsra­dius anderen Kindern gegenüber ist (Ebd., S. 28, 29). Dies­bezüglich ließen sich Arbeit­sphasen unter­suchen, bei denen mehrere Kinder in einem Feld agieren, sodass sicht­bar wird, wie ihre Hand­be­we­gun­gen ineinan­der­greifen: „Wie ver­hält sich ein Kind in der Gruppe, […] welchen Raum nehmen seine Bewe­gun­gen ein? […] Hand­be­we­gun­gen der ver­schiede­nen Kinder kön­nen in unter­schiedlichen Far­ben notiert wer­den, um auf einen Blick anschaulich zu machen, wie stark jedes einzelne Kind in den Arbeit­sprozess der Gruppe einge­bun­den ist.“ (Ebd., S. 29) Darüber hin­aus wäre das Zusam­men­wirken von Hän­den und Augen ein lohnen­des Unter­suchungs­feld.

7. Kün­st­lerisch­er und wis­senschaftlich­er Anspruch

Die Stu­dentin stellt die bild­hafte Visu­al­isierung des Zeich­nens, die ihre Wahrnehmung schärft, fokussiert und struk­turi­ert, in den Dienst eines erken­nt­nis­geleit­eten Inter­ess­es. Aus dem videografierten Aktionsver­lauf aus­gewählter Szenen löst sie grafis­che Spuren her­aus, die sich beim Nach­fahren inner­halb eines zwei­di­men­sion­alen Koor­di­naten­sys­tems gle­ich­sam von selb­st zu for­men scheinen. Damit reduziert und abstrahiert sie das beobachtete Geschehen. Um Dif­feren­zen her­vortreten zu lassen, wählt sie eine min­i­mal­isierte, serielle Art der Aufze­ich­nung. Nur so wer­den Para­me­ter wie der Aktion­sra­dius der Hände, die Dichte, Weite oder Fre­quenz von Bewe­gung im Zusam­men­spiel anschaulich und ver­gle­ich­bar. Dabei erweist sich die Entschei­dung, die Notate der recht­en Hand auf halb­trans­par­entes Papi­er zu zeich­nen, für den kün­st­lerischen Anspruch[14] so wirkungsvoll, wie für das fach­di­dak­tis­che Inter­esse erken­nt­nisträchtig. Weil die Aufze­ich­nun­gen let­ztlich dieser dop­pel­ten Absicht verpflichtet sind, liegen ihnen bes­timmte konzeptuelle Entschei­dun­gen wie Papier­größe, Art und Strich­stärke des Stifts, Posi­tion­ierung des Blattes, Auswahl der Sequen­zen zugrunde. Fol­glich zeigen die Resul­tate nicht ein Äquiv­a­lent der im Video sicht­baren Bewe­gungsver­läufe der Kinder­hände selb­st, sie zeigen vielmehr, wie die Stu­dentin uns diese zu sehen aufgibt.

Damit zu Tage tritt, was das ursprünglich Gegebene nicht als Gegebenes offen­bart, was im sit­u­a­tiv­en Kon­text vor Ort und auf dem Video zwar sicht­bar, aber nicht auf diese Art wahrnehm­bar ist, wählt die Stu­dentin die auf­sichtige Kam­er­ap­er­spek­tive. Erst sie gibt die Aktiv­itäten der Kinder­hände vor jen­em Arbeits­grund wieder, auf den sie im Tun bezo­gen sind, macht ihn zur Folie für ihr Erscheinen. Als medi­aler Zwis­chen­schritt holt die Videografie eine bild­hafte Fokussierung auf den Schirm (die papierbe­span­nte Wand), die die Stu­dentin, anders als im ein­gangs beschriebe­nen Werk von Wald, nicht als Film­se­quenz – etwa auf einen leeren Arbeit­splatz – pro­jiziert, son­dern in das sta­tis­che Medi­um der Zeich­nung über­führt. Dieser legt sie das wiedergebende Bewegt­bild (Flusser zum Video) als eine Art der „Bewe­is­führung“ zugrunde, das zeit­ver­set­zt abruf­bar und mit analo­gen Mit­teln in ein Mate­r­i­al trans­formier­bar wird, was nicht wiedergibt, son­dern darstellt.

Mit Ursu­la Brand­stät­ter lassen sich diese Trans­for­ma­tio­nen von „Gesten des Machens“ in lin­eare Spuren näher bes­tim­men. Es han­delt sich um jene vor­ab „definierten“ struk­turellen Umfor­mungen, die die Autorin von „offe­nen“ Ver­wand­lung­sprozessen unter­schei­det. Ihrem Klas­si­fizierungssys­tem im Ansatz zur The­o­rie der ästhetis­chen Trans­for­ma­tion fol­gend (Brand­stät­ter 2013, S. 120–127), haben wir es mit einem Über­tra­gung­sprozess zu tun, dem ein inten­tionaler Akt zugrunde liegt. Wie in einem „Vor­gang der Analyse“ wer­den „aus einem Wahrnehmungskom­plex, der als ein Bün­del von Merk­malen beschrieben wer­den kann, […] einzelne Eigen­schaften ‚ab(s)-trahiert‘, also her­aus­ge­zo­gen“ (Ebd., S. 124) und ins Zen­trum der Aufmerk­samkeit gerückt. Die Zeich­nung selb­st ver­hält sich damit zur videografierten Szene wie ein „ana­lytis­ches Werkzeug“. Sie ist prinzip­iell nicht-sprach­lich­er Natur, ver­langt eine andere Art der Wahrnehmung, kann aber im Nach­hinein auch unter Zuhil­fe­nahme des Videos in eine sprach­liche Aus­sage über­führt oder auf eine reale Sit­u­a­tion rück­be­zo­gen wer­den.

Auch die Beschrei­bung einzel­ner Notate entspricht ein­er Trans­for­ma­tion, die der bild­haften Bewe­gungsspur in Sprache. Hier wird deut­lich: Als beson­ders ertra­gre­ich für die Analyse der Zeich­nun­gen, wie für die sich aus dem Span­nungs­feld von Kun­st und Forschung ergebende method­ol­o­gis­che Reflex­ion erweist sich der Ver­gle­ich. Die Stu­dentin ver­gle­icht sowohl Bewe­gun­gen mehrerer Akteure als auch Bewe­gun­gen bei unter­schiedlichen Tätigkeit­en. Weit­er­hin unter­sucht sie mit Blick auf das Ableit­en begrif­flich fass­bar­er und tragfähiger Aus­sagen Übere­in­stim­mungen trotz oder Dif­feren­zen auf­grund unter­schiedlich­er Kodierungssys­teme und ist damit einem Zusam­men­wirken ästhetis­ch­er und epis­temis­ch­er Prax­en auf der Spur. Damit kor­re­spondiert die Tat­sache, dass Gon­schoreks Vorge­hen selb­st nicht durch fest umris­sene Fragestel­lun­gen und klein­schrit­tige Ver­such­sanord­nun­gen dik­tiert wird. Mit einem kün­st­lerischen Arbeit­sprozess, wie ihn Claus-Peter Buschküh­le charak­ter­isiert, teilt es die offene Aus­gangssi­t­u­a­tion der Beobach­tung, die Prob­lem- und Hand­lung­sori­en­tierung in der Aus­führung, das kri­tis­che und imag­inäre Reflek­tieren sowie das Exper­i­men­tieren mit dem Video- und Bild­ma­te­r­i­al (Buschküh­le 2005). In seinem exper­i­mentellen Charak­ter entspricht der Prozess zugle­ich einem kreativ­en Akt (auch im Sinn von John Deweys „Art as Expe­ri­ence“), der im Nach­hinein ein­er hermeneutisch-rekon­struk­tiv­en Deu­tung unter­zo­gen wird, die neben den bild­ner­ischen Ergeb­nis­sen das Vorge­hen selb­st ein­schließt.

8. Kar­tografis­che Aufze­ich­nun­gen in Kun­st und Forschung

Es wurde bere­its betont, dass die Aufze­ich­nun­gen als Ergeb­nisse kün­st­lerischen Tuns für sich ste­hen und im Rah­men der Kun­st rezip­iert wer­den kön­nen. Die Stu­dentin selb­st ver­weist auf die amerikanis­che Kün­st­lerin Mor­gan O›Hara, die den Hand­be­we­gun­gen aus­gewählter Akteure vor Ort mit einem Zeichen­s­tift in jed­er Hand nach­spürt und sie seis­mo­graphisch zu Papi­er zu bringt.[15] Anders als die durch vari­ierten Druck zu Energiefeldern verdichteten Zeich­nun­gen der Kün­st­lerin, die sich einem Prozess des sen­si­blen Anäh­nelns, der unmit­tel­baren kör­per­lichen Reak­tion auf das Geschehen ver­danken, erzeugt Gon­schoreks ein­spuriges Nach­fahren der im Video isolierten Hand­be­we­gun­gen eine objek­tivierende Dis­tanz zu dem, was sie aufze­ich­net.[16] ist Aus­gangspunkt und Meth­ode eines forschen­den Zugriffs im Kon­text kun­st­päd­a­gogis­chen Han­delns. Die Zeich­nun­gen zeigen etwas, was der Anschau­ung im All­ge­meinen ent­ge­ht, was Fra­gen gener­iert und sich ver­gle­ichend aus­deuten lässt. Dem solcher­art Kartierten wächst ein repräsen­ta­tiv­er Zeichen­charak­ter insofern zu, als es die zeitlich begren­zte Sequenz von Hand­habun­gen (bspw. eines Druck­w­erkzeugs durch Schüler*innen) unter Aus­blendung ander­er Infor­ma­tio­nen im orthog­o­nalen Sys­tem ein­er Bild­fläche verortet, die einem Auss­chnitt des Arbeit­splatzes entspricht. Para­dox­er­weise betont das solcher­art Kartierte das Prozes­suale der Aktiv­itäten durch Still­stellen der­sel­ben in einem fix­ierten Moment.

Die der geografis­chen, kul­tur­wis­senschaftlichen oder eth­nol­o­gis­chen Forschung auch von Künstler*innen entlehnte Kar­tografie wurde für die Kun­st­di­dak­tik von Klaus-Peter Busse erschlossen (Busse 2007). Sie entspricht ein­er erkun­dende und ana­lytisch-doku­men­tieren­den, vor allem aber ein­er auf bes­timmte Art visu­al­isieren­den Meth­ode des In-Beziehung-Set­zens, die unüber­schaubare, oft sel­ten wahrgenommene Sit­u­a­tio­nen fokussiert, markiert und ord­net. Kar­tografie ist dabei Prozess und Pro­dukt der Erkun­dung: Die im Prozesse ein­genommene Hal­tung inten­siviert den Blick auf Facetten von Wirk­lichkeit, das entste­hende Pro­duk­te wiederum macht den sub­jek­tiv­en Zugriff darauf ein­er objek­tivieren­den Analyse zugänglich. Neben Map­ping hält Busse Kar­tografie für eine Meth­ode, die zeigt, „wie wis­senschaftliche Forschung von kün­st­lerischen Ver­fahren prof­i­tieren kann oder wie außerkün­st­lerische Prob­lem­felder mit kün­st­lerischen Meth­o­d­en gelöst wer­den“ (Busse 2004, S. 5).[17]

Kar­tografieren im Kon­text von Schule und Hochschule eröffnet einen anderen Blick der (zukün­ftig) Lehren­den auf das (nicht min­der kom­plexe) Geschehen von Unter­richt oder Aktiv­itäten des Lehrens und Ler­nens und kann „kün­st­lerisch­er Hand­lungsrah­men für die Per­for­manz viel­er Lern­prozesse“ sein (Busse 2007, S. 158). Es rückt darüber hin­aus Schule als möglichen Ort kün­st­lerisch­er Inter­ven­tio­nen in den Blick. Im gegebe­nen Beispiel entspricht dem Erkun­den von Räu­men mit kün­st­lerischen Mit­teln das Erkun­den von indi­vidu­ellen Bewe­gungsab­fol­gen oder Aktiv­itätsmustern im gestal­ter­ischen Prozess der Schüler*innen. Über den Zwis­chen­schritt der Videografie erlaubt Kar­tografieren hier das Fes­thal­ten des schnell Ent­glei­t­en­den und macht es über die ver­an­schaulichende Visu­al­isierung in Form zwei­di­men­sion­aler Kod­i­fizierung der begrif­flichen Aus­deu­tung zugänglich. Das Aufze­ich­nen der Hand­be­we­gun­gen bei laufend­er Videokam­era, ver­bun­den mit dem selek­tiv­en Auss­chnei­den von Seg­menten und ihrer seriellen Zuord­nung ist nicht nur ein kreativ­er Akt erweit­ert­er Wahrnehmung, son­dern regt Ver­gle­iche von kun­st­di­dak­tis­ch­er Bedeu­tung an, da es her­vortreten lässt, „was zuvor als Sinn oder kon­sti­tu­ierende Bedeu­tung nicht sicht­bar ist.“ (Busse 2007, S. 163)

9. Method­ol­o­gis­che Reflex­io­nen

Es bleibt zu fra­gen, ob und unter welchen Bedin­gun­gen das solcher­art Kartierte, sich im Nachze­ich­nen ein­er Bewe­gung For­mende, Rel­e­vanz im Rah­men wis­senschaftlich­er oder kün­st­lerisch­er Forschung und/oder (kun­st­päd­a­gogis­ch­er) The­o­riebil­dung beanspruchen kann. Von welch­er Forschung wäre hier zu reden? Indem Gon­schorek aus­gewählte Aspek­te eines kom­plex­en Unter­richts­geschehens mit den Mit­teln ästhetisch-kün­st­lerisch­er Prax­is visu­al­isiert und die Ergeb­nisse unter didak­tis­chen Gesicht­spunk­ten analysiert, wird die dem Vorhaben zugrun­deliegende kün­st­lerische Hal­tung ein Stück weit objek­tiviert, die forschende ein Stück weit versinnlicht und sub­jek­tiviert. Die Prax­is der Aufze­ich­nung dient hier wed­er der Illus­tra­tion noch auss­chließlich der Wis­senspro­duk­tion. Ihr Ziel ist allererst eine Sen­si­bil­isierung und Struk­turierung des so zuvor nicht Wahrgenommen­em, das im Medi­um des Bild­haften einen anderen Stel­len­wert erhält. Zudem dient es der Verge­gen­wär­ti­gung von Zusam­men­hän­gen sowie nicht zulet­zt der Markierung blind­er Fleck­en im Prozess eigen­er Pro­fes­sion­al­isierung.

Der Dif­feren­zierung von M. Reb­stock in sein­er Stan­dortbes­tim­mung des Ver­hält­niss­es von Kul­tur­wis­senschaften und ästhetis­ch­er Prax­is fol­gend, haben wir es hier also wed­er mit ein­er Forschung über ästhetis­che Prax­is noch mit ein­er in ästhetis­ch­er Prax­is (artis­tic research, Kun­st als Forschung) zu tun.[18] Was die Stu­dentin prak­tiziert, ist eine Forschung durch Ästhetis­che Prax­is. „Bei ein­er […] Forschung durch ästhetis­che Prax­is“, argu­men­tiert Reb­stock, „treten kün­st­lerische Prozesse […] inte­gri­ert in wis­senschaftlichen Forschungs­fra­gen und -szenar­ien auf. Sie wer­den zum method­is­chen Bestandteil (Instru­men­tar­i­um) der Forschung, stellen aber nicht die Forschungsergeb­nisse selb­st dar, wie im […] Fall der kün­st­lerischen Forschung.“ (Reb­stock 2017, S. 38) Das, was die Stu­dentin „durch“ ihre ästhetis­che Prax­is her­vor­bringt, indem sie eine mehr oder weniger kun­st­fremde Prob­lem­stel­lung mit bild­ner­ischen Ver­fahren unter­sucht, ist fol­glich nicht Ergeb­nis wis­senschaftlich­er Forschung, wohl aber Aus­gangspunkt von wis­senschaftlichen Reflex­io­nen. Indem sie das Erken­nt­nis­poten­zial ein­er kün­st­lerischen Strate­gie (der lin­earen Aufze­ich­nung) im Kon­text der Bedin­gungs­fak­toren von Unter­richt befragt und mit ihr zugle­ich auf etwas zeigt, das Fra­gen aufwirft, gewin­nt ihr Bild­han­deln – nicht zulet­zt durch Fokussierung kun­st­di­dak­tisch unter­beleuchteter Felder (der Hand­be­we­gun­gen von Schüler*innen rel­a­tiv zu ihren Tätigkeit­en und Arbeit­splätzen) an didak­tis­ch­er Sig­nifikanz. Zugle­ich geht es mit ein­er Lust am Visu­al­isieren und Gestal­ten ein­her, ist nicht nur Reg­istri­eren son­dern zu gle­ichen Teilen auch Nachvol­lziehen und -spüren. Diese Gestal­tungs­freude führt abschließend zum Kör­p­er und sein­er Rolle im vorgestell­ten Pro­jekt zurück, ohne die die method­ol­o­gis­che Frage nach ein­er Forschung­sprax­is mit ästhetis­chen Mit­teln ins Leere läuft.

10. Sub­jek­tiv­ität und Kör­per­bezug des Forschens mit ästhetis­chen Mit­teln

Zwar standen die auf beson­dere Art fokussierten Bewe­gun­gen der Kinder­hände im Zen­trum des Erken­nt­nis­in­ter­ess­es, den­noch durch­lief auch der anlei­t­ende, (re)agierende und zeich­nende Kör­p­er der Stu­dentin einen Prozess des Erken­nens. Zunächst kor­re­spondierte Ihr Vorhaben mit indi­vidu­ellen Inter­essen und bere­its erprobten bild­ner­ischen Zugriff­sweisen. In ein­er kün­st­lerischen Abschlus­sar­beit hat­te sie sich mit Han­dlin­ien und der Aus­prä­gung von Schriftzü­gen beschäftigt, war den Hand­schriften mehrerer Gen­er­a­tio­nen in ihrer Fam­i­lie nachge­gan­gen – sys­tem­a­tisch ver­gle­ichend eben­so wie kün­st­lerisch gestal­tend (auf groß­for­mati­gen Lein­wand­bildern mal­end und druck­end). Ein für Motiv und Ver­fahren sen­si­bil­isiertes Gespür führte Gon­schorek zur aufmerk­enden Fokussierung der druck­enden Kinder­hände im eige­nen Unter­richt und ließ sie zur Videokam­era greifen.[19]

Was sich im zweit­en Schritt dann beim Nach­fahren von Hand­be­we­gun­gen mit einem Stift als Spur mate­ri­al­isiert, verbindet über die Brücke des Videos let­ztlich zweier­lei „Gesten des Machens“, die ein­er Kinder­hand mit jen­er der Stu­dentin, die sich aufze­ich­nend deren Rhyth­men anpasst, sich mit ihnen syn­chro­nisiert. Let­ztlich ist die stift­führende Bewe­gung der Stu­dentin am Zus­tandekom­men der Zeich­nun­gen nicht weniger beteiligt, als die sie aus­lösenden Hand­be­we­gun­gen. Bei­de bedin­gen sich gegen­seit­ig.

Der Wech­sel vom Beobacht­en zum täti­gen und struk­turi­eren­den Nachvol­lziehen – der mit ein­er verän­derten, hier nicht the­ma­tisierten Wahrnehmung von Zeit ein­herge­ht – erschließt Sinn nicht nur in Form ein­er nach­ge­ord­neten und begrif­flich fass­baren Aus­deu­tung der auf Papi­er sich abze­ich­nen­den Lin­ien. Sinn schreibt sich vielmehr durch die vol­l­zo­gene Prax­is, dem Gewahrw­er­den von Hand­be­we­gun­gen und ihrer kar­tografis­chen Nota­tio­nen dem Kör­p­er der Akteurin als implizites Wis­sen ein, das im Zusam­men­spiel von Anschauen und (Nach-)Empfinden gewon­nen wird. Ihre forschende Hal­tung geht eine Verbindung mit han­del­nder Verge­gen­wär­ti­gung und der Sinnlichkeit des Nach­spürens ein.[20]

Rück­blick­end auf die Arbeit von Johannes Wald, die uns im Ausstel­lungskon­text mit dem bewegten Bild eines atmenden Oberkör­pers auf ein­er spiege­lar­tig präsen­tierten Mar­mor­plat­te kon­fron­tiert, wäre zu prüfen, ob es vis-á-vis von „Cold veins, warm light“ zum mehr oder weniger bewussten Syn­chro­nisieren mit dem die min­i­male Kör­per­be­we­gung her­vor­rufend­en Atmen kommt. Anders gefragt: Welchen Stel­len­wert hat das von Gon­schorek prak­tizierte Bild­han­deln, ihr Anliegen, Bewe­gun­gen ihrer Schüler*Innen nicht nur videografisch auf beson­dere Weise zu fokussieren, son­dern sie in ihrem lebendi­gen Re-Agieren auf das, was sie ihnen zu tun aufgibt, gestalthaft einz­u­fan­gen, sie im Modus ein­er durch den eige­nen Kör­p­er hin­durch geschick­ten indi­vidu­ellen Geste des Machens als Spur – als nachge­spürte Spur – aufzuze­ich­nen?

Inwieweit das Nach­spüren mit dem Stift auf­grund ein­er impliziten Reflex­iv­ität ein intu­itives Wis­sen gener­iert, das sich aus kinetis­chen, sen­sorischen oder soma­tis­chen Erfahrung speist, auf diese Frage mag abschließend eine kar­tografierende Kün­st­lerin antworten. Wie Nanne Mey­er anmerkt, ist

„Zeich­nen […] immer auch ein kör­per­lich­es Tun. Dabei weiß die Hand, in die sich die Bewe­gung ein­schreibt am Ende nicht unbe­d­ingt mehr, aber sie weiß anderes. Anders tritt uns das gegenüber, was wir nicht ken­nen. Was befremdlich oder abwegig erscheint, enthält jedoch oft ein unbekan­ntes Poten­zial. So gese­hen ist Zeich­nung auch eine Bewe­gung ins Unbekan­nte, ins Fremd­sein, ins Nichtver­ste­hen. Es ist ein Unter­wegs­sein mit offen­em Aus­gang, ver­bun­den mit Risikobere­itschaft und Mut.“ (Mey­er 2014, S. 170)

Indem die Stu­dentin in ihrer Arbeit zeich­nend eher Beiläu­figes fokussiert, indem sie Sinn im kör­per­lichen Nachvol­lziehen von Bewe­gun­gen sucht, und diesen an der Schnittstelle von Kun­st und ihrer Didak­tik verortet, set­zt sie sich mutig und risikobere­it ein­er sit­u­a­tiv­en Offen­heit aus, die ihr im Umgang mit dem Bild­ma­te­r­i­al, sein­er Analyse und den unter­richts­be­zo­ge­nen Schlussfol­gerun­gen viel Frei­heit lässt, ihr aber zugle­ich ein hohes Maß an Selb­stre­flex­iv­ität abver­langt. Der über das Erstellen von Bildern prak­tizierten Zugriff wäre mit Karl-Joseph Pazz­i­ni als „eine Strate­gie der Erken­nt­nis­gewin­nung, der Verdich­tung, der Spe­icherung und über­haupt Mit­tel der Artiku­la­tion von Forschung“ zu ver­ste­hen (Pazz­i­ni u.a. 2014, S. 13). Dabei geht es darum, so der Kun­st­päd­a­goge, Bil­dungs­the­o­retik­er und Psy­cho­an­a­lytik­er an gle­ich­er Stelle, „der wach­senden Bedeu­tung von Bildern nicht nur im All­t­ag Rech­nung zu tra­gen, son­dern auch in der Wis­senschaft und das nicht nur zur Ver­an­schaulichung oder als Doku­men­ta­tion oder Appetithäp­pchen. Der bildende, erziehende, sozial­isierende und forschende Umgang mit Bildern ist kein Orna­ment.“ (Ebd. 2014, S. 12)

 

 

 

Lit­er­atur

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Abbil­dungsnach­weise

Bis auf die Abbil­dung des Werks von Johannes Wald, die dieser fre­undlicher­weise zur Ver­fü­gung gestellt hat, han­delt es sich durch­weg um Fotografien von Pia Gon­schorek und der Autorin.


[1] Mar­mor / Holz / Video­pro­jek­tion (Full HD Video, 5‹55« Min. loop), 178 x 100 x 4 cm, Samm­lung Kun­sthalle Biele­feld. Abbil­dung mit fre­undlich­er Genehmi­gung des Kün­stlers (cour­tesy VG-Bild­kun­st, Daniel Mar­zona, Berlin; Galerie Gre­ta Meert, Brüs­sel). 2015 war das Werk im Rah­men der Ausstel­lung „What­ness. Esther Kläs und Johannes Wald“ erst­ma­lig in der Biele­felder Kun­sthalle zu sehen. Es wurde angekauft und gehört sei­ther zum Bestand des Haus­es.

[2] Ein Inter­view mit Johannes Wald. Meta Mari­na Beeck. In: Friedrich Meschede (Hg.): What­ness. Esther Kläs. Johannes Wald. Kat­a­log der Ausstel­lung. Kun­sthalle Biele­feld, Köln: snoeck 2015, S. 204. Vgl. auch Kathke 2018.

[3] Ovid Meta­mor­pho­sen. Das Buch der Mythen und Ver­wand­lun­gen. Frank­furt a.M.: Fis­ch­er TB Ver­lag 1996, X, S. 243–245.

[4] Die Ton­skulp­turen des Ital­ieners Giuseppe Penone bieten sich zum Ver­gle­ich an. Giuseppe Penone. Die Adern des Steins. Kat­a­log­buch zur Ausstel­lung im Kun­st­mu­se­um Bonn 1997. Ost­fildern-Ruit: Cantz 1997, S. 162–177.

[5] Der Begriff „Schirm“ wird hier in sein­er ver­all­ge­mein­erten Wortbe­deu­tung ver­wen­det, als (ehe­mals gewölbte) Fläche, die ein Bild erscheinen lässt. Die in der ety­mol­o­gis­chen Her­leitung von Bild­schirm, ècran oder screen inbe­grif­f­ene schützende Abschir­mung, wie sie u.a. im Zusam­men­hang mit Rück­pro­jek­tio­nen (optis­che Abschir­mung der bilderzeu­gen­den Appa­ratur) oder dem Strahlen­schutz (Röhren­fernse­her) wichtig waren, bleibt unberück­sichtigt.

[6] Vgl. u.a. Ausst.-Kat. Draw­ing Now, Muse­um of Mod­ern Art. Baden-Baden 1976. Ausst.-Kat. After­im­age. Draw­ing through process, (Cor­nelia H. But­ler), Muse­um of Con­tem­po­rary Art. Los Ange­les 1999. Ausst.-Kat. Gegen den Strich. Neue For­men der Zeich­nung, Hg. Markus Heinzel­mann u. Matthias Winzen, Staatliche Kun­sthalle Baden-Baden. Nürn­berg 2004. Ausst.-Kat. Draw­ing from the Mod­ern, 1975–2005, Mus. of Mod­ern Art (Jor­dan Kan­tor). New York 2005. Glas­meier 2014.

[7] Der Kun­st­päd­a­goge Gert Selle hat in den neun­zehn­hun­der­tachtziger Jahren die Bedeu­tung dieser Rück­bindung an ein physis­ches Erleben für eine authen­tis­che, kün­st­lerische Aus­druck­sweise her­ausstellt und seine Studieren­den durch ele­men­tarprak­tis­chen Übun­gen dafür sen­si­bil­isierte. Vgl. Selle 1988.

[8] „Während Chan­dra mit einem Stift auf meinem Rück­en malt, ver­suche ich die Bewe­gung zu ver­dop­peln und male auf der Wand. Ihre Bewe­gung stim­uliert eine Art kinetis­ch­er Reak­tion mein­er Ner­ven. Sie malt daher ‚durch mich‘. Sin­nesverzögerung verur­sacht die Dif­feren­zen zwis­chen den bei­den Zeich­nun­gen. Oppen­heim hat das Konzept auf Farb­film wie als Video­vari­ante real­isiert (ZKM Videosamm­lung). http://www.medienkunstnetz.de/werke/two-stage-transfer/ (Stand 19.12.19).

[9] Vgl. auch das Kapi­tel „Zeich­nen als umge­set­zte Bewe­gung“, Selle 1988, S. 189–206.

[10] Ich danke Pia Gon­schorek für ihr Ein­ver­ständ­nis, in diesem Beitrag aus ihrer Mas­ter­ar­beit zitieren und ihre Abbil­dun­gen ver­wen­den zu dür­fen.

[11] Flusser beschreibt in seinem Buch weit­er­hin Gesten der Wahrnehmung, des Begreifens, Ver­ste­hens, Her­stel­lens, Gesten des Unter­suchens, des Erzeu­gens, der Entschei­dung, des Werkzeug­machens, der Ver­wirk­lichung und der Dar­re­ichung des Gefer­tigten. Flusser 1991.

[12] Der geübte Vol­lzug von Hand­habun­gen oder die auss­chließliche Konzen­tra­tion auf das im Entste­hen begrif­f­ene Pro­dukt kön­nen den Kör­pere­in­satz auch weit­ge­hend vergessen machen. Die Hand­habun­gen laufen dann, vom impliziten Wis­sen koor­diniert, weit­ge­hend automa­tisiert ab oder sind dem Dik­tat eines geisti­gen Vorstel­lungs­bildes unter­ge­ord­net.

[13] Stéphane Mal­lar­mé beze­ich­nete damit in einem Sonett die bewusst unschar­fen Fotografien von Tänz­erin­nen, die Edgar Degas in seinem Ate­lier ange­fer­tigt hat­te. Vgl. Husch­ka, Sabine: Mer­ce Cun­ning­ham und der Mod­erne Tanz. Kör­perkonzepte, Chore­o­gra­phie und Tanzäs­thetik. Würzburg: Ver­lag Königshausen & Neu­mann 2000, S. 57.

[14] „Der kün­st­lerische Wert mein­er Arbeit liegt in den grafis­chen Nota­tio­nen, die von einem spez­i­fis­chen Erken­nt­nis­in­ter­esse, der Sicht­bar­ma­chung eines Prozess­es, ein­er Hand­be­we­gung, geleit­et ist. Jede Zeich­nung stellt eine Art Bewe­gungsporträt dar, da sie den indi­vidu­ellen Bewe­gungsver­lauf auf einen Blick zeigt. Die Graphiken haben diese Bewe­gun­gen verdichtet und kön­nen als eigen­ständi­ge Zeich­nun­gen für sich ste­hen.“ Gon­schorek 2014, S. 28.

[15] Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=z7-6ag8W2yA; https://vimeo.com/333567976; http://www.straebel.de/praxis/index.html?/praxis/text/t-ohara_d.htm (Stand 28.12.19).

[16] Von Aufze­ich­nun­gen, wie sie in der „Motografie“ durch moto­di­ag­nos­tis­che Reg­istri­ertech­niken von Bewe­gun­gen und Bewe­gungsmustern angestrebt wer­den, ist Gon­schorek jedoch weit ent­fer­nt. Eher ließen sich Verbindun­gen zu den audio­vi­suellen Strate­gien der Kün­st­lerin Anette Rose her­stellen, mit denen sie implizites Wis­sen im Umgang mit Din­gen sicht­bar macht. Gegen­stand ihrer Doku­men­ta­tio­nen sind neben Arbeits- und Pro­duk­tion­sprozessen auch wis­senschaftliche Prak­tiken, anhand der­er die Kün­st­lerin in einem Langzeit­pro­jekt dem Zusam­men­spiel von hap­tis­ch­er Erfahrung und Denken, Greifen und Begreifen nachge­ht. Auf diese Weise ver­an­schaulicht sie Verbindun­gen zwis­chen Kör­p­er, Werkzeug und Gegen­stand und fragt danach, wie sich manuelles Wis­sen im Umgang mit Mate­ri­alien in den Kör­p­er ein­schreibt oder wie Hand­habun­gen in Maschi­nen­be­we­gun­gen über­set­zt wer­den. Rose 2014.

[17] Unter­suchun­gen von C. Heil zeigen, wie sich das ana­lytisch-visu­al­isierende Ver­fahren gewinnbrin­gend im Rah­men kun­st­päd­a­gogis­ch­er Forschung auf Bere­iche des Ler­nens und Lehrens anwen­den lässt. Heil 2009 u. 2012.

[18] M. Reb­stock arbeit­et in ein­er dre­it­eili­gen Sys­tem­a­tisierung fol­gende Unter­schei­dun­gen her­aus: Forschung über ästhetis­che Prax­is (bspw. über die ästhetis­che Prax­is von Grund­schulkindern), Forschung in ästhetis­ch­er Prax­is (Forschung, die sich im Ästhetisch-Kün­st­lerischen vol­lzieht, hier erhält das Arte­fakt den Sta­tus eines Forschungsergeb­niss­es, artis­tic research) und Forschung durch Ästhetis­che Prax­is, die zum method­is­chen Instru­men­tar­i­um inner­halb wis­senschaftlich­er Forschung wird, indem sie auf etwas zeigt und Fra­gen aufwirft. Reb­stock 2017, S. 29.

[19] Für das weit­er gefasste Feld kul­turellen Han­delns sei, so Reb­stock, auch „für die wis­senschaftliche Beschäf­ti­gung mit ästhetis­ch­er Prax­is […] ein gewiss­es Maß an eigen­er, verkör­pert­er, gelebter ästhetis­ch­er Prax­is nötig.“ Reb­stock 2017, S. 37

[20] Zum kör­per­lichen Nachvol­lzug als grundle­gende Form des Ver­ste­hens vgl. den Beitrag von Matthias Vogel in dieser Aus­gabe der ZÄB. Vogel, Matthias: Nicht ohne meinen Kör­p­er. Zur Erfahrung von Sinn in der bilden­den Kun­st und Musik, bes. Anm. 2.

  • 1. April 202021. Juli 2020
Auf dem Kissen — Plastizität im Kontext von Berühren, Begreifen und Formen
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