Malen gehen — Bewegungsmotive in Kunst und Pädagogik
Abb. 1: Projekt Schattenmalerei in der Kunstwerkstatt für Kindergartenkinder, Pädagogische Hochschule Karlsruhe (Agnes Einig, Tabea Fritz und Nicole Pätzold)
In der Schule herrschen bezüglich des Raumangebotes für alle Schüler*innen in allen Fächern gleiche Bedingungen. Eine Sonderrolle nimmt das Fach Sport ein, für das gesonderte Normen formuliert sind. Diese Ordnung bildet gesellschaftliche Vorstellungen vom Sich-Bewegen ab, deren anthropologische und soziologische Wurzeln hier dargestellt werden sollen. Eine differenzierte Betrachtung soll die Gefahren eines beschränkten Bewegungsbegriffs aufzeigen, der in unserer Gesellschaft zu einem zunehmenden Verlust menschlicher Qualitäten führt, die gerade in künstlerischen Handlungen eine zentrale Rolle spielen.
Geschichte der Bewegung
Dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen deutlich häufiger intrinsisch motiviert sind, sich zu bewegen, ist eine Beobachtung, die sich wissenschaftlich untermauern lässt. Die Bewegungsenergie des Kindes- und Jugendalters reduziert sich im Laufe des Lebens und dies nicht nur bei Säugetieren, sondern bei allen Lebewesen.
„Auch adulte Tiere verlieren im Schnitt noch 50% ihrer Aktivitätszeiten über die Jahre, in denen sie geschlechtsreif sind (Ingram, 2000). Sallis folgert daraus, dass das menschliche Verhalten zumindest teilweise genetischer Natur ist.“ (Schmidt: Entwicklung der körperlichen Aktivität, S. 25)
Dabei hat sich das Verhältnis zwischen Nahrungsmittelzufuhr und Energieverbrauch durch körperliche Aktivität beim Menschen seit der Steinzeit stark verändert. Um zu überleben, war bei unseren Vorfahren ein höherer Grad an körperlichen Aktivitäten notwendig, was auf die Notwendigkeit der Nahrungsbeschaffung zurückzuführen ist, die vor allem Erwachsenen aufgetragen war. Der Energieverbrauch durch körperliche Aktivität lag im Vergleich zu heute (555 kcal.) bei ca. 1240 kcal. im Schnitt am Tag. Mit diesem höheren Grad an körperlicher Aktivität ging auch eine höhere Kalorienzufuhr einher. Geht man heute von einem durchschnittlichen Energieverbrauch von 2030 kcal. pro Mensch am Tag aus, waren es in der Steinzeit ca. 2900 kcal.
„Daraus resultiert eine Steigerung der Effizienz (Quotient aus Nahrungsmittelzufuhr und Verbrauch durch körperliche Aktivität) von ca. 50%. Diese Steigerung der Effizienz erleichtert es, zu hohe Energiemengen zu sich zu nehmen. Die Folgen sind die aktuellen epidemiologischen Problemfelder Übergewicht und Adipositas.“ (Eaton & Eaton, 2003 nach Schmidt: Entwicklung der körperlichen Aktivität, S. 25)
Diese sogenannten „Wohlstandsfolgen“ werden vor allem hinsichtlich des Gedankens der körperlichen Gesundheit durch bewusst gesetzte Bewegungsaktivitäten kompensiert, unter anderem in formalen oder informellen Bewegungsprogrammen in Sportvereinen, Fitnessstudios oder informellen Initiativen.
Nahezu alle dieser Aktivitäten gemein ist, dass die Bewegungsmaßnahmen von alltäglichen Handlungen separiert stattfinden. Sie entsprechen so einem nachhaltig wirksamen Klischee unserer Gesellschaft, welches geistige und körperliche Operationen trennt. Diese Trennung ist nicht nur in Bildungsprozessen ablesbar, wenn physische und geistige Bewegungen separiert betrachtet und von unterschiedlichen Fachdisziplinen gebildet werden. Sie ist auch in der beruflichen Wirklichkeit wirksam, wo Handlungen in besonderer Weise als gelungen gelten, wenn ein Maximum an Wirkung mit einem Minimum an Bewegungsaufwand erreicht wird. Dieses Motiv reicht in unserer Gesellschaft bis zum Ideal der ausgelagerten Bewegungen. Wenn Dritte oder Maschinen nach vorgelegten geistigen Konzepten Bewegungen vollziehen, gilt dies als Aufweis unserer intellektuellen Fähigkeiten und stellt die Basis unseres Wohlstands dar.
Abb. 2: Das Ideal der Reduktion des körperlichen Aufwands aufgrund geistiger Operationen : der Mausklick
Im Verhältnis körperlicher und geistiger Bewegungen wird das intellektuelle Vermögen des Menschen in der Regel höher bewertet. Auch wenn Piagets entwicklungspsychologisches Lernmodell inzwischen auch kritisch rezipiert wird, steht es immer noch Pate für viele Modelle der kognitiven Entwicklung, bei denen sensomotorische Bewegungen zu Beginn eines Lebens Ausgangspunkt und das logische und rationale Denken Ziel menschlicher Entwicklungsprozesse sind.
Abb. 3: Piagets Modell — vom sensomotorischen Untersuchen zum formalen Denken
Bewegungen als anthropologisches Motiv
Der Pädagoge Klaus Mollenhauer hat in einem Vortrag 1983 auf die Bedeutung gewiesen, die das Gehen für den Menschen hat, und die tiefe Freude vieler Eltern bei den ersten Schritten ihrer Kinder als Zeichen einer Ahnung gedeutet, dass die ersten körperlichen Schritte mehr sind als eine neu erlernte Bewegungsform – dass sie ein anthropologisches Motiv sind und von elementarer Bedeutung im Prozess der Menschwerdung.
Tatsächlich öffnen sich durch die Fähigkeit des Gehens Möglichkeiten, die den Menschen in besonderer Weise kennzeichnen: das bislang eingeschränkte Blickfeld, das streng nach oben gerichtet war, öffnet sich, durch Kopfbewegungen kann das Kind nun nach oben und nach unten schauen, sich um die eigene Achse drehen und so die gesamte umgebende Welt wahrnehmen. Es bildet sich die Möglichkeit des Perspektivenwechsels, was zur grundlegenden Erfahrung führt, dass ein solcher nicht nur möglich, sondern nötig ist, um sich auf handelnde Art und Weise in Räumen zu bewegen und diese zu erfahren.
Die Fähigkeit des sich Bewegens im Raum erlaubt dem Menschen aber nicht nur eine multiple, sondern auch eine distanziertere Art der Wahrnehmung. Die Kinder erkennen Grenzen im Raum und erfahren die Handlungsmöglichkeiten zwischen diesen. Dieses Wechselspiel von Nähe und Distanz ist ein Muster, das lebenslang wirksam bleibt.
Für die Entwicklung des Kindes ist entscheidend, dass die Überwindung von Distanzen willentlich geschieht. Die erweiterten Möglichkeiten der Wahrnehmung durch den Gewinn an Bewegungsfähigkeit führen unmittelbar zu neuen Möglichkeiten der Intentionsbildung. Waren zahlreiche Handlungen in der dominierenden Rückenlage der Säuglingsphase reaktionär, entstehen nun auf eine Absicht bezogene körperliche Bewegungen, weshalb dieser Schritt als revolutionärer Akt des Selbstständig-Werdens des Menschen verstanden werden kann. Abb. 4, 5 und 6: Ohnmächtiges Liegen, Gehen als selbstzweckhafte Handlung und als Mittel der Intentionsbildung
Dabei ist dieses Zusammenspiel von Intention und Bewegung im zweiten Lebensjahr des Menschen deshalb so spannend, weil die Zusammenhänge zwischen den beiden Dimensionen zunächst nicht hierarchisch zu denken sind. Das Gehen des Kindes ist zunächst selbstzweckhaft, d.h. es geschieht um seiner selbst willen; Ursache des Gehens ist die Fähigkeit des Gehens. Mit dieser Unmittelbarkeit verbinden sich dann aber bald mittelbare Motive, wenn das Gehen als Instrument einer möglichen Absichtsbildung erfahren wird. „Gehen können kündigt Selbsttätigkeit an.“[1]
Bewegungsmotive und künstlerisches Denken und Handeln
Nahezu alle entwicklungspsychologischen Theorien gehen von Denkstrukturen aus, die sprachlich gebunden sind.[2]Im Bereich des ästhetischen Gestaltens ist es fragwürdig, den in der Entwicklungspsychologie zentralen Begriff des Denkens zu übernehmen. Er verführt dazu, mannigfaltige äußere und innere Konstruktionsprozesse auf rationale, sprachlich fassbare Operationen zu beschränken. Die Tatsache, dass die internen Konstruktionsprozesse von Kindern wesentlich komplexer sind als es ihre sprachlichen Möglichkeiten vermuten lassen, wird in vielen Bereichen, besonders im gestalterischen Handeln, deutlich.
Künstlerisches Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass körperliche und intellektuelle Kräfte simultan wirksam sind. Bildnerische Artikulationen erlauben keine eindeutige Lesbarkeit, weil sie per se nicht nur Zeichen rationaler Operationen, sondern auch Ausdruck emotionaler Dispositionen, motorischer Handlungen und vielfältiger sinnlicher Operationen sind. Sensomotorische Handlungen werden dabei nicht als etwas verstanden, das zugunsten geistiger Operationen überwunden werden muss.
In der Geschichte der Kunstdidaktik wurde die Bedeutung dieses Verständnisses wiederholt zum Ausdruck gebracht; markant durch Gert Selle, der Ende der achtziger Jahre die Bedeutung der sinnlichen Dimension in künstlerischen Prozessen ins kunstpädagogische Bewusstsein rief.[3] Bis heute ist die Bedeutung der sinnlich-materiellen Dimension in ästhetischen Prozessen von vielen Kunstpädagoginnen und -pädagogen reflektiert und für kunstpädagogische Prozesse fruchtbar gemacht worden, hervorgehoben seien hier Petra Kathke und Thomas Heyl.[4]
Bei der Reflexion der Bedeutung der sensomotorischen Dimension in künstlerischen Handlungen steht das Bewegungsmotiv bislang kaum im Fokus, wenngleich es ein wesentlicher Teil künstlerischer Ateliererfahrungen ausmacht.
William Kentridge
Abb. 7: William Kentridge: The refusal of time, 2012. Blick in die Ausstellung „No, it is!“, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 2016 (Foto: Lutz Schäfer)
In dem Video „transformation with animation“ wird die Entstehung einer kurzen Sequenz des südafrikanischen Künstlers William Kentridge gezeigt, in dessen Schaffen animierte Filme eine wichtige Rolle spielen.
Abb. 8,9,10: Filmstills William Kentridge: Transformation with animation[5]
Kentridges Technik ist dadurch gekennzeichnet, dass er großformatige Kohlezeichnungen stufenweise überarbeitet, das heißt Kohlestriche setzt oder wegradiert. Jede dieser minimalen Veränderungen hält er mittels einer Fotografie fest. In ihrer Zusammenschau ergeben die Fotografien schließlich die Illusion von Bewegung (Stop-Motion-Technik).
In einem Interview spricht der südafrikanische Künstler über die Bedeutung der Bewegungen als physischer Akt in seiner künstlerischen Arbeit bei der Entstehung von Trickfilme.
Kentridges Filme entstehen ohne ein Storyboard, das heißt, dass der Künstler stark prozessorientiert arbeitet. Er hat lediglich ein oder zwei „Key-Images“ in seinem Kopf, deren Zeichnung den Anfang einer Filmsequenz markiert. Nach der ersten Zeichnung auf dem Papier an der Wand läuft Kentridge quer durch den Raum, wo die fest installierte Kamera steht, die er mittels eines Fernauslösers zweimal betätigt. Danach geht wieder zur Zeichnung zurück und nimmt durch radieren und überzeichnen minimale Veränderungen vor, z.B. an der Linie einer sich brechenden Welle. Eine Sequenz von 20 Sekunden wird durch 250 Einzelbilder gestaltet. Während des Entstehens einer Szene hat Kentridge keine Kontrolle über das Ergebnis, d.h. er kann keinen Kontrollblick auf die einzelnen Aufnahmen werfen, sondern muss dem Prozess vertrauen.
Von besonderer Bedeutung ist für ihn das Auf- und ab Gehen zwischen den Prozessen des Zeichnens und Fotografierens.
„[..] and it´s very much in the believe, that in that physical walk between the drawing and the camera, in that physical process, it´s not a mental process, it´s a physical process, new images and ideas suggest themselves to go before that shot, after that shot, what that shot can develop into.“
Parallelen
In der Beschreibung der Entstehung kindlicher Bewegungsmotive kann man unschwer Parallelen zu künstlerischem Denken und Handeln erkennen. Neben einer tief empfundenen Erfüllung im Akt der Bewegung ist die Offenheit einer sich einstellenden, besser gesagt sich bildenden Absicht, ein zentrales Kennzeichen: die Ziele entstehen beim Gehen und das Ergangene verändert den aufmerksamen Menschen und somit seine Intentionen.[6] Das Verhältnis dieser beiden Motive als Kern künstlerischen Arbeitens zu beleuchten, kann helfen, solche Prozesse besser zu verstehen. Zentrale Bedeutung hat hierbei die Frage nach dem Weg vom Bewegungs- zum Bild-Motiv.[7]
Kennzeichen des Bewegungsmotivs sind unterschiedliche Radien, die von großen, geographischen zu kleinsten Bewegungen reichen und physische und gedankliche Bewegungen integrieren. Als größter Kontrast zum distanzierten Blick einer Panoramaperspektive in weiten Bewegungen stehen die kleinsten, finalen „bildnerischen“ Bewegungen der/des Künstlers/in bei der Hinwendung zur sinnlich-materiellen Dimension des entstehenden Bildes.
Dabei werden allen physischen und intellektuellen Bewegungen nun Grenzen gesetzt: beispielsweise die Grenzen des Raumes, des Arbeitsplatzes, des Papierformats. Die multiplen Perspektiven sichtbarer und imaginierter Gedankenwelten müssen nun in einem Akt der Disziplinierung der Bewegungen gebändigt werden. Die sich hierbei verselbstständigenden physischen Bewegungen sind der finale Akt der Willensbildung, der die flirrenden Bewegungen der Zerstreuung zu fassen versucht.
Die Zusammenführung der multiplen Kräfte durch den Formwillen als Versuch einer materiellen Konkretion der geistigen und körperlichen Bewegungsprozesse führt zum kennzeichnenden Wechselspiel von formaler und inhaltlicher Ebene. Die sich hierbei verselbstständigenden physischen Bewegungen sind der finale Akt der Willensbildung, wobei das Werk durch diese radikale Reduktion seine Qualität gewinnt.
Es zeigt sich hierin auch das menschliche Grundmuster des Wechselspiels von Konzentration und Zerstreuung; die multiplen Perspektiven sichtbarer und imaginierter Gedankenwelten müssen in einem Akt der Disziplinierung der Bewegungen gebändigt werden. Die weitreichenden und ausufernden körperlichen und geistigen Bewegungen konzentrieren auf der Ebene der bildnerischen Handlungen im kleinsten Bereich, im Strich, im Hieb, im Drücken des Tone. In diesem Bewegen als mechanischer Akt entsteht eine Lücke für den Willen des Geistes, der nicht nur loslassen darf, weil die intendierte Bewegung eingesetzt hat, sondern loslassen muss, weil die Bewegungen ein Höchstmaß an motorischer Aufmerksamkeit erfordern. Die sich hierbei verselbstständigenden physischen Bewegungen sind der finale Akt der Willensbildung, der die flirrenden Bewegungen der Zerstreuung zu fassen versucht.
Ein Blick auf das künstlerische Verhalten zeigt, dass auch hierbei wie im kindlichen Verhalten die Integration multipler Kräfte des Menschen kennzeichnend ist: Bewegungen werden zu Erfahrungen und führen wieder zu Bewegungen.
Frühkindliches und Künstlerisches Denken und Handeln
Frühkindliche Bildungsprozesse werden in Entsprechung zu den üblichen entwicklungspsychologischen Modellen konzipiert. Zwar ist die Vorstellung einer Entwicklung in Stufenfolgen – von sensomotorischen zu zunehmend abstrakteren Lernprozessen – in dieser Phase noch eine Rahmentheorie, welche den Kindern einen gewissen Schonraum zuspricht. Die entschiedene Trennung zwischen körperlichen und geistigen Lernformen ist aber schon grundgelegt und wird später in aller Radikalität wirksam und bestimmend.
Bedauerlicherweise stellen sowohl frühkindliche Lernprozesse als auch künstlerische Handlungen in unserer Gesellschaft Sonderformen der Erkenntnis dar. Sie werden entsprechend gruppenspezifisch interpretiert und zu wenig als anthropologische Motive erkannt. Solche können aber in besonderer Weise dort entdeckt werden, weil die Abwesenheit von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen Aspekte des Menschen hervorscheinen lässt, die im Alltag durch einen immensen Leistungs- und Anpassungsdruck überformt werden.
Abb. 11 bis 14: Projekt Schattenmalerei, Kunstwerkstatt für Kindergartenkinder, 2016
(Agnes Einig, Tabea Fritz und Nicole Pätzold, Pädagogische Hochschule Karlsruhe. Fotos: Agnes Einig)
Abb. 15: Schattenmalerei
In einem ästhetischen Projekt mit Kindergartenkindern haben die drei Studentinnen die Fenster des Kinderateliers abgedunkelt, einen Overhead-Projektor aufgestellt, die Malwand großflächig mit Zeichenpapier beklebt sowie Pinsel und schwarze Acrylfarbe bereit gestellt.
Die erste Begegnung der Kinder mit dieser besonderen Situation führt zur Erkundung der eigenen Bewegungen, die die Körper als Schatten auf die Leinwand werfen. Die Kinder entdecken verschiedene Phänomene wie auch sich einstellende proportionale Verschiebungen durch unterschiedliche Abstände der abgebildeten Objekte zum Leuchtmittel.
Die Kinder beginnen nun, ihre eigenen Umrisse auf das Papier zu malen. Sie entdecken bald, dass der Schatten von einer schwarzen Tiefe ist, die keine differenzierte Gestaltung der Binnenfläche der Figuren erlaubt. Da mehrere Kinder gleichzeitig tätig sind und die Aufgabe so reizvoll erscheint, dass die gesamte Bildfläche von 4 x 2m gestaltet werden soll, nehmen die Kinder bald unterschiedliche Bewegungspositionen ein, sie hocken, sitzen oder stehen auf dem Boden oder dem Stuhl. Immer wieder holen sie neue Farbe auf ihre Palette und wenden sich dann wieder der Bildfläche zu: Mal werden die Umrisslinien schattenschwarz gemalt, mal bleibt die Umrisszeichnung erhalten. So entsteht ein lebendiger Rhythmus zwischen dunklen Flächen und Linien, sowie offenen und verdichteten Stellen.
Das Wechselspiel von Nähe und Distanz, von Konzentration in der bildnerischen Tat und Zerstreuung beim Sich-Weg-Bewegen ist ein Muster, das künstlerisches Handeln grundsätzlich bestimmt. Dabei sind die Bewegungen im Raum nicht wahllos, weil das handelnde Subjekt intuitiv dem Bildprozess verbunden bleibt und sich die einzelnen Schritte im Prozess in Bezug zur Gesamtaufgabe verbinden. Die Bezogenheit verschiedener körperlicher Instanzen aufeinander ist über das Feld der Kunst hinaus ein anthropologisches Motiv, das zu wenig beachtet und zunehmend rationalem Effizienzdenken geopfert wird.
Literatur
Heyl, Thomas: Phantasie und Forschergeist: mit Kindern künstlerische Wege entdecken. Kösel, München, 2008
Heyl, Thomas/ Schäfer, Lutz: Frühe ästhetische Bildung – mit Kindern kreative Wege entdecken. Springer-Spektrum, Heidelberg 2016.
Kathke, Petra: Sinn und Eigensinn des Materials: Projekte, Anregungen, Aktionen. Cornelsen Scriptor, Berlin Düsseldorf; Mannheim 2008⁵.
Schäfer, Lutz: Der Zirkel des Schaffens. Oberhausen: Athena 2006.
Schwarzer, Gudrun: Entwicklung des Denkens. In: Martin Pinkquart / Gudrun Schwarzer / Peter Zimmermann: Entwicklungspsychologie — Kindes- und Jugendalter. Göttingen: Hogrefe 2011
Schwarz, Rolf: Effekte der Bewegungsförderung. Review längsschnittlicher Evaluationsstudien zu Bewegungsinterventionen in der frühen Kindheit. München 2014
Selle, Gert: Gebrauch der Sinne: eine kunstpädagogische Praxis. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1988
Internetquellen
Friesen, Norm (2011): Klaus Mollenhauer on Self-Activity (Selbsttaetigkeit). Video des Vortrags an der Universität Göttingen 1983. Web, 15.03.2019, in: https://vimeo.com/30806636
San Francisco Museum of Modern Art (o.J.): William Kentridge: transformation with animation. Web, 13.3.2020, in: https://www.sfmoma.org/watch/william-kentridge-transformation-with-animation
Schmidt, Steffen (2019): Entwicklung der körperlichen Aktivität, motorischen Leistungsfähigkeit und Gesundheit im Erwachsenenalter. Eine Längsschnittstudie über 18 Untersuchungsjahre. Web, 14.3.2019, in: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000077870 /5308570
[1] Friesen, Norm (2011): Klaus Mollenhauer on Self-Activity (Selbsttaetigkeit). Video des Vortrags an der Universität Göttingen 1983. Web, 15.03.2019, in: https://vimeo.com/30806636
[2] Wenngleich schon Jean Piaget betont hat, dass die Verbalsprache nicht die einzige Sprache ist, fokussierte er dieses Symbolsystem. Folgerichtig untersuchte er Vorstadien sprachlicher Symbolbildung, wie es auch in dem von ihm verwendeten Fachterminus »vorbegriffliches Denken« zum Ausdruck kommt.
[3] Selle, Gert: Gebrauch der Sinne: eine kunstpädagogische Praxis. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1988
[4] Kathke, Petra: Sinn und Eigensinn des Materials: Projekte, Anregungen, Aktionen. Cornelsen Scriptor Berlin Düsseldorf; Mannheim 2008⁵; Heyl, Thomas: Phantasie und Forschergeist: mit Kindern künstlerische Wege entdecken. Kösel München, 2008
[5] San Francisco Museum of Modern Art (o.J.): William Kentridge: transformation with animation. Web, 13.3.2020, in: https://www.sfmoma.org/watch/william-kentridge-transformation-with-animation
[6] Zur offenen Struktur künstlerischer Wege siehe: Schäfer, Lutz: Der Zirkel des Schaffens. Athena Oberhausen, 2006
[7] Diese These beherbergt nicht die Bandbreite aller künstlerischen Arbeitsweisen. So sind Werke der Konzeptkunst häufig dadurch gekennzeichnet, dass die zu Grunde liegenden Bewegungen intellektuelle Bewegungen des Künstlers/der Künstlerin sind, der den Bewegungsprozess der Materialisierung an Dritte auslagert und diesen keine Gestaltungsspielräume einräumt.