
Perspektiven ästhetischer Wahrnehmung in Unterricht und Forschung
Vorwort
Die drei in dieser Ausgabe der ZÄB zusammengestellten Aufsätze verbindet das Thema der Wahrnehmung. Als Grundbegriff der Ästhetik kommt ihm in der ästhetischen Bildung eine besondere Bedeutung zu. Hören, Sehen und -zusammengefasst – Fühlen sind unsere Sinneskanäle zur äußeren Welt. Im Akt der Wahr-Nehmung verbinden sie sich mit innerem Hören (auditivem Denken), innerem Sehen (visuellem Denken) und innerem Fühlen (dem Fluss der Emotionen). An diesen Verbindungen setzen ästhetische Lehr- und Lernprozesse an.
Schülerinnen und Schüler setzen sich im Musik- und Kunstunterricht hörend und sehend mit Artefakten der Musik und Bildenden Kunst auseinander und werden dabei auf didaktische Weise in ein Spiel ästhetischer Wahrnehmungsübungen involviert. Die Gestaltung des Unterrichts lebt somit vom Ausbalancieren analytischer, die Eindrücke des jeweils isolierten Einzelsinns (Auge oder Ohr) fokussierenden Zugangsweisen und synthetisch-leiblichen, auf sinnliche Korrespondenz und Intermodalität gerichteten Annäherungen. Dabei soll zugleich die Selbstbezüglichkeit ästhetischer Wahrnehmung zur Geltung kommen, die sich – gleichermaßen nach außen und nach innen gerichtet – auf die Weise auswirkt, in der sie zur Sprache bzw. überhaupt zum Ausdruck gebracht werden kann.
In ihrem Beitrag setzt sich Anna Unger-Rudroff aus phänomenologischer Perspektive mit dem Aspekt der Aufmerksamkeit auseinander. Ihr Unterrichtsbeispiel zeigt, wie sich die Aufmerksamkeit von Grundschülern auf Musik herstellen lässt, wenn sie Gelegenheit zur bildhaft-narrativen Annäherung an ein musikalisches Werk erhalten. Kennzeichnend ist hier ein bildhafter, erkundender Ausdruck, der im Sprechen das Wahrgenommene vergegenwärtigt und aneignet.
Auch in den Lehr- und Lernszenarien der Bildenden Kunst bedarf es einer doppelten Richtung der Wahrnehmung, etwa, wenn es darum geht, das eigene Tun als Lehrperson zu reflektieren. In den beiden Beiträgen aus diesem Bereich werden Werkzeuge der Annäherung an die eigenen Wahrnehmungen entwickelt und erprobt: Unter der Zuhilfenahme von Fotos (vgl. Annette Hermann/ Jana Rzehak) beziehungsweise sprachlichen Erinnerungsbildern (vgl. Kerstin Hallmann/ Birgit Engel) wird es möglich, die Deutung eines Geschehens offen zu halten und routinierte Gewissheiten zu umgehen. In der Berücksichtigung der ästhetischen Dimension von Wahrnehmung kann auf diese Weise ein „responsiv ausgerichteter Reflexionsprozess gelingen, der sich sowohl auf das eigene sinnlich-emotionale Erleben bezieht als auch auf das, was aus diesem Rückblick als zukünftige Perspektive hervorgeht“ (Engel/Hallmann S. 8).
Die Herausgeberinnen
Inhaltsverzeichnis
Anna Unger-Rudroff
Annette Hermann und Jana Rzehak
Birgit Engel und Kerstin Hallmann
der ZAEB-Ausgabe Perspektiven ästhetischer Wahrnehmung in Unterricht und Forschung
Anna Unger-Rudroff, Dr. phil., vertrat 2020/21 die Professur für Musik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Aktuell ist sie in Lübeck als Musiklehrerin an einer Grundschule und als Lehrbeauftragte im Bereich Musikpädagogik an der Musikhochschule tätig.
Vertr.-Prof.in Annette Hermann und Jana Rzehak setzen sich in ihrer Zusammenarbeit mit verschiedenen Verständnissen und Praktiken des Lehrens, sowie des Zeigens und Sichtbarmachens von Lehre, repräsentationskritisch auseinander.
Prof. Dr. phil. Birgit Engel; 1984 – 2011 Oberstudienrätin und Koordinatorin für Ästhetische Bildung an Gymnasien und Gesamtschule; 2011 – 2022 Prof›in für Kunstdidaktik und Ästhetische Bildung an der Kunstakademie Münster. Seit 1.3.2022 Professorin im (Un)Ruhestand.
Kerstin Hallmann verwaltet seit 2021 die Professur für die Fachdidaktik Kunst/Kunstpädagogik an der Universität Osnabrück. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Professionalisierungsforschung in der kunstpädagogischen Lehrer*innenbildung, Partizipation und Interaktion in der Kulturellen Bildung, Sound in Kunst, Medien und Bildung sowie Grundlagenforschung zu Ästhetik im Kontext der Künste.