Populärkultur und ästhetische Alltagspraxis
Der Begriff des Populären ist schillernd und nicht frei von Ambivalenzen. Auf der einen Seite dient er der Beschreibung von Artefakten, die sich durch allgemeine Bekanntheit, Vertrautheit und Zugänglichkeit auszeichnen. Diese Dimension des Begriffes, in der das Populäre als positive Bewertungskategorie erscheint, hat als Kehrseite die Dimension der massenmedialen Verbreitung, auf die bezogen sich Bekanntheit und Zugänglichkeit als kommerzielles Kalkül einer ‚Kulturindustrie’ erweisen. Das jedermann Zugängliche steht unter dem Verdacht, als Gestaltungsmaxime den kleinsten gemeinsamen Nenner zu nehmen, dem jede Spezifik, Einmaligkeit, Individualität und jedes künstlerische Wagnis abgeht.
Doch die kommerziell gesteuerte massenmediale Verbreitung von Artefakten bildet nur eine Seite populärkultureller Erscheinungsformen. Ihr gegenüber steht die Bildung von Subkulturen, d.h. die Entstehung ästhetischer Zeichensysteme, die für die jeweils spezifische Gruppe zusammenhaltende, identitätsstiftende Funktionen hat. Das Populäre im Sinne von zugänglichen Artefakten und ästhetischen Alltagspraxen geht nicht in Massenphänomenen auf, sondern kreiert eigene soziale und politische Räume. In diesem Sinne, weil das eine ebenso wenig wie das andere aus dem Feld des Populären wegzudenken ist, lässt sich bezogen auf den Begriff des Populären von einer Ambivalenz sprechen. Die Analysen der „cultural studies“ wenden sich dieser Ambivalenz zu und thematisieren populäre Kulturen unter dem Aspekt ihrer alltäglichen Praxen und individuellen Bedeutungen.
Die vorliegende Ausgabe versammelt Beiträge, in denen Aspekte der Ambivalenz Berücksichtigung finden, wobei der Fokus einerseits auf die Beschreibung von Phänomenen ästhetischer Alltagspraxis in historischer (Eberhard) und aktueller Perspektive (Marian, Brunner) sowie dahinter liegende Modelle kultureller Teilhabe (Flath) gelegt wird. Andererseits richtet sich das Interesse auf die Frage der Ermöglichung von Differenzerfahrungen in kunst- und theaterpädagogischen Inszenierungen (Griebel, Zumhof). Abschließend wird das Phänomen einer Stilisierung und Verklärung der ästhetischen Praxis des Singens in filmischen Darstellungen thematisiert (Wulff).
Inhaltsverzeichnis
Tango als Improvisation. Künstlerisches Wagnis und tanzpädagogische Implikationen
Ambivalenzen der Rezeption von Popmusik zwischen Ökonomie und Ästhetik
Ding, Unding, nicht unbedingt. Zur ambivalenten Ästhetik kindlicher Alltagsgegenstände
Gemeinsames Musizieren im Film. Notizen zu einer dramaturgischen Elementarfunktion