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„Rap ist Vielfalt, jegliche Richtung“ Gedanken zum Hörerlebnis Rap

Daniel Hikaru Grote

[Beitrag als pdf]

Ein­leitung

Die Hip-Hop-Kul­tur ist 50 Jahre alt und bee­in­flusst die heutige Gesellschaft mehr als je zuvor. Speziell Rap­musik[1] dominiert seit Jahrzehn­ten die Charts wie auch die Stream­ing-Playlis­ten, wodurch sie zu den erfol­gre­ich­sten Musik­gen­res weltweit gehört.[2]

Der Klang hat sich allerd­ings von den ersten großen Hits bis zu den Songs der heuti­gen Zeit enorm verän­dert. Überdies existieren lokal unter­schiedliche Stile. Rap­musik ist offen­bar nicht gle­ich Rap­musik. Max Herre – ein Kün­stler, der seit den Anfän­gen des Deutschraps bis heute erfol­gre­ich das Genre repräsen­tiert – fasst in seinem Song „Rap ist“ zusam­men: „Rap ist Vielfalt, jegliche Rich­tung!“[3]

Rap beste­ht gle­ich­sam aus ein­er lit­er­arischen wie aus ein­er musikalis­chen Kom­po­nente, die in ein­er Analyse getren­nt behan­delt wer­den kön­nen. Eine Auseinan­der­set­zung mit den Tex­ten find­et immer häu­figer statt. Musikalis­che Analy­sen hinge­gen – beson­ders im Rah­men ein­er Aus­bil­dung an Uni­ver­sitäten und Hochschulen – sind bis­lang eine Sel­tenheit. Das liegt zum größten Teil daran, dass etablierte Analy­se­fäch­er wie Har­monie-, Kon­tra­punkt-, For­men- oder Instru­men­ta­tion­slehren nur unzure­ichend die Charak­ter­is­tik des Musik­gen­res darstellen kön­nen. Neuere Analysemeth­o­d­en, die das Hör­erleb­nis von Rap ver­ständlich machen, sind bis­lang noch weit­ge­hend unbekan­nt.

In bish­eri­gen wis­senschaftlichen Rap­analy­sen stand über­wiegend der Flow im Fokus. Ins­beson­dere Oliv­er Kaut­ny[4] kon­nte die Fasz­i­na­tion für lyrische Vir­tu­osität und deren Kom­plex­ität weck­en. Seine Analy­sekri­te­rien sind jedoch nach drei Rap­songs aus­gerichtet, die zwis­chen 1998 und 2002 ent­standen. Wen­det man diesel­ben Para­me­ter an davor oder später ent­standene Songs an, kann der Ein­druck entste­hen, Eminems und Samy Delux­es Flow (mit ihren Songveröf­fentlichun­gen um das Jahr 2000) seien kom­plex­er und vir­tu­os­er als beispiel­sweise jene von Kur­tis Blow (veröf­fentlichte Songs ab 1980) oder Yung Hurn (veröf­fentlichte Songs ab 2015). Tat­säch­lich haben sich jedoch lediglich die Bew­er­tungskri­te­rien verän­dert. Der Flow, wie er seit den 1990er Jahren ver­wen­det wurde, ist für viele zeit­genös­sis­che Werke kaum mehr rel­e­vant. Daher sollte die Bedeu­tung des Flow-Begriffes erweit­ert wer­den.

Rap­musik als Ganzes mit nur ein­er Analysemeth­ode zu betra­cht­en, wird ihrer Viel­seit­igkeit nicht gerecht. Im vor­liegen­den Beitrag wer­den zunächst einige Sub­gen­res des Rap aufge­lis­tet. Nach ein­er Def­i­n­i­tion der Begriffe Flow und Beat wer­den anhand von über­sichtlichen Einze­l­analy­sen die klan­gliche Verän­derung und damit ein­herge­hend auch neue Analy­sekri­te­rien dargestellt. Dabei wur­den stil­prä­gende Werke aus­gewählt, die par­a­dig­ma­tisch für eine bes­timmte Epoche ste­hen. Im fol­gen­den Artikel wird ein­er­seits die Vielfalt von Rap­musik verdeut­licht, ander­er­seits wird auch gezeigt, wie sich musikalis­che Analy­sen an unter­schiedliche Rap-Stile anpassen soll­ten.

Sub­gen­res

Rap­analyse muss sich stets neu erfind­en, indem Hörkri­te­rien entsprechend der mod­er­nen Sounds angepasst wer­den. Um diese Kri­te­rien voneinan­der abzu­gren­zen, ist eine Gliederung in Unterkat­e­gorien hil­fre­ich. Sie sollte jedoch keines­falls ein­schränk­end wirken – wed­er kün­st­lerisch noch ana­lytisch. Nur in sel­te­nen Fällen kann ein Werk oder ein Künstler/eine Kün­st­lerin ein­deutig einem Genre zuge­ord­net wer­den. Die Aufteilung in ver­schiedene Rap­stile ist ein Ver­such, der Vielfalt im Hip-Hop gerecht zu wer­den.

Von 1973 – die Geburtsstunde der Rap­musik[5] – bis heute sind enorm viele dieser Sub­gen­res ent­standen. In der fol­gen­den Aufzäh­lung wer­den einige bedeu­tende Gen­res aufge­lis­tet und zwis­chen Rap­in­halt und musikalisch-tech­nis­chem Stil unter­schei­den. Dabei sind auch Kom­bi­na­tio­nen möglich (ein Song kann beispiel­sweise gle­ichzeit­ig dem Con­scious- sowie dem Jazz-Rap zuge­ord­net wer­den).

  • Rap­in­halte: Con­scious-Rap, Bat­tler­ap, Gangs­ta-Rap, Stree­trap, Emo-Rap, Sto­ry­telling, Hor­ror­core, Hard­core, Back­pack, Dis­stracks.
  • Musikalisch-tech­nis­che Stile: Old­school, Boom-Bap, Chopped & Screwed, G-Funk, Trap, Drill, Grime, Mia­mi Bass, Crunk, Jazz-Rap, Pop-Rap/Raop, Chop­per­style, Cloud-/Mum­bler­ap, Freestyle, Bounce, Afro­trap.

Es gibt zweier­lei Gründe zur Entste­hung neuer Gen­res:

  1. Durch die Fort­führung, das Zusam­men­führen oder den Bruch mit vor­ange­gan­genen Tra­di­tio­nen entwick­elt sich ein neuer Stil und damit auch eine verän­derte Wahrnehmung der Musik. Wie auch in anderen Par­a­dig­men­wech­seln der Musikgeschichte, ändert sich mit jedem Stil­wan­del auch der „Hör­winkel“.[6]

Indem jed­er Künstler/jede Kün­st­lerin überdies per­sön­liche Vor­bilder hat (auf die in den Songs häu­fig auch ver­wiesen wird), schafft man sich eine eigene, neue kün­st­lerische Iden­tität. Wie unter­schiedlich die Bezugsper­so­n­en sein kön­nen, lässt sich anhand eines Ver­gle­ich­es zeigen:

  • Chefkets Vor­bilder sind laut seines Songs „Rap & Soul“ zuerst Jazz-, Gospel- und Soulkün­stler („Eric Bur­don, Otis Red­ding, Aaron Nevill, Bill With­ers, Al Green“) sowie Con­scious- und Jaz­zrap­per („Nas, A Tribe Calld Quest, Mos Def, Black Sheep, The Roots, De La Soul, Ice-T“).
  • Die Begin­ner nen­nen[7] hinge­gen Motown-Kün­stler (Mar­vin Gaye, Jack­son 5) und Street-/Gang­ster­rap­per (N.W.A., KRS-One, Chuck D, Ice-T, The Noto­ri­ous B.I.G. und Tupac).
  • MoTrip lis­tet auss­chließlich etablierte Deutschrap-Kün­stler auf („Sido und Savas, Samy, Bushi­do und AZAD“[8])
  1. Darüber hin­aus spie­len äußere Fak­toren eine wesentliche Rolle für einen Klang­wech­sel, so beispiel­sweise:
  • Das Medi­um: Zu Zeit­en der CD klang Rap völ­lig anders als heutzu­tage, da ein Album beschränkt war auf 74 Minuten, in denen möglichst viel Inhalt ver­ar­beit­et sein musste. Redun­danzen und Pausen wur­den weitest­ge­hend ver­mieden. Seit­dem Kün­st­lerIn­nen hinge­gen ihre Werke über­wiegend auf Stream­ing­plat­tfor­men hochladen, tauchen Wieder­hol­un­gen und Pausen immer häu­figer in den Songs auf. Kün­st­lerIn­nen ani­mieren ihre Fans zudem, ein kürz­er andauern­des Stück mehrmals zu hören, um dadurch höhere Klick­zahlen zu erre­ichen.
  • Die Wieder­gabe: In den Süd­staat­en der 90er Jahre hörte man Rap beson­ders gern in aufge­tun­ten Dabei unter­schei­den sich die Sounds je nach­dem, wie die Autos gebaut waren: Während man in Hous­ton in tiefer­gelegten Lowrid­ern langsam fuhr und „slow, loud an bang­ing“ Musik hörte,[9] fokussierten sich die Autoan­la­gen in Mia­mi beson­ders auf die Bässe.[10] Heute wird Rap über­wiegend mit Kopfhör­ern gehört. Die Musikin­dus­trie reagiert auf diese spez­i­fis­chen Hörge­wohn­heit­en und passt den Klang – beson­ders die Bässe – dementsprechend an.
  • Die Pro­duk­tion­stech­nik: In den 90er Jahren hat­te man grundle­gend zwei Möglichkeit­en, Schlagzeug zu pro­duzieren: entwed­er ver­wen­dete man sam­ple­basierte Klänge[11] oder man erzeugte mit einem Drum­com­put­er kün­stliche Klänge.[12] Der Sound unter­schei­det sich dadurch wesentlich. Heute ver­wen­den Pro­duzentIn­nen unter­schiedliche DAWs (Dig­i­tal Audio Work­sta­tions sind Com­put­er­pro­gramme zur Musik­bear­beitung und -auf­nahme).[13] Der klan­gliche Unter­schied ist allerd­ings weniger abhängig von den Pro­gram­men als vielmehr von den darin ver­wen­de­ten Soundli­braries und Sam­ples.

Flow und Beat – zwei Begriffs­bes­tim­mungen

Die Qual­ität eines Songs oder eines Per­son­al­stiles wird häu­fig am Flow gemessen.[14] Für einige Kün­st­lerIn­nen scheint der Flow sog­ar sub­stanzieller Bestandteil von Rap zu sein, während der eigentliche Tex­tin­halt eine gerin­gere Rolle spielt.[15] Der Begriff rück­te damit in das Zen­trum von eini­gen Analy­sen.

Der Ter­mi­nus wird jedoch nicht ein­heitlich ver­wen­det. Paul Edwards erk­lärt Flow in einem kurzen Satz: „The flow of a hip-hop song is sim­ply the rhythms and rhymes it con­tains.”[16] Kaut­ny hat hinge­gen im Artikel Ridin‘ the Beat. Annäherun­gen an das Phänomen Flow[17] eine umfassendere Def­i­n­i­tion gegeben. Darin wird Flow als ein kom­plex­es Zusam­men­spiel aus unter­schiedlichen Ele­menten ver­standen:

  • Der Sprachrhyth­mus, ins­beson­dere die „Ver­schränkung von Sprechge­sang und Begleit­pat­tern“[18]
  • Die „Melodiegestal­tung des Rap“[19] – damit ist die „Akzent­gestal­tung des Sprechge­sangs“ gemeint
  • Die „sprach­liche Artiku­la­tion“[20]
  • Der „gereimte Sprachk­lang“[21]
  • Der Fluss bzw. das Rollen über einen Beat – das scheint eine eher sub­jek­tive Empfind­ung zu sein
  • Schließlich spielt auch eine mögliche Live-Per­for­mance im Konz­ert und deren Mix eine entschei­dende Rolle.[22]

Johannes Gru­ber übern­immt diese Def­i­n­i­tion Kaut­nys weitest­ge­hend und ergänzt sie um einen weit­eren Punkt:

  • Die „gestis­che und mimis­che Gestal­tung des Raps“[23] in Musikvideos oder Konz­erten

In beson­derem Fokus stand bis­lang der rhyth­mis­che und gereimte Aspekt. Das liegt daran, dass er leicht zu notieren ist, während sich Para­me­ter wie Aussprache oder Mix kaum adäquat darstellen lassen. Möchte man den Flow aber als ein Ganzes begreifen, sollte man diese Para­me­ter in ein­er Analyse weitest­ge­hend mitein­beziehen.

Der Begriff Flow scheint von Kün­st­lerIn­nen heute zunehmend sel­tener ver­wen­det zu wer­den. Diese Tat­sache geht ein­her mit einem Par­a­dig­men­wech­sel. Hip-Hop und speziell auch der Rap war bis jet­zt ein Zurschaustellen von Vir­tu­osität. Kom­plexe Reimket­ten, schnelle Dou­ble- oder Triple­time-Pas­sagen und wort­ge­wandte Sprache haben die Hören­den begeis­tert. Mit Aufkom­men neuer­er Rap­stile wie Trap, Cloud-Rap, Mum­ble-Rap oder Drill entste­ht jedoch zunehmend eine Klangäs­thetik, bei denen das lyrische und tech­nis­che Kön­nen (Skills) gegenüber anderen Para­me­tern in den Hin­ter­grund tritt.

Dieser Bruch,[24] der sich zwar nur langsam aber spür­bar vol­lzieht, ist bis­lang noch kaum wis­senschaftlich erforscht.[25] Im Buch Kön­nt ihr uns hören,[26] worin anhand zusam­mengestell­ter Inter­views namhafte Hip-Hop-Per­sön­lichkeit­en zu Wort kom­men, wurde diese Wende jedoch für den deutschsprachi­gen Raum bere­its sehr konkret benan­nt. Darin kom­men vor allem drei Aspek­te zum oben­ge­nan­nten Flow-Konzept hinzu, die in der Musik der älteren Gen­er­a­tion kaum Beach­tung fan­den:

  • Melo­di­en, die häu­fig durch die Auto­tune-Tech­nik kün­stlich erzeugt wer­den
  • Eingängigkeit, wodurch Rap deut­lich tex­tarmer und repetieren­der wurde
  • Darstel­lung von ehrlichen Gefühlen und Emo­tio­nen

Infolgedessen soll­ten die Analy­sekri­te­rien des Flow-Begriffes um diese drei Punk­te ergänzt wer­den. Alter­na­tive Begriffe wie Groove, Swag/Swagger oder Style haben sich bis­lang nicht etabliert.

Weniger Beach­tung wurde bis­lang dem Beat[27] geschenkt. Er ist jedoch ein­er der fun­da­men­tal­sten Fak­toren in der musikalis­chen Rezep­tion von Rap­musik.[28] Der bish­er in der Wis­senschaft geset­zte Fokus auf die Text- und Flowebene erk­lärt sich dadurch, dass sich über­wiegend Lit­er­atur­wis­senschaft­lerIn­nen mit Rap­analy­sen beschäftigt haben.[29] Ein musik­the­o­retis­ch­er Ansatz würde sich sehr viel inten­siv­er dem musikalis­chen Anteil und damit auch dem Beat wid­men. Dadurch rückt die Arbeit der Pro­duzentIn­nen deut­lich mehr in den Fokus. Weil jedoch keine Noten oder Aufze­ich­nun­gen von Beats vorhan­den sind, ist für eine detail­lierte Analyse eine Tran­skrip­tion des Noten­textes unumgänglich.

Kur­tis Blow – „The Breaks“ (1980)

Kur­tis Blow unter­schrieb 1980 als erster Rap­per bei einem Major-Label einen Ver­trag. Seine Sin­gle „The Breaks“ wurde kurz darauf mit ein­er Gold­e­nen Schallplat­te aus­geze­ich­net. Der Song zeigt, wie kreativ Rap­perIn­nen bere­its damals mit Sprache umgin­gen. Das Wort „Break“ wird mehrdeutig ver­wen­det: Es bedeutet mal „Pause“, mal „Bremse“ („Brake“) oder auch mal „Abbrechen“ („break it up“). Darüber hin­aus spiel­ten in der Anfangszeit des Hip-Hops Break­beats eine entschei­dende Rolle in der Entste­hung von Rap­musik. Kurze instru­men­tale Auss­chnitte aus Schlagzeug-Soli (sie wer­den auch „Breaks“ genan­nt) wur­den ständig wieder­holt, sodass schließlich der typ­is­che Rap-Beat ent­stand. Blow greift damit die Wurzeln der Hip-Hop-Kul­tur auf.

Im Beat des vor­liegen­den Werks wurde nichts gesam­plet, wodurch der Klang noch stark an den Funk- und Dis­co-Stil angelehnt ist. Im Hin­ter­grund des gesamten Songs hört man Sprech­stim­men, wie auf ein­er Par­ty. Blow kom­mu­niziert in seinem Rap mit dem Pub­likum durch Call-and-Response-Rufe oder Auf­forderun­gen („Some­body scream!“). Außer­dem reagiert er schein­bar impro­visierend auf einzelne Per­so­n­en in der Menge. Ins­ge­samt erin­nert die Atmo­sphäre an die aus­ge­lassene Tanz-Stim­mung ein­er Par­ty, in der Blow als Ani­ma­tor agiert.

Energie entste­ht in den unver­mei­dlichen „Break“-Soli, die zum größten Teil vom Per­cus­sion­is­ten Jim­my Del­ga­do auf den Tim­bales gespielt wur­den.[30] Die Form, die in den ersten Tracks noch nicht etabliert war, zeich­net sich in diesem Song durch einen ständi­gen Wech­sel zwis­chen Rap und Instru­men­tal-Break aus.

Blows weg­weisender Flow ent­stand durch Sprach­en­ergie. Die Stimm­lage ist so exaltiert, dass der Song allein schon durch den Sprachanteil zum Tanzen ein­lädt. Er nutzt den gesamten Ambi­tus sein­er Stimme und erweckt damit beina­he den Ein­druck eines Gesanges.

In den ersten erfol­gre­ichen Rap­songs wie „The Breaks“ wurde die pos­i­tive Energie und die Tanzbarkeit von Dis­co-Musik aufge­grif­f­en. Kur­tis Blow oder auch The Sug­arhill Gang vere­in­ten Funk-Musik mit Rap und wur­den dafür teil­weise von der Hip-Hop-Gemein­schaft kri­tisiert. Auch Rus­sell Sim­mons, der Pro­duzent und Ent­deck­er von Blow, war später der Mei­n­ung, in den Songs sei „zu viel Musik“ und „zu wenig vom Sound der Straße“[31] enthal­ten. Indem Blow jedoch Rap­musik weltweit bekan­nt machte, bere­it­ete er den fol­gen­den Gen­er­a­tio­nen den Weg zu ein­er eige­nen Aus­druck­sent­fal­tung.

Run D.M.C. – „Suck­er M.C.’s” (1983)

Um die Aufmerk­samkeit der kom­merziell erfol­gre­ichen Musik-Labels zu erhal­ten, mussten sich die jun­gen Rap­perIn­nen gegenüber den altherge­bracht­en Gat­tun­gen laut­stark behaupten. Gle­ichzeit­ig verkör­perten sie den harten Sound auf den Straßen von New York. Seit dem Rap­trio Run-D.M.C. ver­schwan­den bald die stim­mungsvollen Par­ty-Klänge auf funki­gen Beats. Die Sin­gle „Suck­er M.C.‘s“ hat die Welt des Hip-Hops laut Peter Shapiro „kom­plett verän­dert“[32].

Der Beat beste­ht lediglich aus laut­en, elek­tro­n­isch erzeugten Drums. Es wird voll­ständig auf Bass, Akko­rd- oder Melodie­in­stru­mente verzichtet („Dave cut the record down to the bone“[33]). Diese Reduk­tion führte zu großen Irri­ta­tio­nen. Har­monik und Melodik waren bis dahin die Grund­lage von west­lich ori­en­tiert­er Musik gewe­sen. Durch das Weglassen jeglich­er Ton­höhen ver­sagen die klas­sis­chen Diszi­plinen der Musik­the­o­rie wie beispiel­sweise Har­monie-, Kon­tra­punkt- oder Melodielehre. Der dadurch erzeugte harte, kün­stliche Sound wurde für fol­gende Rap-Pro­duzentIn­nen zum großen Vor­bild, wodurch die Klanggestal­tung der Drum-Machines zunehmend in den Fokus rück­te.[34] Der „Sound der Straße“ wurde nicht wie bis­lang von ein­er Band erzeugt, son­dern mit nur einem einzi­gen pro­gram­mier­baren Com­put­er. Zum Geist der Hip-Hop-Kul­tur gehörte auch, mit dem Weni­gen auszukom­men, was man besaß.

Abbil­dung 1 Rhyth­mus der Drums in »Suck­er M.C.’s«. (Nota­tions­form, die in Drum-Com­put­ern ver­wen­det wird)

Unter dem Ein­fluss des Hardrock-Musik­ers Rick Rubin wurde auch der Flow der 80er Jahre zunehmend lauter und aggres­siv­er. Das kun­stvolle Auf und Ab von Kur­tis Blows Stimme ver­schwand und stattdessen entwick­el­ten sich nahezu geschrieene Parts. Nicht zufäl­lig nan­nten sich Run-D.M.C. auch „King of Rock“.[35] Laut­stärke wurde damit offen­bar zu einem wichti­gen Kri­teri­um und Energi­eträger des Flows.

Sowohl „The Breaks“ als auch „Suck­er M.C.‘s“ wurde von Lar­ry Smith und Rus­sell Sim­mons pro­duziert. Let­zter­er ist der Brud­er von Run-D.M.C.-Mitglied Joseph Sim­mons. Obwohl sich die Musik durch neue Rap­grup­pen wie Run-D.M.C., Beast­ie Boys oder LL Cool J grundle­gend verän­derte, blieben die Pro­duzen­ten und Instru­men­tal­is­ten ihrer Songs jedoch diesel­ben wie zu Beginn der 80er Jahre. Bis dahin han­delte es sich um eine kleine, eingeschworene Gruppe von weni­gen Hip-Hop-Begeis­terten, die sich lau­thals ihren Platz in der Musikgeschichte ver­schaffte.

Eric B. & Rakim – „Fol­low The Leader” (1988)

Die Musik­er, die unter dem Label Def Jam Records (Beast­ie Boys, Run D.M.C., Pub­lic Ene­my und LL Cool J) unter Ver­trag standen, feierten auf den großen Welt­büh­nen ihre Erfolge. Während­dessen bildete sich im Schat­ten New Yorks ein neuer Rap­stil her­aus. Die Stimme von Rakim in seinem Song „Fol­low The Leader“ ist – im völ­li­gen Kon­trast zu Run-D.M.C. oder den Beast­ie Boys – bewusst tief und leise gehal­ten („Rakim will remain calm“[36]). Mit dem „Lyri­cism“ fügt er dem Rap jedoch eine völ­lig neue Dimen­sion hinzu. Er kom­poniert akro­batis­che Wort­spiele, die einen „Klang der Worte“ erzeu­gen. Durch eine dichte Abfolge lyrisch­er Tech­niken wie Allit­er­a­tion („m“-Laut in Zeile 3–4), Mehrfachreim[37] („rarely heard/daily word“), Bin­nen- und Schla­greim ([æi] in Zeile 3–7 „main­tains“, „make“ etc.) schafft Rakim einen bis dahin einzi­gar­ti­gen Flow.[38] Er selb­st ver­gle­icht seinen Flow mit einem Bild, welch­es ver­ständlich­er wird, wenn man Reime und Allit­er­a­tio­nen far­blich markiert („High­light­en“). Die möglichst kom­plexe Anord­nung der Reime dient ein­er­seits der Zurschaustel­lung der eige­nen Skills. Ander­er­seits kön­nen sich die gesproch­enen Klang­far­ben – sym­bol­isiert in der Grafik durch tat­säch­liche Far­ben – im Ver­lauf häufen, ver­mis­chen, verän­dern oder neu anord­nen, sodass am Ende ein regel­recht­es „Klang­bild“ entste­ht. Rakim ver­schafft dem Rap dadurch eine neue poet­is­che Dimen­sion, welche per se einen eige­nen ästhetis­chen Wert bildet.[39]

Abbil­dung 2 Far­blich markiert­er Textbe­ginn von »Fol­low The Leader«

Rap­musik ab den 1990er Jahren

Mit der Ver­bre­itung von Rap­musik außer­halb New Yorks entwick­elte sich der Klang auch indi­vidu­ell und unab­hängig von einem Ein­heitsstil. Die fol­gende Aufzäh­lung beschreibt einige der Verän­derun­gen:

  • Um 1990 begann man in New York zunehmend, Jazz-Sam­ples zu ver­wen­den. Im Zuge ein­er Besin­nung auf eine Afro-Amerikanis­che Musikkul­tur[40] wur­den Auf­nah­men von Her­bie Han­cock, Dizzy Gille­spie oder Quin­cy Jones als Hom­mage in die Songs inte­gri­ert.
  • Die Fugees und The Roots pro­duzierten ihre Beats nicht mehr elek­tro­n­isch, son­dern ließen sie von ein­er Band Der Klang wirk­te dadurch weniger kün­stlich und durch die Kom­mu­nika­tion zwis­chen den Band-Mit­gliedern wur­den auch die Live-Auftritte dynamis­ch­er.
  • Der Detroi­ter Pro­duzent J Dil­la kom­ponierte sam­ple­basierte Beats, in denen er min­i­male zeitliche Ver­schiebun­gen inte­gri­erte. Dadurch übertrug er eine gewisse men­schliche Unge­nauigkeit in die elek­tro­n­is­che Pro­duk­tion.
  • An der amerikanis­chen West­küste wur­den Rap­musik­erIn­nen zunehmend auf­grund ihrer Authen­tiz­ität bekan­nt (Tupac und 50 Cent waren vor ihrer Kar­riere in Dro­gengeschäften und Schießereien ver­wick­elt, während Snoop Dogg Gang­mit­glied der Crips war). Durch das „Gangsta“-Image und die expliziten Texte wurde Hip-Hop zunehmend düster­er und aggres­siv­er.
  • Beim Chop­per­stile ste­ht die sprach­liche Vir­tu­osität im Vorder­grund. Einzelne Pas­sagen oder ganze Songs wer­den darin möglichst schnell und den­noch ver­ständlich ger­appt (z.B. einzelne Songs von Twista, Bus­ta Rhymes, Eminem oder Tech N9ne).
  • In Großbri­tan­nien ent­stand um 2000 ein neuer Stil, der bald unter dem Namen „Grime“ bekan­nt wurde. Er war mehr von Elek­tro, Garage­rock oder Twostep bee­in­flusst als von anderen Rap­stilen.

Während sich der Rap stetig und teils lokal unab­hängig voneinan­der entwick­elte, wurde den Kün­st­lerIn­nen immer mehr bewusst, wie entschei­dend der Beat den Flow bee­in­flusst. In der Zeit ab den 00er Jahren wur­den Super-Pro­duc­er[41] zu Stars. So wur­den etliche Rap­perIn­nen erfol­gre­ich, indem sie mit möglichst vie­len namhaften Pro­duzentIn­nen zusam­me­nar­beit­eten. Beispiel­sweise wurde Jay-Zs Album „The Blue­print 2: The Gift & The Curse“ pro­duziert von Kanye West, Just Blaze, Dr. Dre, The Nep­tunes (mit Phar­rell Williams), Tim­ba­land und No I.D. – alle­samt promi­nente Per­sön­lichkeit­en im Hip-Hop. Weit­er­hin enthält es u.a. Gast­beiträge von The Noto­ri­ous B.I.G. (posthum), Rakim, Bey­on­cé, Sean Paul, Twista und Kanye West.

Zu dieser Zeit ent­standen in den Süd­staat­en neue Stile wie z.B. Mia­mi Bass, Crunk, Snap Music, Bounce, Hor­ror­core oder Chopped and Screwed. Fol­gende Rap-Tech­niken, die aus dem „Dirty South“[42] kamen, prägten den weltweit­en Hip-Hop-Stil ab den 2010er Jahren entschei­dend und wer­den daher nun beson­ders her­vorge­hoben:

  • Der Rap­per T-Pain trug maßge­blich zur Pop­u­lar­ität der Auto­tune-Tech­nik bei.
  • Songs wie „Ver­sace“ von Migos verän­derten den Rap-Sound zusät­zlich – sowohl durch den Tri­olen-Rhyth­mus als auch durch den auf­fal­l­en­den Gebrauch von Wortwieder­hol­un­gen.
  • „Tony Mon­tana“ von Future ist eines der ersten Songs aus dem Bere­ich des undeut­lich genuschel­ten Mum­ble-Raps.

Der Name „Trap Muzik“, unter dem der neue Stil zunehmend bekan­nter wurde, stammt aus dem gle­ich­nami­gen Album des Rap­pers T.I. Die charak­ter­is­tis­chen musikalis­chen Ele­mente waren zusät­zlich zu den oben genan­nten Flow-Kri­te­rien:

„sehr präg­nante HiHats, die unregelmäßig und mit vie­len Zweiund­dreißig­steln bzw. Vierund­sechzig­steln zu hören sind; sehr tiefe Bässe; oft sehr sphärische, unrhyth­mis­che Hin­ter­grund­sounds; Adlibs wie ‚Scur­rr‘ oder ‚Whoop‘; tri­olis­ch­er Rap mit vie­len Pausen.“[43]

Trap ent­stand in der Stadt Atlanta. Dort wurde der Ort, an dem Dro­gen ille­gal verkauft wur­den, „Trap“ genan­nt, wodurch der Musik­stil seinen Namen erhielt.[44] Er sym­bol­isiert damit beson­ders die rauhe und krim­inelle Umge­bung der Süd­staat­en.

Child­ish Gam­bi­no – “This Is Amer­i­ca” (2018)

“This is Amer­i­ca” ist der erste Rap­song, der einen Gram­my in der Kat­e­gorie „Song of the Year“ erhielt. Der weltweite Erfolg beruhte unter anderem auf dem preis­gekrön­ten Musikvideo von Hiro Murai, welch­es bere­its einige Male disku­tiert und analysiert wurde.

Der Beat wurde vom Film­musikkom­pon­is­ten Lud­wig Görans­son pro­duziert, mit dem Child­ish Gam­bi­no seit 2011 zusam­me­nar­beit­et. Darin wird ein gospelar­tiger Gesang einem elek­tro­n­is­chen Trap-Sound kon­trastierend gegenübergestellt. Der dreis­tim­mige Chant erin­nert durch den par­al­lel geführten Satz und die Pen­del­har­monik zwis­chen F-Dur und g-Moll stark an Gospel. Zudem treten Bon­gos und Cow­bells als Per­cus­sion-Instru­mente hinzu.

Der Schlagzeug-Part, der Bass und der Rap sind dage­gen ide­al­isierte For­men des Trap-Stiles. Schnelle und kom­plexe Hi-Hat-Struk­turen sind Kennze­ichen dieses Süd­staat­en-Klanges. Der Bass – ein tiefes Es, das sich jedoch ständig mikro­ton­al verän­dert[45] – erin­nert an 808-Sam­ples, welche eben­falls sehr häu­fig im Trap ver­wen­det wer­den. Schließlich rappt Child­ish Gam­bi­no im Tri­olen-Flow, ver­wen­det viele Pausen, fügt diese Leer­stellen mit Ad-libs[46] und wieder­holt häu­fig einzelne Worte („Con­tra­band, Con­tra­band, Con­tra­band“) wie auch ganze Phrasen („Don’t catch you slip­pin‘ now/ Don’t catch you slip­pin‘ now“). Das Out­ro stammt vom Rap­per Young Thug, der darin einen sehr starken Auto­tune-Fil­ter ver­wen­det.

Alle hier genan­nten Merk­male sind Teil des neuen und düsteren Trap-Gen­res. Eine zusät­zliche Verbindung zum Trap entste­ht durch die mitwirk­enden Kün­stler, die alle­samt diesem Genre zuge­ord­net wer­den kön­nen und fast auss­chließlich aus Atlanta stam­men (lediglich BlocBoy JB ist in Mem­phis aufgewach­sen).

Der Über­gang vom Gospel- zum Trap-Teil ist abrupt. Der Schock-Moment, in dem die Stim­mung plöt­zlich kippt, wird ein­drucksvoll im Musikvideo verdeut­licht. Darin erschießt Child­ish Gam­bi­no uner­wartet Men­schen in sein­er Umge­bung. Während zu Beginn die bei­den musikalis­chen Kon­traste gegenüber­ste­hen, wer­den sie am Ende (ab ca. 2:56) zusam­menge­führt, sodass eine Syn­these dieser bei­den Stile entste­ht. Die zwei schein­bar gegen­sät­zlichen Kul­turen – die ener­getis­che Kirchen­musik und das düstere Dro­gen­m­i­lieu – ergänzen sich zu ein­er „Kom­prim­ierung von Infor­ma­tio­nen“[47].

 

Abbil­dung 3 Tran­skrip­tion aus »This Is Amer­i­ca« (2’55’›-3’04‹‹)

Der Satz „This is Amer­i­ca” war laut Kün­stler zuerst die einzige Idee des Songs.[48] Child­ish Gam­bi­no wieder­holt diesen Satz häu­fig, sowohl in der Hook als auch in den Stro­phen. Diese gesproch­ene Phrase bekommt damit nach und nach den Charak­ter eines Ohrwurms. Ein Großteil der ersten Stro­phe ist im gle­ichen markan­ten tri­olis­chen Rhyth­mus gesprochen, sodass der Flow-Wech­sel ab „I’m so cold like, yeah“ auf­fällt.

Schluss

Görans­son und Child­ish Gam­bi­no zitieren einen bes­timmten Rap-Stil und dessen Seman­tik. Da sie jedoch nicht aus dem Trap-Umfeld stam­men, arbeit­en sie mit Experten wie Young Thug, 21 Sav­age oder Qua­vo zusam­men, um einen authen­tis­cheren Klang zu erzeu­gen. Die Viel­seit­igkeit im Rap bringt dadurch neue Chan­cen des kün­st­lerischen Aus­drucks mit sich.

Der Flow­be­griff, wie ihn beispiel­sweise Kaut­ny ver­wen­det, lässt sich gut für einen bes­timmten Rap-Stil anwen­den, kann jedoch beispiel­sweise den mod­er­nen Trap kaum adäquat darstellen. Eine musikalis­che Analyse sollte dem­nach aus dem jew­eili­gen Werk her­aus entste­hen. Flow wird dadurch zu einem wan­del­baren Begriff, der nicht gemessen an einem Genre definiert wer­den sollte, son­dern sich von Werk zu Werk neu erfind­et. Je nach Zeit und Stil sollte ein ana­lytis­ch­er Fokus indi­vidu­ell geset­zt wer­den.

Song Genre Jahr Ana­lytis­ch­er Fokus
Kur­tis Blow – „The Breaks“ Old­school 1980 Wort­spiel, Sprecham­bi­tus, Instru­men­tal­so­lo
Run-D.M.C. – „Suck­er M.C.’s” Boom Bap 1983 Drum-Sound und -Rhyth­mus, Laut­stärke, Authen­tiz­ität („Klang der Straße“)
Eric B. & Rakim – „Fol­low The Leader” Lyri­cism 1988 Reim­struk­tur und Sprachk­lang
Child­ish Gam­bi­no – “This Is Amer­i­ca” Trap, Gospel 2018 Sprechrhyth­mus, Hi-Hats und Bass, Har­monik

Wie auch in anderen Musik­stilen zeigen Rap­analy­sen Betra­ch­tungsmöglichkeit­en auf, ohne eine „richtige“ oder „falsche“ Meth­ode zu pos­tulieren. Vielmehr geht es darum, der Mehrper­spek­tiv­ität der Musik gerecht zu wer­den und deren Fasz­i­na­tion einz­u­fan­gen. Seine Viel­seit­igkeit und Wan­del­barkeit ist schließlich ein maßge­blich­er Grund, warum der Hip-Hop bis heute zahllose Men­schen begeis­tert und es wom­öglich auch in Zukun­ft weit­er­hin tun wird.

 

 

 

Lit­er­atur

Blan­do, Gae­tano: “Alle deine Fre­unde has­sen alle meine Fre­unde / aber alle meine Fre­unde ken­nen deine Fre­unde nicht“ – Eine sozi­ol­o­gis­che Annäherung an Yung Hurns Ok, cool (2017). In: Höllein, D., Lehn­ert, N., Woitkows­ki, F. (Hg.): Rap – Text – Analyse. Deutschsprachiger Rap seit 2000. Biele­feld 2020, S. 59–70.

Bön­del, Phillip / Kar­goll, Tobias: Erfol­gs­formel Hip-Hop. Ambi­tion und Unter­dog-Mind­set als Busi­ness­fak­tor. Frank­furt am Main 2021.

Bre­it­en­wis­ch­er, Dustin: Die Geschichte des Hip-Hop. 111 Alben. Ditzin­gen 2021.

Char­nas, Dan: Dil­la Time. The Life and After­life of J Dil­la, the Hip-Hop Pro­duc­er Who Rein­vent­ed Rhythm. Lon­don 2022.

de la Motte, Diether: Gedichte sind Musik. Musikalis­che Analy­sen von Gedicht­en aus 800 Jahren. Kas­sel 2002.

Edwards, Paul: How to rap: the art and sci­ence of the hip-hop MC. Chica­go 2009.

Glover, Don­ald: Don­ald Glover (Child­ish Gam­bi­no) Breaks Down His Most Icon­ic Charak­ters | GQ. https://www.youtube.com/watch?v=IXb9J187Wmo (Stand: 01.11.2023).

Grote, Daniel: www.rapanalyse.de (Stand: 01.11.2023).

Gru­ber, Johannes: Per­for­ma­tive Lyrik und lyrische Per­for­mance. Pro­fil­bil­dung im deutschen Rap. Biele­feld 2017.

Kaban­go, Shadrach: Hip-Hop Evo­lu­tion, (Doku­men­tar-Serie) https://www.netflix.com/de/title/80141782 (Stand: 01.11.2023).

Kaut­ny, Oliv­er: Ridin’ the Beat. Annäherung an das Phänomen Flow. In: Hörn­er, S., Kaut­ny, O., (Hg.): Die Stimme im HipHop. Unter­suchun­gen eines inter­me­di­alen Phänomens. Biele­feld 2009, S. 141–170.

Shapiro, Peter: The Rough Guide to Hip-Hop. Lon­don 2005.

Sorge, Samy: Hochkul­tur. #18 mit Mega­loh (Audio-Pod­cast) aus: https://open.spotify.com/episode/5jAawox8L4RcGF155jMQHH (Stand: 01.11.2023).

Ste­pec, Matthieu / Mahr, Felix: Post­mod­ern Ter­ror – the genius of This is Amer­i­ca. https://www.youtube.com/watch?v=slxLdb2ZnuU (Stand: 01.11.2023).

Wehn, Jan / Bor­tot, David: Kön­nt ihr uns hören? Eine Oral His­to­ry des deutschen Rap. Berlin 2019.

Zenck, Mar­tin: „Zur Dialek­tik von audi­tiv­er, per­for­ma­tiv­er und textueller Analyse: Pierre Boulez‘ Poly­phonie X (1951) mit grundle­gen­den Reflex­io­nen über das Hören“. In: Buschmeier, G., Pietschmann, K. (Hg.): Beitragsarchiv des Inter­na­tionalen Kon­gress­es der Gesellschaft für Musik­forschung, Mainz 2018.

 

Erwäh­nte Songs

Max Herre: “Rap ist”

Chefket: “Rap & Soul”

Absolute Begin­ner: “God Is A Music”

Mon­ey Boy: “Dreh den Swag auf“

MoTrip: „Fan“

Kur­tis Blow: “The Breaks”

Run-D.M.C.: „Suck­er M.C.‘s” / “Walk This Way”

Eric B. & Rakim: “Fol­low The Leader”

Migos: “Ver­sace”

Child­ish Gam­bi­no: “This Is Amer­i­ca”

 

Daniel Hikaru Grote unter­richtet Musiktheorie/Gehörbildung an der HMT Leipzig, an der UdK Berlin, an der Musikschule Berlin-Neukölln sowie an der Musikakademie Rheins­berg. Neben seinem Pro­mo­tion­sstudi­um an der Musikhochschule Lübeck beschäftigt er sich inten­siv mit Rap­musik.


[1] Mit „Rap“ wird die Musik beze­ich­net, während „Hip-Hop“ die gesamte Kul­tur darstellt (inklu­sive Break­dance, Graf­fi­ti, Hip-Hop-Mode, Skat­ing etc.).

[2] Wehn/Bortot 2019, 9: „Fünf der zehn Lieder, die […] in den Top 10 der Charts standen, waren deutschsprachige Rap-Musik. So ist das derzeit fast immer, Stan­dard. [sic.] Deutschrap ist die größte und ein­flussre­ich­ste Pop­kul­tur des Lan­des.“ Bre­it­en­wis­ch­er 2021, 7: „In der 2020 vom Rolling Stone veröf­fentlicht­en Liste der 500 besten Alben der Musikgeschichte ist Hip-Hop mit mehr als 60 Alben zum ersten Mal in der Geschichte dieses Kanons das am häu­fig­sten vertretene Genre – Ten­denz: steigend.“

[3] Max Herre in „Rap ist“.

[4] Kaut­ny 2009.

[5] All­ge­mein wird eine selb­st organ­isierte Par­ty in New York am 11. August 1973 als Beginn von Rap­musik definiert. Siehe Böndel/Kargoll 2021, 28 oder Hip-Hop-Evo­lu­tion, Staffel 1, Folge 1, ca. 6‘15‘‘.

[6] Der Begriff stammt von Mar­tin Zenck und wurde für eine neue Form des Hörens in Werken von Pierre Boulez ver­wen­det. Zenck 2018, 11.

[7] Die Begin­ner – God Is A Music.

[8] Aus: MoTrip – Fan.

[9] Böndel/Kargoll 2021, 109: „Das Auto Hous­tons ist der SLAB, kurz für ‚slow, loud and bang­ing‘. […] Der Sound von DJ Screw war wie gemacht für das Cuisen in solchen Autos.“ DJ Screw war wiederum der Begrün­der der „Chopped and Screw“-Technik.

[10] Böndel/Kargoll 2021, 109—110: „Die Bass-Fix­ierung Miamis, die Luke Camp­bells Par­tys prägte, stammte aus dem Ver­lan­gen, das Max­i­male aus dem eige­nen Auto her­auszu­holen. Das ging so weit, dass man sich Bat­tles lieferte, wer die dröh­nen­dere Anlage hat­te.“

[11] Eine beson­dere Rolle spielte dabei der AKAI MPC.

[12] Am häu­fig­sten wurde Roland TR-808 ver­wen­det.

[13] Bekan­nte Work­sta­tions für Rap-Beats sind beispiel­sweise FL Stu­dio oder Cubase.

[14] „In der Hip-Hop-Szene gilt ‚Flow‘ als wichtiger Aspekt zur Bew­er­tung von Rap-Musik.“ Kaut­ny 2009, 141.

[15] Für diese Tat­sache find­en sich etliche Belege: Zumbi von Zion I: “The mean­ing is a close sec­ond, but the flow has got to fit first.” (Edwards 2009, 64). Hav­oc von Mobb Deep: „[…] with­out the right flow, sub­ject mat­ter prob­a­bly won’t even mat­ter.” (Edwards 2009, 65) Mega­loh im Pod­cast mit Samy Deluxe: “Es war tat­säch­lich eher so ein tech­nis­ches Ding bei mir, dass ich Rap­per so höre.“ (Sorge 2020: Hochkul­tur #18 mit Mega­loh) Dass Flow auch ohne Textver­ständ­nis ver­ständlich ist, zeigt sich überdies darin, dass fremd­sprachige Rap­songs in Deutsch­land erfol­gre­ich sind (beispiel­sweise der kore­anis­che Song Gang­nam Style von Psy). Allerd­ings ist nicht jed­er Rap­song zwangsläu­fig flowori­en­tiert. Beson­ders im Con­scious-Rap oder im Sto­ry­telling nimmt die Textbe­deu­tung eine (min­destens) gle­ich­w­er­tige Stel­lung ein.

[16] Edwards 2009, 63.

[17] Kaut­ny 2009.

[18] Kaut­ny 2009, 141.

[19] Kaut­ny 2009, 143.

[20] Kaut­ny 2009, 143.

[21] Kaut­ny 2009, 144.

[22] Ver­gle­iche Kaut­ny 2009, 146.

[23] Gru­ber 2017, 126.

[24] Die Veröf­fentlichung von Mon­ey Boys „Dreh den Swag auf“ leit­et 2010 im deutschsprachi­gen Raum die ästhetis­che Neuori­en­tierung ein.

[25] Eine Aus­nahme ist ein Artikel von Gae­tano Blan­do, der sich darin mit der Abgren­zung von bish­eri­gen Rap-Kon­ven­tio­nen beschäftigt. Blan­do 2020.

[26] Wehn/Bortot 2019, 389–434.

[27] Der Begriff hat im Rap-Jar­gon zwei Bedeu­tun­gen: 1.: „Begleitung des Grund­pat­terns; 2. Grund­schlag, Metrum“ (Kaut­ny 2009, 141). Anders als in den Veröf­fentlichun­gen Kaut­nys und Gru­bers wird im vor­liegen­den Text die erste Bedeu­tung ver­wen­det.

[28] MoTrip in „Fan“: „Es geht eins: für die Texte, zwei: für den fet­ten Sound, drei: für die Pro­duzen­ten, die die miesen Bret­ter bau’n“

[29] Der Musikpäd­a­goge Kaut­ny ist dabei eine große Aus­nahme im deutschsprachi­gen Raum.

[30] Shapiro 2005, 36.

[31] Hip-Hop-Evo­lu­tion, Staffel 1, Folge 3, ca. 6:30.

[32] “[…] ‚It’s Like That/Sucker MCs‘ (1983) com­plete­ly changed hip-hop.” Shapiro 2005, 327

[33] Textzeile aus: Run-D.M.C. – Suck­er M.C.’s

[34] “The drums on these records didn’t sound any­thing like the drum set he played in church. Thy were so loud that they seemed to fill every avail­able son­ic space: unwa­ver­ing, relent­less, per­fect in their uni­for­mi­ty and rep­e­ti­tion. The kick drum vibrat­ed so low that it shook the floor.” Char­nas 2022, 45.

[35] Albumti­tel aus dem Jahr 1985. Wenig später gelangte Run-D.M.C. es mit ein­er Kol­lab­o­ra­tion der Rock-Gruppe Aero­smith („Walk this Way“) an die Spitze der weltweit­en Charts.

[36] Textzeile aus: Eric B. & Rakim – Fol­low The Leader.

[37] „Unsaubere“ Reime bzw. Asso­nanzen (wie „rarely“ und „dai­ly“) wer­den in diesem Kon­text auch als „Reim“ beze­ich­net.

[38] Damit nähert sich der Rap den Stilmit­teln der Poe­sie an. Die Analy­setech­niken unter­schei­den sich kaum von jenen, die de la Motte in seinem Buch Gedichte sind Musik anwen­det. (de la Motte 2002)

[39] Nur sel­ten unter­stre­ichen jene „Sprachk­länge“ den Tex­tin­halt. In der drit­ten Stro­phe beispiel­sweise wech­selt der Flow bei den Worten „change ya tone“ abrupt.

[40] In New York ent­stand ein Kollek­tiv mehrerer Hip-Hop-Grup­pen, die sich unter dem Namen „Native Tongues“ zusam­men­schlossen.

[41] Der Begriff ist aus der Net­flix-Doku­men­ta­tion „Hip-Hop Evo­lu­tion“ (Staffel 4, Folge 3) ent­nom­men.

[42] Der Ter­mi­nus stammt aus dem gle­ich­nami­gen Song der Süd­staat­en-Gruppe Good­ie Mob.

[43] https://www.rapanalyse.de/hiphop-stile, Stand: 01.11.2023.

[44] Bre­it­en­wis­ch­er 2021, 279.

[45] Die Poly­tonal­ität wurde bere­its im Video „Post­mod­ern Ter­ror – the genius of This is Amer­i­ca“ von Matthieu Ste­pec und Felix Mahr ange­sprochen: https://www.youtube.com/watch?v=slxLdb2ZnuU Stand: 14.10.2023.

[46] Kurze Zwis­chen­rufe, die entwed­er die let­zten Wörter wieder­holen oder geräuschhafte Klänge darstellen wie „Skrt“, „Whoa“ oder „Yeah“.

[47] Don­ald Glover („Child­ish Gam­bi­no“) in einem Inter­view: “To me cul­ture is just com­pres­sion of infor­ma­tion.” https://www.youtube.com/watch?v=IXb9J187Wmo 18’49’’. Stand: 01.11.2023.

[48] Don­ald Glover („Child­ish Gam­bi­no“) in einem Inter­view: “This is Amer­i­ca, […] all we had was like that line.” https://www.youtube.com/watch?v=IXb9J187Wmo 17‘35‘‘-17‘39‘‘. Stand: 01.11.2023.

  • 31. Dezember 20233. Januar 2025
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