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Tänze für Klavier zwischen Virtuosität und Nostalgie. Zu den Beiträgen vier japanischer Komponisten zum Petrushka Project (2012)[1]

Yuko Ueda

[Beitrag als pdf]

Ein­leitung

Dieser Auf­satz zeich­net schlaglichtar­tig nach, auf welchem Stand sich das Kom­ponieren in Japan vor gut einem Jahrzehnt befand. Aus­gewählt wur­den für diese Nachze­ich­nung kompo­sitorische Beiträge zu einem Pro­jekt aus dem Jahr 2012, an dem sich vier zwis­chen 1929 und 1965 geborene japanis­che Kom­pon­is­ten beteiligten. Sie gehören mehreren Gen­er­a­tio­nen an und sie wur­den geprägt durch Musikkul­turen an unter­schiedlichen Stu­dienorten auch außer­halb ihres Heimat­landes, Städten in den Vere­inigten Staat­en, in Deutsch­land und in Frank­reich. Das Pro­jekt, zu dem die vier Kom­pon­is­ten je ein Werk beis­teuerten, hat­te ein Genre zum The­ma (Tanzsätze für Klavier solo) und mit ihm war ein klavier­päd­a­gogis­ch­er Zweck ver­bunden, sodass über den gemein­samen Zeit­punkt ihrer Ein­sendung hin­aus eine gewisse Ver­gleichbarkeit der kom­pos­i­torischen Beiträge gegeben ist. Durch den Bezug auf ihren Wid­mungsträger zeigen die Werke der vier japanis­chen Kom­pon­is­ten zugle­ich Ver­hal­tensweisen zu europäis­chen Tra­di­tio­nen der klin­gen­den Hom­mage, die sie auf je eigene Weise fortschrei­ben.

Der 2012 im Schott-Ver­lag erschienene Sam­mel­band Dances of Our Time bildet den Angel­punkt des Pro­jek­ts. Der Band enthält Stücke für Klavier solo und ent­stand anlässlich des 70. Geburt­stags von Dr. Peter Hanser-Streck­er (* 1942), dem Geschäfts­führer des Ver­lags. Zu dem Sam­mel­band tru­gen 75 Kom­pon­is­ten (darunter sechs Kom­pon­istin­nen) bei.[2] Unter den Tänzen sind zahlre­iche Walz­er, je ein Ländler, Zwiefach­er, Charleston, Geschwind­tanz etc.; auch Stücke, die keinen Namen eines Tanzes im Titel führen, haben doch zumeist einen betont rhyth­mis­chen Charak­ter, und da es alle­samt kürzere Kom­po­si­tio­nen sind, hät­ten sie, wie wirk­liche Tänze, für ein Album ami­co­rum gepasst.[3] Als Geburt­stags­geschenk, qua­si als klin­gende Festschrift, sollte der Band den Jubi­lar erfreuen und ehren, doch eigne er sich auch für päd­a­gogis­che Zwecke, wie es in der Ver­lagsan­nonce heißt: „Klavier­schülern ab dem drit­ten Unter­richt­s­jahr“ biete er ein „inter­es­santes Reper­toire“[4], auch ambi­tion­ierten Laien wird er emp­fohlen. Die Pub­lika­tion des Sam­mel­ban­des war Teil des umfassenderen mul­ti­me­di­alen soge­nan­nten Petrush­ka Project, zu dem die Urauf­führun­gen von bis­lang 70 dieser Dances of Our Time in Live-Konz­erten eben­so gehörten wie die Bere­it­stel­lung der Dances in Mitschnit­ten auf YouTube, dies­mal unter dem leicht mod­i­fizierten Titel Pro­ject­Petrush­ka.[5] Zu der vom YouTube-Kanal des Pro­jek­ts angekündigten kün­fti­gen Fort­set­zung scheint es nicht gekom­men zu sein.

Dass dem Pro­jekt mit Pétrouch­ka ger­ade eines von Igor Straw­in­skys nicht bei Schott ver­legten Stück­en seinen Namen lieh, mag seinen Grund darin haben, dass seine aus dem Bal­lett her­vorgegangenen, aber eben­falls nicht bei Schott ver­legten Trois mou­ve­ments de Pétrouch­ka zu den beliebtesten (und vir­tu­os­es­ten) Klavierkom­po­si­tio­nen des 20. Jahrhun­derts gehören.[6] Natür­lich passt für eine Samm­lung von Tänzen der Titel eines Bal­letts, bei ein­er Per­son zuge­eigneten Stück­en zumal ein Titel mit der Assozi­a­tion von Pier­rot und von dem Weiß­clown mit der schwarzen Träne auf der weißen Wange. Ein wenig erin­nert dessen Ausse­hen an die weißen Masken des Nō-The­aters. Mit Hanser-Streck­er verbindet sich die Inter­na­tion­al­isierung eines europäis­chen Musikver­lags gen Ostas­tasien. Bere­its Ende der 1970er Jahre grün­dete der Schott-Ver­lag eine japanis­che Tochterge­sellschaft und ab dieser Zeit wurde er für viele japanis­che Kom­pon­is­ten zum Stam­mver­lag, beispiel­sweise für Tōru Takemit­su (1930–1996). Japanis­che Beiträge zu dem Sam­mel­band Dances of Our Time kamen von Joji Yuasa, Toshi Ichiyana­gi, Toshio Hosokawa und Atsuhiko Gondai. Ihre Beiträge wer­fen Schlaglichter auf die neuere Geschichte des Kom­ponierens in Japan, zugle­ich reflek­tieren sie in je unterschiedli­cher Weise europäis­che Musik­tra­di­tio­nen.

Musikalis­che Gat­tun­gen wer­den gewöhn­lich als Typen musikalis­ch­er Kom­po­si­tio­nen definiert, die an bes­timmte Zwecke, Ver­wen­dungsweisen, Texte oder Auf­führung­sprak­tiken geknüpft sind.[7] Das, soweit bekan­nt, erste Klavier­stück, das jemals von einem japanis­chen Kompo­nisten in der Gat­tung des Tanzes kom­poniert wurde, ent­stand am Ende der Mei­ji-Zeit, es war ein Menuett, geschrieben von Rentarō Taki (1879–1903) im Okto­ber 1900,[8] also noch bevor er nach Europa kam, um am Leipziger Kon­ser­va­to­ri­um zu studieren. For­mal und har­monisch verbleibt das Menuett im Rah­men des Üblichen, wen­ngle­ich das Anset­zen auf der I. Stufe in den kon­trastieren­den Mit­tel­teilen sowohl des Menuetts als auch seines Trios etwas unge­lenk erscheint. Takis Umgang mit diesem damals längst alt­modisch gewor­de­nen Tanz ist gekenn­zeichnet durch Anklänge an Johann Sebas­t­ian Bachs Noten­büch­lein für Anna Mag­dale­na Bach, daneben tauchen aber mod­ernere chro­ma­tis­che Melodie-Schlenker auf. In diesem Bei­trag wird der Frage nachge­gan­gen, wie die musikalis­che Gat­tung ‚Tanz als Klavier­solostück‘ heute, über hun­dert Jahre nach Takis Menuett, von zeit­genös­sis­chen Kom­pon­is­ten aus Japan real­isiert wird. Wenn eine Gat­tung sich durch einen bes­timmten Zweck definiert, so ist der Zweck der Petrush­ka Project-Kom­po­si­tio­nen zunächst die Begleitung des (nur noch imaginier­ten) Tanzens. Die zusät­zlichen Zwecke dieser Kom­po­si­tio­nen – ihre musikpäd­a­gogis­che Brauch­barkeit, die Erneuerung des Reper­toires mit kurzen Vor­tragsstück­en für ein bes­timmtes Instru­ment und ganz all­ge­mein die klin­gende Hom­mage – kon­sti­tu­ierten eher keine musikali­schen Gat­tun­gen. Daher impliziert die Beschäf­ti­gung mit einem Tanz als Gat­tung zunächst den ana­lytis­chen Fokus auf Bewe­gungsarten, ins­beson­dere auf Rhyth­men, Tak­tarten und Tem­pi. Um die klavier­päd­a­gogis­che Brauch­barkeit jen­er Tänze zu ermit­teln, die die vier genan­nten japanis­chen Kom­pon­is­ten zu dem Sam­mel­band beis­teuerten, wird der ana­lytis­che Fokus erweit­ert und es wer­den außer­dem die Aspek­te Form, Ton­ma­te­r­i­al und Har­monik, Satz­typen, Spielfig­uren, Dynamik und die Dra­maturgie der Pausen bedacht. Lei­t­ende Fra­gen sind dabei: Welche Ziele kön­nen Klavierschüler*innen mit den Stück­en erre­ichen? Eignet sich das jew­eilige Stück eher zum Erler­nen von Spiel­tech­nis­chem, von manueller Geschick­lichkeit und Wendigkeit? Soll es Klavierspieler*innen vielmehr (oder außer­dem) mit regionalen Eigen­heit­en oder mit ein­er bes­timmten Inter­pre­ta­tion­skul­tur ver­traut machen? Die vier Stücke wer­den nacheinan­der besprochen, und zwar in chro­nol­o­gis­ch­er Rei­hen­folge nach dem Alter der Kom­ponisten. Jed­er Einzelun­ter­suchung ist ein Kurz­por­trait des Kom­pon­is­ten vor­angestellt.

Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion” von Joji Yuasa (* 1929)[9]

Joji Yuasa erlernte das Kom­ponieren auto­di­dak­tisch. Nach­dem er 1952 Mit­glied der wenige Jahre zuvor gegrün­de­ten avant­gardis­tis­chen Kün­st­ler­gruppe Jikken Kōbō[10] gewor­den war, begann seine Lauf­bahn als Musik­er, heute ist er ein­er der bekan­ntesten japanis­chen Kompo­nisten. Für Klavier schrieb Yuasa etliche Stücke; unter ihnen seien beson­ders Cos­mos Hap­tic (1957) und Cos­mos Hap­tic II – Trans­fig­u­ra­tion (1986) erwäh­nt, denn der Kom­pon­ist äußerte sich in deren Kon­text zu dem geisti­gen Hin­ter­grund seines Kom­ponierens. Die mit diesen Stück­en eröffnete und für sein musikalis­ches Denken beson­ders auf­schlussre­iche, mit Cos­mos Hap­tic betitelte Serie bezieht auch andere Instru­mente als das Klavier ein; so ist Cos­mos Hap­tic III (1990) für zwanzig­sait­ige Koto und Shakuhachi, Cos­mos Hap­tic IV (1997) für Vio­lon­cel­lo und Klavier und Cos­mos Hap­tic V (2002) für Orch­ester geschrieben. In einem 2008 geführten Inter­view[11] sagte Yuasa, er habe mit der Cos­mos Hap­tic-Serie die Wechsel­wirkungen von Zeit und Raum sowie Kon­ti­nu­ität und Diskon­ti­nu­ität kom­pos­i­torisch darstellen wollen, wobei es im Wesentlichen um Zen gehe. Dass Yuasa, wie ange­führt, bisweilen auch für japanis­che Musikin­stru­mente schrieb, ist ein offen­liegen­des Indiz dafür, dass ostasiati­sches Musik­machen und -denken in die Werkrei­he Cos­mos Hap­tic eing­ing. Yuasa verbindet dieses Denken außer­dem mit Ele­menten aus der Geis­teswelt von André Jolivet (1905–1974), ins­beson­dere deren Aus­prä­gung in Jolivets Zyk­lus Mana (1935) für Klavier solo. Ist der Zyk­lus ins­ge­samt mit dem poly­ne­sis­chen Wort für eine über­natür­liche Kraft in Men­schen, Tieren und Din­gen betitelt, so heißen zwei der sechs kurzen Sätze von Mana nach Tieren (Nr. 4 = La Chèvre, Nr. 5 = La Vache); der dritte, La Princesse de Bali, überträgt die Ima­go fer­nöstlich­er Klang­wel­ten mit sehr tiefen perkus­siv­en Clus­tern aufs Klavier, auch die rhyth­mis­che Fas­son dieses Satzes ent­fer­nt sich weit von mit­teleu­ropäis­ch­er musikalis­ch­er Syn­tax. Yuasa spricht in einem Inter­view zwei Typen sein­er kom­pos­i­torischen Erprobun­gen an: erstens auf philoso­phischen Vorstel­lun­gen basierende nar­ra­tive Musik wie in der Cos­mos Hap­tic-Serie und zwei­tens gewis­ser­maßen abstrak­te Musik, die mit der puren Bewe­gung und Beweglichkeit der Töne spiele – ihrer Geschwindigkeit, ihrer Energie oder ihrem Ort im Ton­raum. Anders als Richard Wag­n­er, für den absolute Musik im besten Fall eine von außer­musikalis­chen Bedeu­tungen los­gelöste Apoth­e­ose des Tanzes war, kon­notiert Yuasa seine von Bedeu­tun­gen ab­gezogene abstrak­te Musik nicht neg­a­tiv. Wiewohl er kein bes­timmtes eigenes Musik­stück nan­nte, das die Bewe­gung und Beweglichkeit der Töne zum Gegen­stand hat, darf ein Stück wie On the key­board (1972) ver­mut­lich als ein Beispiel gel­ten. Es ist mit zahllosen Trillern, Ton­rep­e­ti­tio­nen, ras­an­ten Ton­läufen und großen Ton­sprün­gen aus­ges­tat­tet, und auch die Bal­lettmusik Cir­cus Vari­a­tion, der Yuasa seinen Beitrag zum Petrush­ka Project ent­nahm, kann dieser Kat­e­gorie zugerech­net wer­den. Sie ent­stand 1954, als Yuasa noch Mit­glied von Jikken Kōbō war und an avant­gardis­tis­ch­er japanis­ch­er Musik labori­erte. In diesem Jahr hat­te er auch die Zwölfton­tech­nik ken­nen­gel­ernt und kom­ponierte ins­ge­samt eher aton­al. Die Bal­lettmusik Cir­cus Vari­a­tion war jedoch ein Auf­tragswerk für eine Kinder-Tanz­gruppe namens Tachibana Bal­lett­truppe, was ver­mut­lich seine leichtere Ver­ständlichkeit erk­lärt. Das Stück greift stilis­tisch auf Musik­sorten zurück, die Yuasa noch vor seinen avant­gardis­tis­chen Exper­i­menten stark geprägt hat­ten, darunter Musik von Kom­pon­is­ten, die Yuasa vor allem mit ihren Bal­lettmusiken beein­druckt haben dürften, so Sergej Prokof­jew, die Mit­glieder der Les Six, jen­er Kompo­nistengruppe, zu der z.B. Fran­cis Poulenc und Dar­ius Mil­haud gehört hat­ten, sowie Aaron Cop­land, Leonard Bern­stein und andere amerikanis­che Kom­pon­is­ten, deren Musik nach dem Kriegsende nach Japan gelangt war.[12]

Der Bal­lettmusik Cir­cus Vari­a­tion ent­nahm Yuasa für das Petrush­ka Project einen Walz­er. Dieser ist ein­fach gebaut: Er gliedert sich in fünf Teile, die mit Dop­pel­strichen voneinan­der abge­gren­zt sind und in drei ver­schiede­nen Tonarten ste­hen. Den Teilen 1–3 in Es-Dur fol­gt ein viert­er Teil in As-Dur, und nach ein­er vier­tak­ti­gen Über­leitung (T. 89–92) schließt sich ein fün­fter Teil in E-Dur als Coda an.[13] Die Teile 1–3 beste­hen aus jew­eils 16-tak­ti­gen Abschnit­ten (1. Teil = 16 Tak­te + 16 Tak­te, 2. Teil = 16 Tak­te, 3. Teil = 16 Tak­te), Teil 4 aus 24 Tak­ten, und der auf die Über­leitung fol­gende Schlussteil umfasst 29 Tak­te. Es gibt keine Tak­twech­sel, auch das Tem­po bleibt kon­stant, mit Aus­nahme zweier kürz­er­er Ritar­dan­di (poco rit., Takt 40, und ritar­dan­do, Takt 91–92). Die Dynamik bewegt sich zwis­chen mp und fff in den fünf Schlusstak­ten, dem Höhep­unkt des Stücks.

Auch intern sind die Abschnitte ein­fach und nach bekan­nten for­malen Mustern gestal­tet: Die Teile 1–3 bilden eine dre­it­eilige Lied­form mit kon­trastieren­dem Mit­tel­teil (Teil 2). Die Reprise ist auf die Hälfte verkürzt (Teil 3), sie stellt eine fast exak­te Wieder­hol­ung des zweit­en Ab­schnitts von Teil 1 dar. Der einzige Unter­schied find­et sich in den bei­den Schlusstak­ten am Ende des Reprisen­teils (Teil 3, T. 63–64), wo die dem Toni­ka-Dreik­lang Es-Dur zuvor wie ein extrasüßes Gewürz beigegebene große Sep­time ent­fällt.

Noten­beispiel 1: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 1–2

Charak­ter­is­tisch für die Teile 1–3 ist die Punk­tierung auf der ersten Zäh­lzeit, anfangs als punk­tierte Pause real­isiert (siehe Noten­beispiel 1). Dieses rhyth­mis­che Pat­tern, das in den Teilen 1 und 3 in ein­er hohen Mit­tel­stimme auftritt, ver­lei­ht der Musik Schwung. In dem kontrastieren­den Mit­tel­teil (Teil 2) wird der punk­tierte Rhyth­mus metrisch anders gelagert und vervielfältigt, der Charak­ter dieses Teils wird damit beweglich­er und leichter, worauf auch die Anweisung leg­giero hin­weist (siehe Noten­beispiel 2).

Noten­beispiel 2: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 31–34

In Teil 4 kom­men solche Punk­tierun­gen prak­tisch nicht mehr vor. Vorherrschend ist hier ein aus beton­ter Vier­tel- plus Achtel­note zusam­menge­set­zter Rhyth­mus der (oft vorhalt­sar­tig har­monisierten) Melodie. En pas­sant trat dieser Rhyth­mus bere­its in den Teilen 1 und 3 auf, bei­spielsweise in den Tak­ten 21 und 23 (siehe Noten­beispiele 3 und 4).

Noten­beispiel 3: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 21–24
Noten­beispiel 4: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 65–68 (Das obere Sys­tem ste­ht im Vio­lin­schlüs­sel, das untere im Basss­chlüs­sel.)

Teil 4 ist wieder intern als dre­it­eilige Lied­form mit kon­trastieren­dem Mit­tel­teil gebaut, nur dies­mal klein­er dimen­sion­iert: Der A-Teil, der Kon­trast­teil B und der Reprisen­teil A’ umfassen jet­zt je acht Tak­te (A = 65–72; B = 73–80, A’ = 81–88). Im Kon­trast­teil tauchen in der recht­en Hand walz­er­typ­is­che Hemi­olen auf. Für die linke Hand kom­ponierte Yuasa hier ein anderes Metrum, näm­lich den duolisch geteil­ten 6/16-Takt (Takt 73–75, siehe Noten­beispiel 5). Die Poly­metrik bleibt dezent, denn sie real­isiert sich nur über die Fig­u­ra­tion tak­tweise gle­ich­bleiben­der, also weit­er­hin im 3/8-Takt wech­sel­nder Har­monien. Die duolis­che Unterteilung des Kon­trast­teils wird in die Reprise (A’, Takt 81–86) inte­gri­ert.

Noten­beispiel 5: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 72–75

Im fün­ften Teil, der Coda, für deren Rhyth­mik Her­vorhe­bun­gen der zweit­en Zäh­lzeit charakte­ristisch sind (etwa bei den Akzen­ten in Takt 96–99), wird die früher instal­lierte Folge von Vier­telnote plus Achtel­note ver­tauscht. Dass die Melodie in der recht­en Hand hier fast immer akko­rdisch aufge­füllt ist, ergibt einen bril­lanten und dicht­en Klang (siehe Noten­beispiel 6).

Noten­beispiel 6: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 105–107

Yuasas Walz­er weckt deut­liche Assozi­a­tio­nen zu Strauss-Walz­ern. Die linke Hand spielt kon­sequent nur die har­monis­che Begleitung, von der die akko­rdisch aufge­füllte Melodie der rech­ten Hand stets getren­nt bleibt. Walz­er­typ­isch ist auch die har­monis­che Basis des Stücks, sie beschränkt sich lange auf die Toni­ka und die Dom­i­nante. Es gibt die üblichen Tanzbässe: zunächst den Wech­sel zwis­chen es und B im Bass (siehe Noten­beispiel 1), dann zwis­chen f und B. Aber Yuasa ver­sieht die Har­monien auf eine für Les Six charak­ter­is­tis­che Weise mit Zusatztö­nen, sodass sie meis­tens aus Vierk­län­gen beste­hen. Dem Toni­ka-Dreik­lang Es-Dur ist fast durchge­hend die siebte Ton­leit­er­stufe d hinzuge­fügt (also ein Ton der Dom­i­nante), manch­mal außer­dem die sech­ste Ton­leit­er­stufe c (wie in Takt 2; vgl. nochmals Noten­beispiel 1). Und zur Dom­i­nante B-Dur ist durchge­hend der Toni­ka-Grund­ton es beibehal­ten, sodass in der Akko­rd­fül­lung der linken Hand trotz der Har­moniewech­sel die Töne d und es bis Takt 15 als ein dis­so­nantes har­monis­ches Band weit­ertö­nen (siehe Noten­beispiel 7).

Noten­beispiel 7: Joji Yuasa, Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, T. 7–10

Auch die für Zwis­chen­dom­i­nan­ten, Vari­antk­länge oder alterierte Töne einge­set­zten Chroma­tismen wie beispiel­sweise im zweit­en Abschnitt von Teil 1 bleiben im Rah­men des Üblichen. Im fün­ften Teil (T. 105–113) sorgt eine tak­tweise von der ersten zur fün­ften Ton­leit­er­stufe an­steigende chro­ma­tis­che Skala der linken Hand für wach­sende musikalis­che Aufre­gung und bere­it­et die bril­lanten Schlus­sakko­rde vor (siehe deren Beginn in Noten­beispiel 6).

In einem Punkt geht Yuasa indes über die (leicht franzö­sisch gewürzte) Stan­dard­har­monik von Wiener Walz­ern hin­aus: mit der har­monis­chen Basis der Coda, dem um einen Halbton ge­lifteten anfänglichen Grund­ton. Die Coda-Tonart E-Dur wirkt wie eine feurige oder gleißend hell anges­trahlte neue Toni­ka.

Das Stück ist geeignet, um im Klavierun­ter­richt mit ein­er Mis­chform zwis­chen dem Wiener Walz­er und der Har­monik neuer­er franzö­sis­ch­er Musik ver­traut zu machen. Ger­ade im Kla­vierunterricht für Kinder dürfte es ver­wend­bar sein, zumal Yuasa das Stück ursprünglich für eine Kinder­bal­lett­truppe kom­poniert hat­te. Für kleinere Hände stellen die Ton­läufe der Mittel­stimme bei gehal­te­nen Tönen der recht­en Hand sowie die Oktaven­fol­gen allerd­ings eine griff­technische Schwierigkeit dar.

Waltz Solem­ni­ty von Toshi Ichiyana­gi (1933–2022)[14]

Toshi Ichiyana­gi hat­te Kom­po­si­tion­sun­ter­richt bei Kishio Hirao (1907–1953) und Tomo­jiro Ike­nouchi (1906–1991), die bei­de in Frankre­ich studiert hat­ten. Er war auch Pianist. Da Ichiyana­gi noch ein Studi­um an der Juil­liard School anhängte, war ihm (über seine ersten Lehrer) nicht nur die franzö­sis­che, son­dern auch die amerikanis­che zeit­genös­sis­che Musik bekan­nt. Ichiyanagis Kom­po­si­tio­nen verknüpfen Ele­mente west­lich­er Musik­tra­di­tio­nen und deut­lich auch der japanis­chen Tra­di­tion miteinan­der, wie oft­mals fest­gestellt wurde. So schreibt Maiko Sasa­ki:

Japan­ese influ­ences can espe­cial­ly be observed in his works. […] Ichiyanagi’s his­to­ry makes him unique­ly capa­ble of fus­ing East­ern and West­ern music because of his vast knowl­edge and expe­ri­ence in both cul­tures. The fusion is achieved not sim­ply because he is Japan­ese, but it is linked with his phi­los­o­phy, which evolved through his expe­ri­ences over the course of his musi­cal career.[15]

Anfang der 1960er Jahre ver­set­zte die Musik von John Cage der japanis­chen Musik­welt einen Schock.[16] In der Art, wie Cage sich auf asi­atis­che Denk­tra­di­tio­nen bezog, sah man ein Miss­verständnis, doch hat­te Cage zugle­ich sehr effek­tiv das Streben nach ein­er Assim­i­la­tion euro­päischen Musik­denkens entwertet. Ichiyana­gi gehörte aber zu jenen Kom­pon­is­ten, die von Cage fasziniert waren. In New York besuchte er dessen Kurse, er begann über die Grund­la­gen von Musik nachzu­denken und darüber, worin der Unter­schied zwis­chen Musik aus Ost und West beste­he. Sasa­ki berichtet, dass Ichiyana­gi in einem tele­fonisch mit ihm geführten Inter­view geäußert habe,

[…] that the con­cepts of time and space became fun­da­men­tals of his com­po­si­tions. He devel­oped a unique per­cep­tion of the con­cepts of time and space as well as oth­er philoso­phies.[17]

Der feier­liche Walz­er, den Ichiyana­gi für das Petrush­ka Project kom­ponierte, ist ziem­lich kurz. Er umfasst 21 Tak­te. Das zweitak­tige Anfangsmo­tiv, eine aus­drucksvolle Melodie mit akkordi­scher Begleitung, taucht nach gut der Hälfte der Tak­te wieder auf (T. 13 und 14). Die Stelle klingt wie eine (aus­geschmück­te) Reprise. Vor­bere­it­et wird sie von ein­er deut­lichen gestis­chen Zäsur: In Takt 12 wer­den den Akko­r­den bei­der Hände Fer­mat­en hinzuge­fügt, sodass sie wie ein offen­er Schluss des ersten Teils wirken (siehe Noten­beispiel 8).[18]

Noten­beispiel 8: Toshi Ichiyana­gi, Waltz Solem­ni­ty, T. 12–14

Der 3/4-Takt des Walz­ers wird bis zum Ende des Stücks beibehal­ten, es gibt jet­zt eine Cha­rakterbezeichnung (espres­si­vo) und – zum feier­lichen Anlass passend – eine eher langsame Metronomzahl (♩=56). Sequen­ziert und etwas abge­wan­delt wird das zweitak­tige Anfangsmo­tiv in Takt 3–4 wieder­holt: Die Melodi­etöne e’–h’–(e’–)d’’–c’’ sind mit den Tönen a’–e’’–g’’–f’’ jet­zt eine Quarte aufwärts transponiert (siehe Noten­beispiel 9).

Noten­beispiel 9: Toshi Ichiyana­gi, Waltz Solem­ni­ty, T. 1–4

In der Reprise wird das zweitak­tige Motiv nach sein­er Wiederkehr in Takt 13–14 dies­mal melodisch prak­tisch unverän­dert transponiert, jet­zt um einen Ganz­ton aufwärts und keine Quarte (T. 15–16, siehe Noten­beispiel 10). Dies­mal wird auch die Har­monie mit­transponiert, nur ist beim zweit­en Akko­rd der linken Hand in Takt 15 mit dem g zusät­zlich der Basston oktaviert, und beim ersten Akko­rd von Takt 16 wird in der linken Hand der obere Ton eine Oktave nach unten ver­set­zt, sodass statt der genauen Trans­po­si­tion fis–cis das Komplemen­tärintervall Fis-cis erklingt.

Noten­beispiel 10: Toshi Ichiyana­gi, Waltz Solem­ni­ty, T. 15–16

Die höch­ste dynamis­che Angabe ist ff in Takt 10, wo der Höhep­unkt des ins­ge­samt rel­a­tiv leisen und ruhi­gen Stück liegen dürfte. Allerd­ings wird er dynamisch nicht vor­bere­it­et, denn das for­tis­si­mo tritt plöt­zlich ein („sub. ff“). Die fol­gen­den Ton­girlan­den lösen die ent­standene Span­nung (siehe Noten­beispiel 11).

Noten­beispiel 11: Toshi Ichiyana­gi, Waltz Solem­ni­ty, T. 10–12

Ichiyanagis Walz­er beste­ht wei­thin aus tonalen Har­monien, die indes eher nicht tonal verknüpft sind. Umkehrun­gen sor­gen für Insta­bil­ität und einen schweben­den Charak­ter. Das Stück begin­nt mit einem E-Dur-Dreik­lang, jedoch mit der Quinte als Basston. Beziehun­gen von Halb­tönen und Tri­toni zwis­chen Grundtö­nen simul­tan gespiel­ter Dreik­länge herrschen vor. So ist der näch­ste Akko­rd ein Gemisch aus neapoli­tanisch-sub­dom­i­nan­tis­chem F-Dur und dominan­tischem H-Dur (oder ein F-Dur-Sep­takko­rd plus über­mäßige Quarte bzw. akustis­che 11). Notiert wurde er als dom­i­nan­tis­ch­er Akko­rd mit über­mäßiger Sexte F–dis’. Der zweite Takt begin­nt mit dem E-Dur-Dreik­lang von Takt 1, dem dies­mal ein Dom­i­nantsept­none­nakko­rd von Cis-Dur plus c’’ als frem­dem Ton fol­gt. Takt 3 basiert auf einem Gemisch von Es-Dur und A-Dur (der Akko­rd ist eine Trans­po­si­tion des zweit­en Akko­rds von Takt 1). Der Akko­rd von Takt 4 ist eine Trans­po­si­tion des zweit­en Akko­rdes von Takt 2, also ein Dom­i­nantsept­none­nakko­rd, jet­zt eine Quarte aufwärts transponiert mit fis als Grund­ton. In Takt 5 ist eine reale Mix­tur aus zwei Oktavgän­gen im Abstand ein­er Dez­ime zu spie­len (siehe Noten­beispiel 12). Die Oktave ist für die rechte Hand mit ein­er großen Terz und für die linke Hand mit ein­er reinen Quarte gefüllt. (Eine Auf­fas­sung als umgekehrte Terz­schich­tung mit enhar­monis­ch­er Ver­wech­slung – beispiel­sweise als f-as-c-e beim ersten Zusam­men­klang von Takt 5 – wider­spräche der Tex­tur.)

Noten­beispiel 12: Toshi Ichiyana­gi, Waltz Solem­ni­ty, T. 5

Die Ton­girlan­den des Stücks (siehe Noten­beispiele 11 und 13) sind aus sym­metrischen Ska­len gebildet: die bei­den Girlan­den in den Tak­ten 6 und 7 aus der (nicht oktavi­den­tis­chen) Folge 2–3 (gezählt in Halbtö­nen), näm­lich d–e–g–a–c–d–f in Takt 6 und – einen Tri­tonus aufwärts transponiert – as–b–des–es–ges–as–h in Takt 7 (das ergibt für die Sex­to­len­töne eine penta­tonische Skala).

Noten­beispiel 13: Toshi Ichiyana­gi, Waltz Solem­ni­ty, T. 6–7

Die Sep­tolen in Takt 13 und 15 (siehe Noten­beispiele 8 und 10) beste­hen aus der (wieder nicht oktavi­den­tis­chen) Inter­vall­folge 1–1-3, beim zweit­en Mal einen Ganz­ton höher geset­zt als beim ersten Mal. Die Ratio der Nonolen-Girlande in Takt 11 (siehe Noten­beispiel 11) ist unklar. Abwärts in Halbtö­nen gezählt ergeben sich die Inter­vallschritte 7–4-2–5-3–1. Den Akko­rd auf dem Höhep­unkt (T. 10, siehe NB 11) kön­nte man als Terz­schich­tung über H lesen: h–dis–(fis)–a–c–e, hier in der ersten Umkehrung und ohne die Quinte fis. Die fol­gen­den Akko­rde sind (teils leicht verän­derte) Trans­po­si­tio­nen des früher Erk­lun­genen (siehe Noten­beispiele 9 und 10). Der Schlus­sakko­rd ist mit dem Akko­rd von Takt 3 iden­tisch, nur wird ihm zum Ausklang noch der tiefe Ton D1 hinzuge­fügt, als sei er für dieses Es-A-Gemisch eine Art Grund­ton (Es wäre dem­nach sub­dom­i­nan­tisch bzw. neapoli­tanisch; A wäre dom­i­nan­tisch).

Schon der fün­ftönige alterierte Akko­rd im ersten Takt lässt spätro­man­tis­che tonale Musik er­warten; das Stück nutzt Tonal­ität für Nos­tal­gie, die Erin­nerung an eine Zeit von Walz­er tan­zenden Rosenkava­lieren. Sobald aber die pen­ta­tonis­chen Sex­tolen auf­tauchen (T. 6 und 7), assozi­iert man tra­di­tionelle japanis­che Musik. Und so klin­gen in dem kurzen Stück verschie­dene west­liche und östliche Ton­ma­te­ri­alien ineinan­der.

Klavier­schüler und -schü­lerin­nen ler­nen mit diesem Walz­er das Miteinan­der ver­schieden­er musikalis­ch­er Sphären ken­nen. Die Akko­rd­typen und -fol­gen sind geeignet, auszupro­bieren, wie sich Expres­siv­ität und ein nos­tal­gis­ches Gefühl in den Anschlag leg­en lassen.

Mai von Toshio Hosokawa (* 1955)[19]

Toshio Hosokawa studierte Kom­po­si­tion, zunächst in Tokio, danach in West­ber­lin an der Hochschule der Kün­ste bei Isang Yun (1917–1995) und in Freiburg an der Hochschule für Musik bei Klaus Huber (1924–2017). Vieltönige Vorschläge gehören zu den bevorzugten Stil­mitteln Hosokawas und er hand­habt sie vir­tu­os. Schon Yun ver­wen­dete gern mehr als einen oder zwei Vorschlagstöne. Doch bei Hosokawa ist die Zahl an Tönen, die sich auf einen fol­genden Ton beziehen, manch­mal extrem hoch. Ähn­lich wichtig wie Yun dürfte Takemit­su für Hosokawa gewor­den sein, speziell dessen Vor­liebe für die acht­tönige Halbton-Ganz­ton­leit­er. Aus dieser okta­tonis­chen Skala (bzw. aus Mes­si­aens zweit­em Modus) schöpft Hosokawa die Ton­vor­räte, mit denen er Melo­di­en, die Har­monik und oft sog­ar die for­male Kon­struk­tion erfin­det. Er lässt die Vor­räte manch­mal unvoll­ständig, manch­mal reichert er sie aber an.

Zu dem Sam­mel­band Dances of Our Time steuerte Hosokawa das Klavier­stück Mai bei. Das japanis­che Wort ‚Mai‘ bedeutet schlicht ‚Tanz‘, nach Hosokawas präzisieren­der Über­set­zung im Unter­ti­tel ‚uralte japanis­che Tanz­musik‘. Genauer bildet laut dem Kom­pon­is­ten die Tanz­musik Seigai­ha die – noch ohne Vorschläge und Okta­tonik ausk­om­mende und rein rhyth­misch-metrisch bes­timmte – Grund­lage dieses Stücks.[20]

A sim­ple melody that express­es the heav­ing of waves on the sea and a rhythm pat­tern at the back­ground of the melody repeat like a sym­bol of the cycle of time from the begin­ning to the end of this music. The monot­o­nous rep­e­ti­tion of melody and rhythm just like min­i­mal music is char­ac­ter­is­tic of Seigai­ha. In my piece for piano, the left hand taps a rhythm pat­tern imi­tat­ing the rhythm of per­cus­sions in Seigai­ha while the right hand repeats the Gagaku style melody with many orna­ments.[21]

Mit dop­pel­ten Tak­t­strichen sind in Mai sechs zumeist acht­tak­tige Teile bere­its im Noten­bild deut­lich voneinan­der abge­gren­zt. Die Tak­tart wird von Anfang bis Ende durchge­hal­ten. Das ist ungewöhn­lich für Hosokawa, denn bei seinen anderen Klavier­stück­en ändert er die Tak­tart oft. Die tra­di­tionelle Musik Japans, auf die sich dieses Klavier­stück bezieht, ken­nt keine drei­zeitigen Metren, wie die Walz­er von Yuasa und Ichiyana­gi sie haben. Mit dem vierzeit­i­gen Metrum, für das sich Hosokawa entsch­ied, wird daher der Rah­men des Lan­desüblichen ein­gehalten. Während es Klavierspieler*innen bei Hosokawas Klavieretü­den manch­mal schwer­fällt festzustellen, ob das Metrum kom­pos­i­torisch über­haupt real­isiert wurde bzw. wohin der Haup­takzent tat­säch­lich fall­en soll, wird die notierte Tak­tart in Mai kom­pos­i­torisch stets deut­lich artikuliert. Den Höhep­unkt erre­icht das Stück in Teil 4. Hier nimmt die Dichte der Klänge zu, und es erscheinen zahlre­iche auch mehrtönige und sog­ar oktavierte Vorschläge. Außer­dem gelangt die rechte Hand jet­zt bis ins höch­ste Klavier­reg­is­ter und der dynamis­che Grad ist eben­falls am höch­sten.

Das Tem­po soll bis zum Ende von Teil 5 durch­weg bei ♪=76 bleiben. In Teil 6 wech­selt es dann aber mehrmals, wird fast dop­pelt so langsam und zum Schluss dop­pelt so schnell wie zuvor, die frühere Strenge lässt nach. Die ersten vier Tak­te von Teil 1 exponieren den Rhyth­mus, sie fungieren damit als Vor­tak­te. Zum eigentlichen Beginn des Stücks wird damit Takt 5, sodass abzüglich des ein­lei­t­en­den Vier­tak­ters acht Tak­te für Teil 1 übrig­bleiben. Von der jew­eils acht­tak­ti­gen Tak­t­menge auch der fol­gen­den Teile weicht lediglich Teil 5 mit seinen sechs Tak­ten ab.

Dem Stück liegt ein dem Tanz Seigai­ha entlehntes rhyth­mis­ches Pat­tern zugrunde, das sich erst im Schlussteil 6 ver­flüchtigt. Das Pat­tern umfasst zwei Tak­te (siehe Noten­beispiel 14). Es tritt in mehreren Vari­anten auf. Gemein­sam ist ihm und seinen Vari­anten, dass die ersten bei­den Schlagzeit­en sämtlich­er Tak­te tat­säch­lich als Achtel artikuliert sind und dass das Pat­tern im zweit­en Takt mit ein­er Achtel­pause endet. Auch die melodis­chen Floskeln, die den Rhyth­mus über­lagern, enden in jedem zweit­en Takt (und manch­mal auch im je ersten) mit ein­er Achtel­pause, weshalb das Stück (bis auf die aller­let­zten Tak­te) regelmäßig in zweitak­tigem Abstand von gemein­samen Pausen durch­schossen ist. Außer­dem bein­hal­tet das Pat­tern min­destens ein bis zwei Sechzehn­tel­paare, die zwis­chen den bish­er undefinierten Posi­tio­nen wech­seln, mithin auf dem drit­ten, vierten oder siebten Achtel des Pat­terns auftreten kön­nen.

Noten­beispiel 14: Toshio Hosokawa, Mai, rhyth­mis­ches Pat­tern und seine bei­den Vari­anten

Das zweitak­tige rhyth­mis­che Pat­tern wird in den ersten Tak­ten zunächst mit bei­den Hän­den gespielt, danach führt die linke Hand es allein aus, wobei die Vari­anten des Pat­terns bevorzugt wer­den: An die Stelle seines let­zten Ach­tels treten zwei Sechzehn­tel­noten (siehe Noten­beispiel 15, T. 6). Die zweite Vari­ante des Pat­terns (T. 7–8, linke Hand) formt dieses zu ein­er melodiear­ti­gen Gegen­stimme der mit Vorschlä­gen verse­henen Ton­rep­e­ti­tio­nen in der recht­en Hand aus.

Noten­beispiel 15: Toshio Hosokawa, Mai, T. 5–8

Die dynamis­chen Angaben wech­seln rel­a­tiv häu­fig. Bei der stärk­sten Dynamik von fff für bei­de Hände am Ende von Teil 4 (T. 36) kann pianis­tisch ein großer Effekt erzielt wer­den. Die leis­es­te dynamis­che Angabe ist ppp im vor­let­zten Takt. Nach dem dynamis­chen Höhep­unkt direkt vor Teil 5 wird das Stück sukzes­sive leis­er, wobei es einzig in Teil 5 geschieht, dass die bei­den Hände dynamisch nicht syn­chron spie­len: In der linken Hand sinkt der dynamis­che Lev­el etwas früher als in der recht­en. Die beschriebene Entwick­lung ist pianis­tisch als Nach­lassen der Span­nung zu real­isieren; sie bere­it­et damit die zunächst abnehmenden Tempo­stufen von Teil 6 vor. Das plöt­zlich sehr schnelle Tem­po und der abrupte Dynamik­wech­sel im let­zten Takt haben daher einen Über­raschungsef­fekt und müssen mit Mut umge­set­zt wer­den.

In keinem anderen Klavier­stück Hosokawas gibt es eine der­art strik­te Tren­nung von Melodie und Begleitung. Der Kern­ton der Melodie wird von Teil zu Teil transponiert. Die acht­tak­tige Melodie des Anfangs (T. 5–12) taucht aber noch ein­mal in der gle­ichen Trans­po­si­tion in Teil 4 auf, nur bleibt sie dort nicht mehr ein­stim­mig, son­dern wird von weit­eren Tönen unter­füt­tert, darunter der Oktave und den jet­zt festzuhal­tenden Vorschlagstö­nen (siehe Noten­beispiel 16). Außer­dem unter­schei­det sich der melodis­che Ver­lauf in den vierten und acht­en Tak­ten der bei­den Teile, wobei im Wesentlichen die Töne a’’ und es’’ gegeneinan­der aus­ge­tauscht wer­den.

Noten­beispiel 16: Toshio Hosokawa, Mai, T. 29–32

Pro Vier­tak­t­gruppe wird der Kern­ton der Melodie transponiert: von a’’ in den Tak­ten 5–8 ab­wärts nach es’’ (T. 9–12), c’’ (T. 13–16) bis nach es’ (17–20). Dann nehmen die Zeitab­stände der Trans­po­si­tio­nen ab. In den Tak­ten 21–22 ist fis der Kern­ton, der zum es in Takt 24 über den Ton e absinkt, einen hier durch­gangsar­tig wirk­enden Ton, denn sämtliche anderen Kern­töne gehören zur Achse des ver­min­derten Sep­takko­rds fis–a–c–es.

Früher bloße Neben­töne wirken im Ver­lauf wichtiger: In Takt 20 notiert Hosokawa auf dem drit­ten Schlag eine Tri­ole (siehe Noten­beispiel 17), während die gle­ichen Töne der drit­ten Schlagzeit zuvor (in T. 12) als Vorschläge geschrieben waren.

Noten­beispiel 17: Toshio Hosokawa, Mai, T. 20

Die Melo­di­en enthal­ten zahlre­iche ein­stim­mige, in Teil 4 sog­ar mehrstim­mige Vorschläge. Eine Ratio für diese Vorschläge lässt sich nicht aus­machen. Hosokawa bevorzugt für sie aber bes­timmte Töne, wie ein Ver­gle­ich der Tak­te 7–12, 17–20 und 31–35 zeigt. So wie die Kern­töne sind auch die Vorschläge transponiert, allerd­ings nicht kon­se­quent. Die Vorschläge des’’/cis’’–es’’–e’’ in Takt 15 und b’–a’–g’ in Takt 16 sind Klein­terz­trans­po­si­tio­nen des zweit­en Vorschlags in Takt 11 und des Vorschlags in Takt 12. Die Vorschlagstöne (plus Ziel­ton) von Takt 45 sind im fol­gen­den Takt wiederum eine kleine Terz abwärts transponiert (und um zwei Töne ver­mehrt), auch dies­mal wer­den aus Vorschlä­gen auf den Schlag zu spie­lende, sozu­sagen gültige Töne (siehe Noten­beispiel 18), ein Unter­schied, der pianis­tisch entsprechend her­auszubrin­gen ist.

Noten­beispiel 18: Toshio Hosokawa, Mai, T. 45–46

Für die Wahl der Vorschlagstöne spielt der ver­min­derte Sep­takko­rd der Kern­töne fis–a–c–es eine Rolle, wie das Stück ins­ge­samt deut­lich mit ein­er zu diesem Sep­takko­rd gener­ier­baren okta­tonis­chen Skala kom­poniert ist. Aus­nah­men davon tauchen vor allem in der linken Hand auf, die in den ersten vier Tak­ten (sowie bisweilen später im Stück) ein tiefes chro­ma­tis­ches Clus­ter zu repetieren hat, sodass auch Töne außer­halb der Okta­tonik vorkom­men. Bezeich­nend ist, dass Hosokawa dieses Clus­ter als aus den drei Töne A₂–C₁–Es₁ gebildet notiert, sozusagen als bloße Auf­fül­lung des okta­tonis­chen Gerüsts. In der fol­gen­den Vier­tak­t­gruppe (T. 5–12) erscheint das Clus­ter eine Oktave höher, den­noch in ein­er Lage, die einen dumpfen Klang ergibt, jet­zt okta­tonisch gefiltert zu den Tönen A–B–c–des–es (siehe Noten­beispiele 15 und 16).

In den vier Tak­ten der zweit­en Hälfte von Teil 2 (T. 17–20) wird die erste Vari­ante des rhyth­mischen Pat­terns von der recht­en Hand über­nom­men, wobei die Ober­stimme als vari­ierte Spiegelungs­form der halb­melodis­chen Aus­gestal­tung des Pat­terns betra­chtet wer­den kann, das die linke Hand in Takt 7 (und aber­mals in T. 11 und 15) spielt. Die Bewe­gungsrich­tung ist umgekehrt, eben­so die Inter­vall­folge von Ganz- und Halbton­schrit­ten (siehe Noten­beispiel 15 und 19).

Noten­beispiel 19: Toshio Hosokawa, Mai, T. 17

Die durchgängige rhyth­mis­che Bewe­gung ist angeregt von Tanzschrit­ten aus Bugaku sowie aus dem Nō-The­ater. Assozi­iert wer­den solche Schritte ins­beson­dere mit der auf bei­den Seit­en mit Stöck­en anzuschla­gen­den zylin­drischen Dop­pelfell­trom­mel Kakko (in Bugaku) sowie mit der mit bei­den Hän­den zu spie­len­den San­duhrtrom­mel Tsuzu­mi (in der japanis­chen tra­di­tionellen Musik Nōgaku). Dass das rhyth­mis­che Pat­tern (bis auf die Schlusstak­te) un­unterbrochen durch­läuft, ver­stärkt den stren­gen archais­chen Charak­ter. Die Melodie hat Merk­male jen­er Melo­di­en, die typ­is­cher­weise von den japanis­chen Blasin­stru­menten Hichiri­ki oder Ryute­ki gespielt wer­den. Aber es gibt auch eine melodis­che Anspielung auf den Titel des Petrush­ka Projects, für das die Kom­po­si­tion ent­stand, näm­lich auf ein Klar­inet­ten­so­lo im vier­ten Tableau von Straw­in­skys Bal­lett (1911), wo ein Bauer eine Schalmei bläst und der Bär ihm auf den Hin­ter­tatzen hin­ter­her­tanzt.[22] Auf die Danse russe, deren Musik Straw­in­sky dem Bal­lett für das erste der Trois mou­ve­ments de Pétrouch­ka (1921) ent­nahm und die er zu einem vir­tu­osen Klavier­stück umformte, bezieht sich aber generell Hosokawas Schreibart mit einem (sog­ar rhyth­misch ver­wandten zweitak­ti­gen) Pat­tern.

Über dieses Stück gewin­nen Klavierschüler*innen Erfahrung mit deko­ra­tiv­er Melodik, unter der ein Rhyth­mus mit hartem Klang unbeir­rt festzuhal­ten ist – ins­ge­samt in der Atmo­sphäre archais­ch­er japanis­ch­er Musik (bzw. dessen, was man heute dafür hält). Zugle­ich ist Mai geeignet, in Eigen­schaften neuer­er Musik einzuführen, darunter speziell von Musik aus ständig wieder­holten Pat­terns – ähn­lich gewis­sen Rich­tun­gen der Min­i­mal Music. Auch das Spiel von Clus­tern kann mit Mai geübt wer­den.

Diesen Kuss der ganzen Welt von Atsuhiko Gondai (* 1965)[23]

Der 1965 in Tokio geborene Atsuhiko Gondai studierte Kom­po­si­tion an der Toho Gakuen Uni­versität sein­er Heimat­stadt und set­zte sein Studi­um 1990 bis 1992 an der Freiburg­er Musik­hochschule bei Klaus Huber fort. Während eines anschließen­den Aufen­thalts in Paris wid­mete er sich bis 1995 am IRCAM inten­siv der Com­put­er­musik, u.a. unter Anleitung von Philippe Manoury (* 1952). Gondai ist auch als Kirchenor­gan­ist tätig. Das Stück, das er zu dem Petrush­ka Project beis­teuerte, weist deut­liche Bezüge zur europäis­chen Musik­tra­di­tion auf, hier expliz­it zu Beethoven, wie bere­its der Titel kund­tut. Abge­se­hen vom Titel, der rup­pi­gen Gestik und unsteten Dra­maturgie des Stücks wird die Assozi­a­tion ‚Beethoven‘ ins­beson­dere durch die Rep­e­ti­tio­nen des Zen­tral­tons e aus­gelöst, die stark an die Rep­e­ti­tio­nen des Tons a im let­zten Satz von Beethovens 9. Sym­phonie erin­nern.

Es ist nicht leicht erken­nen, aus wie vie­len Teilen das Stück beste­ht. Von den Charakter­bezeichnungen her dürfte es in vier Teile zu gliedern sein (Teil 2 ab Takt 39 – begin­nend mit leg­giero –, Teil 3 ab Takt 92 – begin­nend mit dolce – und Teil 4 ab Takt 152 – wieder mit dolce begin­nend und in lega­to überge­hend). Bis Takt 83 bleibt das Stück ein- bis zweis­tim­mig, und gele­gentlich leicht aufge­füllt kehrt diese Tex­tur ab Takt 121 bis zum Ende in Takt 197 zurück. In Teil 3 bes­tim­men durch­weg Gegen­be­we­gun­gen der Hände die Tex­tur. Im Herzen des Stücks taucht nun die sechsstim­mige akko­rdis­che Ausle­gung ein­er dolce zu spie­len­den Melo­die auf. Vier­mal hebt diese „süße“ Melodie an (T. 92, 98, 106, 116), bis die Musik schließlich aus­rastet und sechs­mal simul­tan in die Extreme der Klavier­tas­tatur hinein­rast.

Für den zweit­en und den vierten Teil benutzt Gondai eine Zwölfton­rei­he.[24] Nur die Grun­drei­he ohne Trans­po­si­tion wird ver­wen­det, abge­spult mit je drei Tönen pro Takt, sodass jede Zwölf­tonreihe vier Tak­te braucht. Die Rei­hen­folge der drei Töne bleibt tak­t­in­tern unbes­timmt bzw. wech­selt, und wo die Rei­he nicht ein­stim­mig abläuft, begleit­et sie sich ohne zeitliche Verschie­bung sel­ber, nur mit tak­t­in­tern­er Ver­tauschung der drei Töne pro Seg­ment (siehe Noten­beispiel 20). Eine weit­ere aus­ge­sprochen mech­a­nis­che Art, dem Rei­hen­ablauf ein­er Hand in der anderen etwas hinzuzufü­gen, beste­ht darin, dass ihm tak­tweise chro­ma­tisch steigende Moll­dreik­länge unter­legt wer­den (T. 177–184).[25] Dass es Dreik­länge sind, die Gondai hier nutzt, kon­trastiert keineswegs zum rei­hen­tech­nis­chen Prinzip, denn die dre­itöni­gen Reihen­segmente beste­hen selb­st bere­its aus tonalen oder tonal deut­baren Akko­r­den: das erste Drei­tonsegment aus einem cis-Moll-Dreik­lang, das dritte und vierte aus unvoll­ständi­gen Domi­nantseptakkorden auf d und f, jew­eils ohne Quinte; nur das zweite Seg­ment aus den Tönen g–b–h kön­nte ohne Aufwand aton­al einge­set­zt wer­den, doch liegt es nahe, es im hier gege­benen Kon­text als unvoll­ständi­gen g-Dur-Moll-Dreik­lang (ohne Quinte) zu nehmen.

Noten­beispiel 20: Atsuhiko Gondai, Diesen Kuss der ganzen Welt, T. 75–83

Die Metrono­mangabe ist ♪=60–72, sie bleibt über das gesamte Stück hin­weg unverän­dert. Es kom­men auss­chließlich dreizeit­ige Metren vor; Gondais Reper­toire reicht hier von 3/2 bis 3/64. Am Werk­be­ginn wird der Grund­puls immer hal­biert; das Stück begin­nt mit 3/2, es fol­gen also 3/4, 3/8 usw. Anschließend läuft diese Abfolge der Tak­tarten rück­wärts, wobei das Reper­toire an Dreier­me­tren nicht immer voll abgeschrit­ten wird. Dieser Prozess wieder­holt sich mehrfach.

Angaben für aggres­sive Artiku­la­tio­nen und extreme Dynamik tauchen in dem Stück sehr oft auf. Die jew­eils ersten Schlagzeit­en von Teil 1 wer­den mit einem Tenu­toze­ichen, einem Keil, einem Akzent oder mit unter­schiedlichen Arten von Sforza­to verse­hen. Im Abschnitt mit der gespreizten Oktavbe­we­gung (T. 121–139) sind die Akzente qua­si hemi­olisch auf zweitönige Ton­grup­pen geset­zt (siehe Noten­beispiel 21).

Noten­beispiel 21: Atsuhiko Gondai, Diesen Kuss der ganzen Welt, T. 120–123 (Das obere Sys­tem ste­ht im Vio­lin­schlüs­sel, das untere im Basss­chlüs­sel.)

Der Ton­um­fang des Stücks reicht bis zur tief­sten und höch­sten Klavier­taste, diese wer­den oft gle­ichzeit­ig gespielt. Zen­traler Ton der Tas­tatur[26] ist für Gondai das e’, und als Zen­tral­ton des Stücks ist dieser Ton im Ver­lauf mit den dynamis­chen Extremen vom fünf­fachen forte bis zum dreifachen piano anzuschla­gen.[27] Anders als in Hosokawas Mai wird der Zen­tral­ton in Gondais Stück nicht durch Vorschläge aus­geziert (wom­öglich zur Ver­mei­dung ostasi­atis­ch­er An­klänge), und während Hosokawa die Kern­töne in Mai niemals ohne Zwis­chen­töne repetiert, ist die direk­te Rep­e­ti­tion des Zen­tral­tons bei Gondai all­ge­gen­wär­tig (vielle­icht in Anspielung auf die wenige Jahre vor Beethovens Tod erfun­dene Rep­e­ti­tion­s­mechanik des Erard-Flügels und natür­lich auf entsprechende Pas­sagen in Beethoven späten Klavier­son­at­en). Ein weit­er­er Unter­schied zwis­chen Hosokawa und Gondai ist die Anzahl der Zen­tral- bzw. Kern­töne. Wäh­rend Hosokawa mehrere zen­trale Töne ein­set­zt, beschränkt Gondai sich auf einen.

Die flir­ren­den und wüten­den Pas­sagen von Gondais Stück basieren oft auf der tak­tweise stei­genden oder fal­l­en­den chro­ma­tis­chen Skala oder auf der Ganz­ton­leit­er (siehe z.B. in T. 5–18 die je tief­sten Töne der Tak­te, gefol­gt von ein­er Ganz­ton­leit­er bis T. 23). Gondais Stück ste­ht in a-Moll: Es begin­nt mit einem a-Moll-Dreik­lang, bei den Übergän­gen von Teil 1 nach 2 und von Teil 2 nach 3 sind mehrfach a-Moll-Dreik­länge anzuschla­gen, und selb­st die Zwölfton­rei­he, mit der das Stück endet, macht den Schluss nicht etwa aton­al, denn zum einge­blende­ten Zen­tral­ton e’ hält die Rei­he ein­fach bei ihrem neun­ten und zehn­ten Ton inne (d.s. c’’’’ und A2), wieder dem tief­sten und höch­sten der Klavier­tas­tatur – und wieder zusam­men ein a-Moll-Drei­k­lang. Gondais Stück ist so wenig ein Tanz, wie Beethovens Vari­a­tio­nen über Dia­bel­lis Walz­er noch walz­er­ar­tig waren. Der Ver­lag hat­te bei Gondai um einen Tanz als Beitrag zu dem Sam­melband ange­sucht, und Gondai leis­tete sich die Frei­heit, die Bestel­lung im Sinne Beethovens auszuführen.

Der Anfang, der Über­gang zur dolce-Melodie und das Ende des Stücks sind leise und ruhig. Sein Charak­ter wäre für die meis­ten Stellen aber als impul­siv und stör­risch zu beschreiben. Der unver­mit­telte Wech­sel von Ton­sprün­gen mit aggres­siv­er Artiku­la­tion und sehr hohem dynamis­chem Grad hin zu den ruhi­gen Pas­sagen stellt eine beson­dere Her­aus­forderung beim Spiel des Stücks dar. Für das Erler­nen von Vir­tu­osität und ener­gis­chem Spiel eignet sich das Stück gut. Viel schwieriger als schnelle Pas­sagen, große Sprünge und kräftiger Anschlag ist aber der schnelle Wech­sel des Aus­drucks bzw. der Laune. Für die Bewäl­ti­gung dieses Stück muss ein mehrjähriger Unter­richt voraus­ge­set­zt wer­den.

Faz­it

Die vier am Petrush­ka Project beteiligten japanis­chen Kom­pon­is­ten hat­ten eine sehr unter­schiedliche musikalis­che Aus­bil­dung, die zwar schon lange zurück­lag, als sie ihre Werke zum The­ma „zeit­genös­sis­ch­er Tanz“ ein­re­icht­en. Dass Yuasa, Ichiyana­gi, Hosokawa und Gondai zu höchst unter­schiedlichen Lösun­gen fan­den, mag den­noch zum Teil von ihrer musikalis­chen Prä­gung während der Stu­dien­zeit her­rühren. Gle­ich­wohl gibt es einige Gemein­samkeit­en, bei­spielsweise Yuasas und Ichiyanagis Vor­liebe für Sep­takko­rde. Bei Hosokawa und Gondai sind es hinge­gen zen­trale Töne, die sich in den Werken bei­der find­en, wobei sich der Umgang der Kom­pon­is­ten mit diesen Zen­traltö­nen doch erhe­blich unter­schei­det. Abge­se­hen von Allge­meinplätzen ostasi­atis­ch­er Musik wie den anhemi­tonisch-pen­ta­tonis­chen Melodi­eschnipseln in Ichiyanagis feier­lichem Waltz, tritt spez­i­fisch japanisch Klin­gen­des eigentlich nur in Hosoka­was Mai in Erschei­n­ung. Dessen Ver­mei­dung durch die anderen Kom­pon­is­ten mag damit zu tun gehabt haben, dass Peter Hanser-Streck­er ein Deutsch­er ist und die japanis­chen Kompo­nisten der Musik aus der Heimat des Beschenk­ten eine Ref­erenz erweisen woll­ten.

Der Alter­sun­ter­schied zwis­chen den Kom­pon­is­ten beträgt bei Yuasa sowie Ichiyana­gi und Hosokawa cir­ca 25 Jahre, zwis­chen den Geburt­s­jahren von Hosokawa und Gondai liegen 10 Jahre. Dass sie ver­schiede­nen Kom­pon­is­ten­gener­a­tio­nen ange­hören, lässt sich im konkreten Fall weniger an der Rolle der japanis­chen Tra­di­tion für ihr Kom­ponieren able­sen, dafür aber vielle­icht an ihrem Ver­hält­nis zur Tonal­ität.  Auf die Geis­teswelt ihres Lan­des hat­ten sich japa­nische Kom­pon­is­ten spätestens seit den 1970er Jahren bezo­gen, vielle­icht als Reak­tion auf Cage und anknüpfend an Takemit­sus Bild davon, dass in japanis­ch­er Musik der Klang ver­tikal sei, wie ein Baum. Die Stücke von Yuasa und Ichiyana­gi sind aber tonal und ger­at­en damit in einen Zeit­strom von Vor- und Nach­her hinein, das gilt ins­beson­dere für das Stück des ersteren. Tonale Ele­mente hört man in Hosokawa Stück kaum, es sei denn eine okta­tonis­che Pantona­lität, in diesem Fall gegrün­det auf dem Ton a. Bei Gondai ist es hinge­gen eher eine spez­i­fis­che Art der dis­tanzierten spielerischen Post­tonal­ität. Anklänge an tra­di­tionelle japanis­che Musik sind bei Hosokawa expliz­it, bei Ichiyana­gi aber eher sub­ku­tan. Wie erwäh­nt, beziehen sich andere Stücke von Yuasa dur­chaus auf die japanis­che Tra­di­tion, vor allem jene Stücke, die der Kom­pon­ist der Kat­e­gorie nar­ra­tiv­er Kom­po­si­tio­nen zuord­nen würde. Das vor­liegende Stück lässt ver­mut­lich keine Gen­er­al­isierung zu. Auch dass es in Gondais Stück keine Refe­renzen auf die japanis­che Tra­di­tion gibt, darf nicht für sein Schaf­fen ins­ge­samt gen­er­al­isiert wer­den, denn dieser hat beispiel­sweise für japanis­che tra­di­tionelle Instru­mente kom­poniert. Um die Ergeb­nisse der Analy­sen zu ergänzen, sind kün­ftige Unter­suchun­gen von Stück­en der jew­eili­gen Kom­pon­is­ten nötig.

Obwohl hier nur vier von ins­ge­samt 75 Kom­po­si­tio­nen des Sam­mel­ban­des besprochen wur­den, eröff­nen sich mit jed­er einzel­nen von ihnen doch bere­its zahlre­iche klavier­päd­a­gogis­che Aspek­te. Wer nimmt diesen Sam­mel­band zur Hand bzw. wofür wird er einem emp­fohlen? Was ver­spricht man sich von ihm? Wahrschein­lich ist es in den meis­ten Fällen so, dass man sich nur für einen bes­timmten Kom­pon­is­ten oder eine bes­timmte Kom­pon­istin, vielle­icht sog­ar nur für ein einiziges Stück aus dem Band inter­essiert. Doch bietet er die Chance, mit zeit­gnös­sis­ch­er Klavier­musik und mit ver­schiede­nen Musik­tra­di­tio­nen ver­traut zu wer­den und dabei unter­schiedliche neuere Kom­po­si­tions- und Spiel­tech­niken ken­nen­zuler­nen. Weil die einzel­nen Stücke rel­a­tiv kurz und kom­pakt sind, lässt sich die musikalis­che Machart leicht überblick­en. Es han­delt sich um Gele­gen­heitsstücke, Stücke, die – wenn nicht als Zugabe – für eher fröh­liche Feste und Feiern geeignet sind. Auch aus diesem Grund eignen sich die Tänze des Petrush­ka Project nicht nur für Klavier­schüler und -schü­lerin­nen, son­dern für Ama­teure, Lieb­haber, Dilet­tan­ten, vielle­icht sog­ar beson­ders für Laien, die mehr für sich spie­len als für andere.

 

 

Ver­wen­dete Noten und Auf­nah­men zum Petrush­ka Project

Gondai, Atsuhiko: Diesen Kuss der ganzen Welt, Schott, Mainz 2012. Auf YouTube gespielt von Christo­pher McK­ig­gan, https://www.youtube.com/watch?v=qZlzH5DijJY (Stand: 20.10. 2023).

Hosokawa, Toshio: Mai, Schott, Tokyo 2012. Auf YouTube gespielt von Ves­tard Shimkus, https://www.youtube.com/watch?v=b3MaK4d-gvA (Stand: 20.10.2023).

Ichiyana­gi, Toshi: Walz Solem­ni­ty, Schott, Mainz 2012. Auf YouTube gespielt von Tom Poster, https://www.youtube.com/watch?v=M3w7n-_K3KQ (Stand: 20.10.2023).

Yuasa, Joji: Walz­er from the Bal­let „Cir­cus Vari­a­tion”, Schott, Mainz 2012. Auf YouTube gespielt von Michael Brown: https://www.youtube.com/watch?v=MkmGpdnCFb8 (Stand: 20.10.2023).

Lit­er­atur

Adachi, Tomo­mi: „John Cage Shock“ in the 1960s and the ques­tion of ori­en­tal­ism, in: Cage & Con­se­quences, hrsg. von Julia H. Schröder und Volk­er Straebel, Hofheim/Taunus (Wolke) 2012, S. 165–167.

Hosokawa, Toshio/ Spar­rer, Wal­ter-Wolf­gang: Stille und Klang, Schat­ten und Licht. Gespräch mit Wal­ter-Wolf­gang Spar­rer, Hofheim 2012. Japanis­che Aus­gabe: 細川俊夫 音楽を語る 静寂と音響 影と光 (Hosokawa Toshio Ongaku wo kataru sei­jaku to onky­ou, kage to hikari) über­setzt von Nobuyu­ki Kaki­gi, Tokio 2016.

Rost, Hen­rike: Musik-Stamm­büch­er. Erin­nerung, Unter­hal­tung und Kom­mu­nika­tion im Europa des 19. Jahrhun­derts, Wien u.a. 2020

Sasa­ki, Maiko: Trio Web­ster: Toshi Ichiyanagi’s Fusion of West­ern and East­ern Music (The­sis for DMA), Rice Uni­ver­si­ty, Houston/Texas 2012, https://core.ac.uk/download/10175415.pdf (Stand: 20.10.2023).

Ueda, Yuko (2021): Analyse und Inter­pre­ta­tion der Stücke für Klavier solo von Toshio Hosokawa, Ph.D., Uni­ver­sität für Musik und darstel­lende Kun­st Wien (mdw) 2021.

Inter­netquellen

Anonym: Glos­sar des Beethoven-Haus­es Bonn. Archiv — Beethoven-Haus Bonn (Stand: 10.10.2023).

Anonym: Inter­view mit Joji Yuasa (2008),

https://www.piano.or.jp/report/02soc/pmj/2008/05/26_7461.html (Stand: 20.10.2023).

Anonym: Infor­ma­tio­nen über Gagaku und Bugaku,

https://www2.ntj.jac.go.jp/dglib/contents/learn/edc8/deao/gagaku/chusyaku.html (Stand: 20. 10.2023).

Hus­tle Copy: Infor­ma­tio­nen (jap.) zu Joji Yuasa Bal­lett Cir­cus Vari­a­tion,

https://www.hustlecopy-store.com/shopdetail/000000000695/ (Stand: 20.10.2023).

Jikken Kōbō (実験工房), Artikel Wikipedia (englisch),

https://en.wikipedia.org/wiki/Jikken_K%C5%8Db%C5%8D (Stand: 20.10.2023).

Joji Yuasa (湯浅 譲二), Artikel Wikipedia (japanisch):

https://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%B9%AF%E6%B5%85%E8%AD%B2%E4%BA%8C (Stand: 20.10.2023).

Pro­ject­Petrush­ka, YouTube-Kanal. https://www.youtube.com/ProjectPetrushka (Stand: 30.11.2023)

Schottmu­sic: Infor­ma­tio­nen zu dem Sam­mel­band Dances of Our Time. https://www.schott-music.com/de/dances-of-our-time-no305681.html (Stand: 20.10.2023).

Schottmu­sic: Nekrolog für Toshi Ichiyana­gi (2022).

https://www.schottjapan.com/news/2022/221012_181100.html (Stand: 20.10.2023).

Sudo, Eiko: Inter­view mit Joji Yuasa (2008).

☆インタビュー第6回 湯浅譲二先生 | ピアノ曲­MadeIn­Japan | ピティナ・ピアノホームページ (piano.or.jp) (Stand: 20.10.2023).

 

Weit­ere Auf­nah­men

Taki, Rentarō: Menuett h-Moll, gespielt von Eiko Sudoh,

https://www.youtube.com/watch?v=HQFtsQPy83Q (Stand: 20.10.2023).

Taki, Rentarō: Menuett h-Moll, gespielt von Kat­su­ta­ka Tsut­sui, https://www.youtube.com/watch?v=df6lqpd5n0U (Stand: 20.10.2023).

 

Yuko Ueda, geboren 1988 in Hiroshi­ma, ist seit 2020 Dozentin für Klavier an der Yasu­da Women’s Uni­ver­si­ty in Hiroshi­ma. Sie studierte Klavier an der Uni­ver­sität für Musik und dar­stellende Kun­st Wien (2004–13), ein Dok­toratsstudi­um über die Werke für Klavier solo von Toshio Hosokawa schloss sich an (Abschluss mit der Defen­sio im Novem­ber 2021). 2019 hielt sich Ueda mit einem Dok­toran­den-Stipendi­um am Staatlichen Insti­tut für Musik­forschung Berlin (SIM) auf. Musik­wis­senschaftliche und musikpäd­a­gogis­che Vorträge und Pub­lika­tio­nen. Ihre Konz­ert­pro­gramme wid­met sie neben der Musik des Barocks und der Wiener Klas­sik ins­besondere dem franzö­sis­chen Impres­sion­is­mus und zeit­genös­sis­chen japanis­chen Werken.

 


[1] Angepasst an die Schreib­weise, die von den japanis­chen Kom­pon­is­ten der besproch­enen Werke in internationa­len Kon­tex­ten bevorzugt wird, sind deren Namen in diesem Beitrag in der Rei­hen­folge gegeben­er Name (Vor­name) – Fam­i­li­en­name (Nach­name) ange­führt.

Dieser Auf­satz geht auf einen Vor­trag zurück, den die Ver­fasserin – mit dem Fokus auf der Beschrei­bung von Satztech­niken – am 19. August 2021 im Rah­men der 37. Tagung der Hiroshi­ma Soci­ety for Sci­ence of Arts in der Aula des Hiroshi­ma Pre­fec­tur­al Art Muse­ums gehal­ten hat.

Bis auf Noten­beispiel 14 sind sämtliche Noten­beispiele dieses Auf­satzes Repro­duk­tio­nen nach den Note­naus­gaben des Schott-Ver­lags.

[3] Musikalis­che Fre­und­schaft­sal­ben bzw. Musik-Stamm­büch­er enthiel­ten gele­gentlich auch Tänze; vgl. beispiels­weise die von Stephen Heller in ein Album für Char­lotte Moscheles (wohl 1845) einge­tra­gene Valse sans fin. Abbil­dung in Rost, 296.

[4] Ebd., unter „Pro­duk­tions­de­tails“ → „Beschrei­bung“.

[5] Vgl. die Kurz­in­for­ma­tio­nen zum Pro­ject­Petrush­ka auf der Web­seite des zum Pro­jekt gehören­den YouTube-Kanals.

[6] Die Namen von Straw­in­skys Stück­en wer­den hier in der franzö­sis­chen Schreib­weise der Erstaus­gaben wieder­gegeben; der Name des Kom­pon­is­ten wird so aus dem Kyril­lis­chen transli­teriert, wie der Schott-Ver­lag es bei seinen Straw­in­sky-Aus­gaben tut.

[7] Vgl. Anonym, Glos­sar des Beethoven-Haus­es Bonn. Der Artikel ‚Gat­tung‘, auf den das Glos­sar ver­weist, ste­ht in der alten MGG (= MGG 1), Bd. 4, Kas­sel und Basel 1955 (Bären­re­it­er-Ver­lag), Spal­ten 523–556. Bezug genom­men wird hier auf den Abschnitt I (Form in der Musik, Spal­ten 523–538 des Artikels). Der Autor dieses Abschnitts war Friedrich Blume.

[8] Eine Auf­nahme von Takis Menuett in h-Moll mit der Pianistin Eiko Sudoh ist über YouTube zugänglich. Eine weit­ere, eben­falls auf YouTube zugängliche Auf­nahme des­sel­ben Stücks mit dem Pianis­ten Kazu­ta­ka Tsut­sui wurde auf einem his­torischen Bösendor­fer-Flügel einge­spielt. Das Menuett ent­stand möglicher­weise im Kon­text des Unter­richts, den Taki in Tokio bei dem deutsch-rus­sis­chen Philosophen und Musik­er Raphael von Koe­ber nahm.

[9] Eine im Rah­men des Petrush­ka Project von Michael Brown einge­spielte Auf­nahme des Stücks find­et sich auf YouTube (siehe das Verze­ich­nis im Anhang dieses Auf­satzes).

[10] Grundle­gende Infor­ma­tio­nen über die Kün­st­ler­gruppe Jikken Kōbō (実験工房) sind dem entsprechen­den (eng­lischen) Wikipedia-Artikel zu ent­nehmen.

[11] Inter­view mit einem nicht genan­nten Gesprächspart­ner auf der Web­site eines japanis­chen Klavier-Ver­ban­des, Auszüge aus dem Inter­view hier über­set­zt von der Ver­fasserin dieses Beitrags.

[12] Vgl. dazu die kurze Beschrei­bung des Bal­letts und seines Schaf­fen­skon­textes auf der Seite des Noten­ver­triebs Hus­tle Copy (jap.).

[13] Wie das am Ende des As-Dur-Teils angegebene da Capo al Coda zu ver­ste­hen ist, ist nicht ein­deutig. Auf der genan­nten Ein­spielung von Michael Brown fehlt das da Capo.

[14] Eine im Rah­men des Petrush­ka Project von Tom Poster einge­spielte Auf­nahme von Ichiyanagis Stück find­et sich auf YouTube (siehe das Verze­ich­nis im Anhang dieses Auf­satzes).

[15] Maiko Sasa­ki, Trio Web­ster: Toshi Ichiyana­gi’s Fusion of West­ern and East­ern Music, S. 2.

[16] Vgl. dazu u.a. auch: Tomo­mi Adachi, „John Cage Shock“ in the 1960s and the ques­tion of ori­en­tal­ism.

[17] Sasa­ki, S. 21.

[18] Vgl. für die Schluss­wirkung der mit Fer­mat­en verse­henen Klänge in Takt 12 die Ein­spielung des Stücks durch Tom Poster.

[19] Dieser Abschnitt des Auf­satzes rekur­ri­ert auf Pas­sagen aus der 2021 von der Ver­fasserin an der Uni­ver­sität für Musik und darstel­lende Kun­st Wien (mdw) ein­gere­icht­en Dis­ser­ta­tion: Yuko Ueda, Analyse und Inter­pre­ta­tion der Stücke für Klavier solo von Toshio Hosokawa, S. 38–39 sowie S. 107–121.

Eine im Rah­men des Petrush­ka Project von Ves­tard Shimkus einge­spielte Auf­nahme des hier besproch­enen Stücks find­et sich auf YouTube.

[20] Der tra­di­tionelle Tanz Seigai­ha, den Hosokawa im Kon­text dieses Klavier­stücks erwäh­nte, gehört zu der Gagaku-Musik Bugaku. Zwei Arten von Bugaku lassen sich unter­schei­den: Neben dem aus sehr alten Zeit­en stam­menden japanis­chen Gesang mit Tanz gibt es noch japanisierte, vom asi­atis­chen Kon­ti­nent einge­führte und eben­falls Sei­gaiha genan­nte Tänze, begleit­et mit eben­falls von dorther einge­führten Instru­menten. Prak­tiziert wur­den diese Kun­starten haupt­säch­lich bei Hofe, bei aris­tokratis­chen Gesel­ligkeit­en sowie in Tem­peln und Schreinen. Siehe dazu die knap­pen Infor­ma­tio­nen über Gagaku und Bugaku, Anonyme Inter­netquelle.

[21] Siehe die Infor­ma­tio­nen zu Mai auf der YouTube-Seite von Shimkus’ Ein­spielung des Stücks. Der zweite Absatz der Beschrei­bung stammt offen­bar von Hosokawa selb­st, ohne dass dies eigens gekennze­ich­net wäre.

[22] „Le paysan joue le chalumeau – L’ours marche sur ses pattes de der­rière“, 2. Szene im 4. Tableau.

[23] Eine im Rah­men des Petrush­ka Project von Christo­pher McK­ig­gan einge­spielte Auf­nahme von Gondais Stück find­et sich auf YouTube.

[24] In Takt 156 dürfte ein Druck­fehler vor­liegen: Vor der ersten Sechzehn­tel­note des Tak­tes müsste statt des Auf­lösungszeichens ein Kreuz ste­hen (Gis statt G).

[25] Es kommt dabei auch zu simul­ta­nen Oktaven, so in Takt 180 auf dem let­zten Vierund­sechzig­s­tel.

[26] Unter der Taste für e’ liegen 43, über ihr 44 Tas­ten.

[27] ppp in Takt 91, fffff in Takt 141.

  • 31. Dezember 20233. Januar 2025
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