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DRACH von Szczepan Twardoch und Aleksander Nowak. Ein schlesisches Dramma per musica vom Schweine- und von Menschenschlachten[1]

Gesine Schröder

[Beitrag als pdf]

Mit Hil­f­s­gütern beg­ibt sich Szczepan Twar­doch immer wieder von Polen aus an die ukrainis­che Front. Da geschieht heute, was in Twar­dochs 2014 auf Pol­nisch, 2016 auf Deutsch erschie­nenem Roman Drach noch Jahre her war.[2] Drach spielt zwis­chen 1241[3] und 2014 und kön­nte doch zu ander­er Zeit und immer wieder spie­len. Der Ort des Romans ist Ober­schle­sien, aber eigentlich auch Sedan, Ver­dun und andere Orte men­schengemacht­en Unglücks. Aus Satz­fetzen seines Romans erstellte Twar­doch das Libret­to zum gle­ich­nami­gen Dram­ma per musi­ca Drach, die Musik dazu schrieb Alek­sander Nowak. Nowak ist gle­ich alt wie Twar­doch, bei­de wur­den 1979 geboren,[4] bei­de ver­ste­hen sich als Schle­si­er. Nowak leit­et seit 2020 die Abteilung Kom­po­si­tion und Musik­the­o­rie an der Kat­tow­itzer Musikakademie, Twar­doch ist ein Star der pol­nis­chen Lit­er­atur. Uraufge­führt wurde Drach 2019,[5] als ver­mut­lich erste Oper, in der auf Schle­sisch bzw. Schlon­sakisch gesun­gen wird, jen­er vor allem in Ober­schle­sien ver­breiteten Mis­chung aus Pol­nisch, tschechis­chen Ele­menten und eini­gen Ger­man­is­men. Die vom Auk­so­drone Fes­ti­val im ober­schle­sis­chen Tychy beauf­tragte erste Koop­er­a­tion zwis­chen Twar­doch und Nowak bildet mit den Stück­en Syre­na (2020) und Poko­ra (2021) eine Trilo­gie.[6]

Wie kom­poniert man zeit­ge­bun­dene Zeit­losigkeit? Wie kom­poniert man orts­ge­bun­dene Ort­losigkeit? The­ma des Stücks ist die ewige Wiederkehr des Immer­gle­ichen, vorge­führt auf schle­sis­chem Boden. Lit­er­arische und musikalis­che Flash­backs liegen nahe; es kommt zur Absorp­tion älter­er und neuer­er Musik­sorten. Einige dieser Rekurse auf Vorfind­lich­es wer­den in diesem Beitrag exem­plar­isch hin­sichtlich ihres kom­po­si­tion­stech­nis­chen Funk­tion­ierens und ihres dra­matur­gis­chen Sinns disku­tiert. Beim Dram­ma per musi­ca Drach lassen sich die Ele­mente der Rekurse auf zwei Achsen abtra­gen: der Achse von his­torisch­er Nähe und Ferne sowie der gewis­ser­maßen geografis­chen Achse von Lokalem und Über­re­gionalem. Pauschal ist das Stück durch zwei Arten von Rekursen charak­ter­isiert, auf der einen Seite geografisch über­greifende Bezüge auf die europäis­che und zugle­ich his­torisch ent­fer­nte Musiktheater­tradition der frühen Neuzeit, auf der anderen Seite Rück­griffe auf neuere, dies­mal lokale Kom­poniertraditionen, hier auf Musik von jen­em ober­schle­sis­chen Land­strich, an dem das Stück spielt.

Trias des Per­son­als und Trias der Sprachen

Der Ver­mes­sung und Kartierung his­torisch­er und geografis­ch­er Rekurse in Drach seien Bemerkun­gen zu zwei Kon­stel­la­tio­nen voraus­geschickt, die für dieses Dram­ma per musi­ca grundle­gend sind: erstens ein Überblick über dessen Per­son­al und zweit­ens eine Infor­ma­tion zu den Sprachen des Libret­tos. Zum Per­son­al: Die drei Stim­men des Stücks – eine weib­liche (Sopran), eine männliche (hoher Bari­ton) und ein Counter – sind in der Par­ti­tur nicht mit Per­sonennamen, son­dern mit Pik­togram­men für weib­lich, männlich und geschlecht­sneu­tral beze­ich­net und von oben nach unten in der angegebe­nen Rei­hen­folge gelis­tet, also nicht kon­sequent nach der Ton­höhe. Man mag das als Zeichen für das Zurück­treten musik­be­zo­gen­er Regle­ments gegenüber lit­er­arisch-seman­tis­chen sehen – wie es prinzip­iell für das frühe Dram­ma per musi­ca des 17. Jahrhun­derts typ­isch war. Ein­er Eige­nart des im frühen 20. Jahr­hundert entwick­el­ten epis­chen The­aters fol­gt indes, dass die Stim­men von Drach nicht mit seinem Per­son­al iden­tisch sind: Jede Gesangsstimme lei­ht ihre Stimme mehr als ein­er Fig­ur. Die männliche Stimme gehört einem Rehkitz, dem an Seele und Empfind­en kriegslädierten Josef Magn­or und (etwas undeut­lich) wohl auch Niko­dem Geman­der, seinem Nach­fahren in der Gegen­wart. Zu den Fig­uren, die sich die weib­liche Stimme teilen, gehören eine Ricke (die Rehmut­ter), Josefs Mut­ter, seine Geliebte Car­o­line und (etwas undeut­lich) wohl auch seine Frau Vales­ka. Die dritte Stimme iden­ti­fiziert die Par­ti­tur nur mit ein­er Fig­ur, mit Drach, der all­wis­senden schle­sis­chen Erde.[7] Drach ist zugle­ich weib­lich (Mut­ter Erde) und männlich (Vater­land) und darum mit ein­er hybri­den Stimme beset­zt, einem Counter. Der Ver­lag bewirbt das Stück so: Geschrieben von zwei Söh­nen Schle­siens, reduziere Twar­dochs und Nowaks Drach das Schle­sis­che nicht auf seichte Folk­lore, son­dern grabe tiefer, unter der Erde aus Schlamm und Kohle, Liebe und Leichen und in dem kollek­tiv­en Unbe­wussten, wo Drach lebe, ein Geschöpf, das alles sehe, füh­le und höre. Mit Drach wür­den spez­i­fis­che, lokale und ver­traute Orte und Gestal­ten in die uni­verselle Sphäre des Mythos trans­feriert.[8] Das einzeln über Nowaks Home­page zugängliche Libret­to des Stücks gibt der geschlechtsneutra­len Stimme den Dop­pel­na­men Drach-Pin­dur. In Anlehnung an den antiken Chor erzählt und kom­mentiert diese Fig­ur. Der zweite Teil des Dop­pel­na­mens gehört der Roman­fig­ur Josef Pin­dur, einem ver­rück­ten (und deshalb die Wahrheit sagen­den) Greis. Über dreißig Jahre bevor 1906 die eigentliche Geschichte von Drach startet – mit dem Schlacht­en eines Schweins –, war Pin­dur im deutsch-franzö­sis­chen Krieg, Fet­zen ein­er preußis­chen Uni­form hän­gen noch an seinen Gliedern, der Schreck­en des Krieges sitzt ihm in den Gliedern. Eine inter­textuelle, laut­liche Assozi­a­tion mit dem Namen der Fig­ur ist Pin­dar, dessen Oden ja chore­ografierte Kanta­ten aus Worten, Musik und Tanz waren – ein ver­hüll­ter Fin­gerzeig auf die mediter­rane Antike im zweit­en Teil der Trilo­gie, dem ewigen Melo­dram Syre­na.

Voraus­geschickt sei der Erörterung von musikalis­chen Rekursen außer­dem eine Anmerkung zum Ein­satz der drei Sprachen des Libret­tos: Pol­nisch, Schle­sisch und ein klein wenig Deutsch. Die Sprachen sind nicht den Gesangsstim­men zugeteilt, jede der drei Stim­men singt in jed­er der drei Sprachen.[9] Aber die Sprachen gehören (nicht immer ganz deut­lich) doch zu Fig­uren (über deren Stand und Herkun­ft): Wo die weib­liche Stimme das Stadt­mäd­chen Caro­line verkör­pert, singt sie haupt­säch­lich Deutsch, wo sie Josefs Mut­ter ist, singt sie Schle­sisch, so auch dort, wo die weib­liche Stimme die Ricke verkör­pert, neben Hirsch, Rehkitz, Hund, Schwein, Erpel und wohl Drach selb­st eines der Tiere, die im Libret­to vorkom­men: Tiere sind wie Men­schen, heißt es; und weit­er sog­ar: „Der Baum und der Men­sch sind ein und das­selbe“.[10] Das singt die weib­liche Stimme auf Deutsch im Eröff­nung­sterzett von Drach. Die Trias des Per­son­als und die Trias der Sprachen bieten sich für die Verbindung mit drei musikali­schen Stilen an. Nowak nutzt diese Offerte des Libret­tos nicht, stattdessen kom­poniert er eine über das gesamte Stück hin­weg durchge­hal­tene musikalis­che Gegen­wart­sprache, in die unter­schiedlichen Rekurse ein­ge­lassen sind. Mal diese, mal jene ältere Stileige­nart schwappt hoch – je nach drama­tis­chem Ver­lauf.

Zur Trias von Per­son­al und Sprachen passt aber pauschal die musikalis­che Form. Auf eine Zusam­men­fas­sung der Sto­ry von Drach, ein­er das 20. Jahrhun­dert bis in die Gegen­wart des Jahres 2014 überspan­nen­den schle­sis­chen Fam­i­liengeschichte, soll hier verzichtet wer­den, zumal das Libret­to nur noch eine Ahnung von der Geschichte übriglässt, um Atmo­sphärisches einz­u­fan­gen. Viel Gewalt ist im Spiel, viel Poli­tik im Hin­ter­grund. Maßge­blich für Nowaks Aus­wahl musikalis­ch­er Tech­niken dürfte aber das Gen­er­althe­ma gewe­sen sein: die Wiederkehr des Immer­gle­ichen, im Libret­to (wie im Roman) real­isiert mit „Schleifen, Wieder­hol­un­gen und Par­al­lel­monta­gen“.[11] Nowak charak­ter­isierte sein Dram­ma per musi­ca als dre­it­eilig zirkulär.[12] Zwar blieb von den kun­stvollen Zeit­sprün­gen des Romans im viel kürz­eren Libret­to wenig übrig, aber es gibt über Reprisen­for­men das ein­fache musikalis­che Mit­tel der Rück­kehr in den Anfang. Passend zum Gen­er­althe­ma der Wiederkehr kommt zusät­zlich zum kammermusika­lischen Instru­men­tar­i­um ein Loop­er vor. Drach bedi­ent ihn: Der Counter nimmt kurze Ab­schnitte seines eige­nen Gesangs auf und lässt den Loop­er das Aufgenommene mehrfach abspie­len, während er fast ähn­lich weit­ers­ingt, sodass er sich selb­st het­erophon begleit­et.

Gat­tungs­frage: Dram­ma per musi­ca

Nowaks musikalis­che Flash­backs betr­e­f­fen gat­tungs­the­o­retis­che Aspek­te und einzelne Satz­techniken. Wo ich Revi­tal­isierun­gen vom Altem bespreche, die mit der Gat­tung des Dram­ma per musi­ca zusam­men­hän­gen, wer­den einzelne satztech­nis­che Aspek­te ein­be­zo­gen. Wo es um Rück­griffe auf die neuere schle­sis­che Musikgeschichte geht, bleiben Gat­tungs­fra­gen aus­geklammert, nur noch Fra­gen der Tex­tur wer­den erörtert.

Wie Drach tra­gen auch die anderen bei­den Teile der Trilo­gie auf Libret­ti Twar­dochs italieni­sche bzw. pseudolateinis­che Gat­tungs­beze­ich­nun­gen: Syre­na heißt im Unter­ti­tel Melo­dramma aeter­na. Nowak stufte das Stück als (nicht-szenis­che) Ora­to­rien-Kan­tate ein, an ander­er Stelle indes als Oper.[13] Es gibt aber keine Szene­nan­weisun­gen, keine Noti­zen für Büh­nen­bild oder Kostüme. Syre­na ist klein beset­zt: Die nur drei Sänger mit densel­ben Stimm­lagen wie in Drach (Sopran, Bari­ton, Counter) wer­den begleit­et von Sax­o­pho­nen, Gitarre, Kla­vier und Stre­ich­ern. In Poko­ra, dem finalen, als Dram­ma gio­coso klas­si­fizierten Trilo­gi­eteil, sin­gen zwei Stim­men (Sopran und Bari­ton), und mit einem Akko­rdeon und Stre­ich­ern ist er noch etwas klein­er beset­zt.

Auch Drach wird – auf Nowaks Home­page – als Oper geführt, an ander­er Stelle wiederum als Ora­to­rien-Kan­tate („ora­to­ryjno-kan­ta­towe“),[14] wom­it das Stück expliz­it nicht unter die als szenisch beze­ich­neten Stücke aufgenom­men ist (in der Kat­e­gorie „szenisch“ führt Nowak drei andere Werke an). Entsprechend fehlen auch in Drach Szene­nan­weisun­gen und Noti­zen für Kostüme oder Büh­nen­bild. Ohne­hin hätte auf­grund der Nichtübere­in­stim­mung von Stimme und Fig­ur Szenis­ches erst definiert wer­den müssen, beispiel­sweise nach Wse­wolod Meyer­holds Mod­ell ein­er längst klas­sisch gewor­de­nen rus­sis­chen Avant­garde der 1910er Jahre: Von ihren Stim­men (im Orch­ester­graben) wären die (auf der Bühne) pan­tomimisch agieren­den Per­so­n­en getren­nt. Wo von der­sel­ben Stimme mehr als eine Fig­ur gesun­gen wird, würde die szenis­che Auf­führung das Ver­schwim­men der Iden­titäten optisch (aber nicht akustisch) auf­heben, zumal wenn sie charak­ter­is­tisch kostümiert aufträten (wenn beispiel­sweise bei der Sopranstimme die Ricke anders „gek­lei­det“ wäre als Josefs Mut­ter und diese wieder anders als das Stadt­mäd­chen Car­o­line).

Die Gat­tungs­beze­ich­nung Dram­ma per musi­ca ver­weist aber nicht auf die exper­i­mentelle Dra­matik des frühen 20. Jahrhun­derts, son­dern auf die frühe Geschichte der Oper. Aufgekom­men in der Mitte des 17. Jahrhun­derts, war mit dem Ter­mi­nus Dram­ma per musi­ca zunächst nur das Libret­to gemeint, und zwar das Libret­to eines Stücks, das in den Bere­ich der Opera seria gehörte.[15] Die Gat­tungs­beze­ich­nung legte den Akzent auf das Wort. Dazu passt bei Nowaks Dram­ma per musi­ca, dass die drei Teile von Drach – wie in einem Roman – Kapi­tel heißen. Ein Moment, das die Gat­tung bes­timmt, ist in vie­len Fällen das Instru­men­tar­i­um. Die Beset­zung ist wiederum als Gat­tungs­bes­tim­mung nicht hin­re­ichend, sie situ­iert das Dram­ma per musi­ca aber ein stück­weit his­torisch. Nowak charak­ter­isiert die Beset­zung von Drach als „roh“, diese „rohe“ Beset­zung stelle den Bezug auf erste musikalis­che Dra­men her.[16] Das Ensem­ble beste­ht aus fünf ger­ing beset­zten Stre­icher­parts[17] plus Cem­ba­lo, let­zteres eine ähn­lich deut­liche Anlei­he an ältere Musik wie die Beset­zung eines der drei Gesangsparts mit einem Counter und die sich damit ein­stel­lende Assozi­a­tion von Kas­traten­par­tien.

Zu den ersten Beispie­len nicht nur pauschal für rel­a­tiv frühe Opern, son­dern für solche, die tat­säch­lich Dram­ma per musi­ca hießen und in denen es eine Kas­traten­par­tie gab, zählen die gut ein Dutzend ab 1650 ent­stande­nen Dram­mi per musi­ca von Francesco Cav­al­li, darunter La Cal­is­to (1651) und Eris­me­na (1655). Let­zteres Dram­ma per musi­ca wurde 2017 in Aix-en-Provence neu und spek­takulär auf die Bühne gebracht. Der pol­nis­che Counter (und Break­dancer) Jakub Józef Orliń­ki sang dort die Rolle des Ori­meno, die Rolle des Hirten Endimione aus La Cal­is­to sang er bere­its 2016 in ein­er New York­er Auf­führung.[18] Solche Revitalisierun­gen früher Dram­mi per musi­ca in der Gegen­wart haben Nowak wom­öglich angeregt. Das sich ein­stel­lende inter­textuelle Moment von Drach ist nicht nur insofern inter­textuell, als (Julia Kris­te­va zufolge) jed­er Text Absorp­tion und Trans­for­ma­tion eines anderen Textes ist, wom­it Inter­tex­tu­al­ität prinzip­iell unver­mei­d­bar wäre und Autor*innen bzw. in diesem Fall dem Kom­ponisten unter­laufen würde, auch wenn er sein Werk für durch und durch eigen hielte. Aber Nowak absorbiert und trans­formiert vorhan­dene Noten­texte in Drach aktiv, und dass das eine frei­willige Dreingabe intak­ter Autorschaft bedeutet,[19] passt zum The­ma des Stücks: der Wie­derkehr des Immer­gle­ichen, über Zeit­en, Orte und über Indi­vidu­elles hin­weg. Die Musik von Drach wurde von anderen Stück­en mit­geschrieben. Nowak macht die Porösität sein­er Autor­schaft expliz­it, er ver­steckt die Anlei­hen an frühe Dram­mi per musi­ca nicht. Außer­dem übte er sich offen­bar in ein­er Pro­duk­tion­sart, die schon manche frühe Opernkom­pon­is­ten praktizier­ten: dem Schnellschreiben.[20] Diese musikalis­che Her­vor­bringungsweise hat den Vorteil, dass sie das Ein­fließen erle­ichtert bzw. dass sie Ein­fluss nicht bremst. Auch gewährt sie dem Text (dem Dram­ma, hier Twar­dochs Libret­to) gerne den Vor­rang. Vorteil­haft ist außer­dem, dass zu den Eige­narten des frühen Dram­ma per musi­ca peren­nierende Trans­for­ma­tio­nen von lange Zeit über fast Gle­ich­bleiben­dem gehören, so dass das Ver­fahren und dessen Gegen­stand sich ähneln. Ver­fahren und Gegen­stand der Absorp­tion und Trans­for­ma­tion beruhen auf ein­er pos­i­tiv beset­zten Ich-Schwäche. Als Spielfelder, auf denen Absorp­tion und Trans­for­ma­tion gün­stige Bedin­gun­gen haben, treten zwei Tex­tur­sorten beson­ders her­vor: lang gehal­tene Klangflächen (ähn­lich jenen vom monodis­chen Gen­er­al­bass bes­timmten Pas­sagen bei Cav­al­li) und wiederkehrende, in sich eher fest gefügte und meist aus Skalen gebaute Versatz­stücke. Solche Osti­nati wach­sen sich zu Pas­sacagli­aähn­lichem aus.

Skalen, Osti­nati und ein Har­moniemod­ell

Die solis­tis­che Cem­balokaskade, mit der Drach begin­nt, mün­det in ein fis, das grundierend tickt und minuten­lang repetiert wird (Par­ti­tur­seite 10–21); im let­zten Drach-Kapi­tel bleibt das klin­gende C1 der Kon­tra­bässe plus C im 3. und 4. Cel­lo über dreizehn Par­ti­tur­seit­en hin­weg als Ped­al­ton liegen (S. 134–147, 3. Kapi­tel). Dieses Kapi­tel ist anson­sten von teilchromati­schen Skalen durch­zo­gen. Weil die einzel­nen Ska­len­töne oft lange liegen bleiben, fügen sie sich kaum noch gestalthaft zusam­men, sie sind nur noch eine Hal­terung im Klangh­in­ter­grund. Beim Ansteigen wech­seln die Skalen­stufen umso schneller, je höher die Töne wer­den. Vom klin­gen­den C1 schre­it­et die Skala, in der Oberok­tave zunächst von den Cel­li halbtönig ver­schmutzt und mit anfangs inter­mit­tieren­dem Vor und Zurück, 25-mal meist halbtönig aufwärts bis zum klin­gen­den f der Kon­tra­bässe (ab S. 159, 3. Kapi­tel, T. 128), bei ihrer zügigeren Wie­derholung sog­ar noch 16 Halbton­schritte weit­er hin­auf bis zum klin­gen­den a1 (S. 176, 3. Kapi­tel, T. 191).

Eine (der zirkulären Idee entsprechend) dies­mal abwärts gerichtete Skala klingt gle­ich im ersten Kapi­tel. Sie ist nach dem tick­enden fis zunächst als Bass des Cem­balosatzes, teils von Stre­ich­ern gedop­pelt, über vier Tak­te hin­weg zu hören (S. 22, 1. Kapi­tel, T. 69–72). Mod­ell dürfte der in Pas­sacaglien häu­fig anzutr­e­f­fende, von der I. zur V. Stufe absteigende Bass gewe­sen sein. Hier schre­it­et er viel weit­er hinab, sog­ar bis unter die Oktave des Anfangstons. Absolviert wer­den die Schritte dia­tonisch mit ein­er lydis­chen Skala, nur an vor­let­zter Posi­tion ist ein Schritt aus­ge­lassen: d–cis–H–A–Gis–Fis–E–Cis (siehe Noten­beispiel 1[21]).

Noten­beispiel 1. Alek­sander Nowak, Drach. Dram­ma per musi­ca, 1. Kapi­tel, T. 69–85. Auss­chnitt des Cem­baloparts aus der Par­ti­tur. Wiedergegeben nach: Alek­sander Nowak, Drach. Dram­ma per musi­ca, Par­ti­tur. Pol­skie Wydawnict­wo Muzy­czne, Kraków 2019, S. 22–25

Soweit sie nicht als Durch­gang erscheinen (wie die Töne cis und Gis), sind die Ska­len­töne pop­pig krude und keineswegs par­al­le­len­frei mit Dur- und Moll­dreik­län­gen in Grund­stel­lung har­mon­isiert: D-Dur, h-Moll, A-Dur, fis-Moll und E-Dur. Zweimal wird die Har­monie ange­reichert durch Töne, die vom vorigen Akko­rd her liegen­bleiben, und zwar dort, wo sich lydisch-dia­tonisch Dur-Dreik­länge über dem grundieren­den Ska­len­ton bilden und der liegen­bleibende Ober­stim­men­ton eine große Sexte ergibt. Dabei bleibt der Ton nur liegen, wenn der voraus­gehende Ska­len­ton mit einem Dreik­lang in Grund­stel­lung har­mon­isiert war (also nicht nach den durchgängig ver­wen­de­ten Ska­len­tö­nen cis und Gis). A-Dur ist darum mit dem Ton fis und E-Dur mit dem Ton cis angere­ichert, im voraus­ge­hen­den Moll­dreik­lang jew­eils den Quin­ten. Mit den pla­galen Akko­rd­schrit­ten h-Moll ⇨ A-Dur und fis-Moll ⇨ E-Dur entste­hen Anklänge an den (für das 17. Jahrhun­dert ikonis­chen) Par­al­lelis­mus (bzw. das Romanesca-Mod­ell), dem­zufolge nach A-Dur D-Dur und nach E-Dur A-Dur erschienen wäre.

Das Mod­ell der solcher­art har­mon­isierten lydis­chen Skala taucht ins­ge­samt vier­mal auf (siehe wieder Noten­beispiel 1), beim let­zten Mal etwas zer­fled­dert, auch ist die Skala nun in die Ober­stimme des Cem­balosatzes gelegt. Anschließend kehrt die Musik zum repetierten fis zurück (S. 26). Gegen Ende des ersten Kapi­tels (ab S. 61, 1. Kapi­tel, T. 237–241) erscheint die lydi­sche Skala von d abwärts noch fünf­mal, wie in ein­er Pas­sacaglia bei jedem Durch­lauf mit gle­ich vie­len Tak­ten. Am Ende des drit­ten Kapi­tels (ab S. 194) gibt es nochmals drei Durch­läufe der abwärtss­chre­i­t­en­den Skala.[22]

Die Nähe dieser Satztech­nik zu konkreten his­torischen Mod­ellen sei an einem Beispiel aufge­zeigt. Pas­sacagli­aar­tiges kommt in Cav­al­lis Dram­mi per musi­ca immer wieder vor. Selb­st Arien, denen kein Pas­sacaglia-Mod­ell zugrunde liegt, sind weit­ge­hend von skalen­haften Bäs­sen grundiert. In der zweistrophi­gen Arie des Hirten Endimione aus La Cal­is­to ist zunächst ein dop­pel­ter steigen­der Durch­lauf der zweit­en Quintspezies zu hören (siehe Noten­beispiel 2, dort T. 1–4, dia­tonisch d–a), es fol­gt ein skalen­weis­er, mit ein­er Oktavbrechung anset­zen­der Ab­stieg von d / d’ aus, jet­zt über das b, die tiefe Vari­ante der Dop­pel­stufe, dia­tonisch abwärts und wie bei Nowak einen Ton über die Oktave hinabre­ichend (d/d’–c’–b–a–g–f–e–d–c).

Noten­beispiel 2. Francesco Cav­al­li, La Cal­is­to, Akt 2, sce­na pri­ma, Aria des Endimione, T. 1–10. Manuskript von Francesco Cav­al­li, La Cal­is­to. Par­ti­tur auf IMSLP, dig­i­tal­isiert nach einem Exem­plar in der Bib­liote­ca Nazionale Mar­ciana, Venedig (I-Vnm): Mss.It.IV.353, [1651], S. 2

Während Nowak mit der lydis­chen Skala ein hyper­tro­phes Dur ein­führt, ver­wen­det Cav­al­li das für dieses Arien-Genre übliche Dorisch. Im Unter­schied zu Nowaks krud­er Ver­sion harmoni­sierte der viel und schnell schreibende Cav­al­li die absteigende Skala ganz regelmäßig und entsprechend den Stan­dards der älteren Oktavregel: Der erste und let­zte Ska­len­ton ist jew­eils Grund­ton von Dreik­län­gen (d-Moll und C-Dur), und über den mit­tleren Ska­len­tö­nen entste­ht eine Sex­takko­rd­kette. Beim sech­sten und acht­en Ska­len­ton (f und d) schickt Cav­al­li der Sexte noch eine Quinte voraus (c-d über f und a–h über d).

Nah und lokal. Ober­schle­sis­che Tra­di­tio­nen

Mit der Absorp­tion von Gat­tungskon­ven­tio­nen früher Dram­mi per musi­ca und von Aller­welts-Satz­mod­ellen älter­er Musik, von denen die Tex­tur durch­schossen ist, gelingt es Nowak, in zwei Rich­tun­gen kurz­zuschließen. Er schreibt sein Stück ein in Über­re­gionales und in Über­zeitliches. Poten­zierend wirkt, dass die Trans­for­ma­tio­nen jene Rekurse auf­greifen, für die die ital­ienis­chen Dram­mi per musi­ca des mit­tleren 17. Jahrhun­derts ihrer­seits ste­hen: Revitalisie­rungen der mediter­ra­nen Antike (bzw. zeit­genös­sis­ch­er Vorstel­lun­gen von ihr). Die Wiege der europäis­chen (Schreckens-)Kultur wird in Syre­na, dem zweite Trilo­gi­eteil von Twar­dochs und Nowaks Koop­er­a­tion, expliz­it. Indessen gibt es in Nowaks Musik zu Drach eine zweite Sorte von Rekursen, die geografisch und his­torisch Über­greifend­es aus dem Spiel lässt. Das immer­gle­iche Schlacht­en von Drach geschieht doch auch in Schle­sien und (fast) in der Gegen­wart. Die schle­sis­che Sprache des Libret­tos bringt Lokales, und die Musik absorbiert eine spez­i­fisch schle­sis­che neuere Musik­sprache. Manche Pas­sagen von Drach mögen pau­schal und von außen betra­chtet für pol­nis­che neuere Musik ins­ge­samt typ­isch sein, beispiels­weise jene Stellen, an denen begren­zte Aleatorik auf­taucht und wo Nowak die durch Witold Lutosławs­ki bekan­nt gewor­dene Schreibart mit eingekastel­ten Noten­men­gen ver­wen­det. Aber Nowak bedi­ent spez­i­fis­ch­er eine neuere ober­schle­sis­che Kom­ponier­tra­di­tion, eine Tra­di­tion, die sich bei Kom­pon­is­ten aus­ge­bildet hat­te, die an der Kat­tow­itzer Musikakademie und deren Vorgän­gerin­sti­tu­tion lehrten bzw. lehren, darunter Bolesław Szabel­s­ki (1896–1979), dessen Schüler Hen­ryk Górec­ki (1933–2010) und dessen Enkelschüler Euge­niusz Knapik (*1951), sodann Bolesław Woy­tow­icz (1899–1980), dessen Schüler Woj­ciech Kilar (1932–2013), Witold Sza­lonek (1927–2001) und Józef Świder (1930–2014) sowie Alek­sander Lasoń (*1951), Schüler des Let­zteren. Nowak selb­st wurde Lasońs Schüler. Natür­lich unter­schei­den sich die Schreibarten dieser Kom­pon­is­ten, aber ist ihnen nicht ein bes­timmter lokaler Ton oder eine beson­dere schle­sis­che Webart gemein­sam? Ist es nicht, als spräche ihre Musik schle­sisch? Ein Beispiel aus Drach möge zeigen, was ich mit dem Region­al­sound meine. Außer­dem lässt das Beispiel erken­nen, was über den grundieren­den Skalen noch passiert. Es ist dem drit­ten Kapi­tel ent­nom­men und dient dort als Aus­gangspunkt der erwäh­n­ten ersten ab C1 stei­genden Skala (siehe Noten­beispiel 3[23]).

Noten­beispiel 3. A. Nowak, Drach. Dra­ma per musi­ca, 3. Kapi­tel, T. 38–49. Wiedergegeben nach: Alek­sander Nowak, Drach. Dra­ma per musi­ca, score. Pol­skie Wydawnict­wo Muzy­czne, Kraków 2019, S. 135f.

Die Sit­u­a­tion des Auss­chnitts inner­halb des Dram­ma per musi­ca ist fol­gende: Ger­ade hat das dritte und let­zte Kapi­tel begonnen, noch ist kein Gesang zu hören, auch das Cem­ba­lo schweigt. In zwei Anläufen spie­len Stre­icher­paare wilde und unge­naue Imi­ta­tio­nen. Beim drit­ten Anlauf fall­en dann sämtliche Stre­ich­er des Kam­merorch­esters ein, entwed­er wieder wild imi­tierend oder mit Liegetö­nen. Weil erste und zweite Geigen, Bratschen und Cel­li geteilt sind (à due), kommt zusam­men mit den Kon­tra­bässen ein ins­ge­samt neun­stim­miger Stre­ich­er­satz zus­tande. Anfangs hal­ten die je zweit­en Hälften der Stre­icher­parts sowie die Kon­tra­bässe quintig und wegen des tiefen Reg­is­ters akustisch ziem­lich dis­so­nant Töne vom Vorausgehen­den her aus: as, g, des, c sowie Unterok­taven dazu. Was die übri­gen vier Stim­men spie­len, ergibt eine faden­scheinige imi­ta­torische Tex­tur mit Ein­sätzen auf den Tönen h’’, b’, as’’ und a’. In eine Oktavlage gebracht und Set-artig sortiert, liegen die Ein­satztöne halbtönig neben­einander. Jede Stimme absolviert eine mit Hin- und Her-Bewe­gun­gen fig­uri­erte, (fast kom­plett) chro­ma­tis­che und über gut zwei Oktaven hinabre­ichende Skala. Der Anschein von Imi­ta­tion wird dadurch erweckt, dass die Ein­sätze gestaffelt sind, ten­den­ziell rhyth­misch kom­ple­men­tär und gestisch gle­ich: Die Stim­men starten in jew­eils höherem Reg­is­ter des jew­eili­gen Instru­mentalparts mit ähn­lichem Rhyth­mus, sie haben den gle­ichen dynamis­chen Grad und die glei­che Bewe­gungsrich­tung. Die Pas­sage zeigt eine vielle­icht extra sim­ple Ver­sion des Sonoris­mus arriv­iert­er Vertreter dieser Schreibart. Gorét­skys dritte, u.a. auf lokalen Tex­ten basierende Sym­phonie, die Sym­phonie der Klagelieder op. 36, begin­nt beispiel­sweise mit einem lan­gen und langsamen imi­ta­torischen Abschnitt der Stre­ich­er. Anders als Nowak schreibt Góret­sky hier rein dia­tonisch (prak­tisch G-Dur) und rhyth­misch aus­ge­sprochen prim­i­tiv (es gibt nur Halbe, Vier­tel und Achtel). Ähn­lich ist den­noch die klan­gliche Atmo­sphäre, haupt­säch­lich wegen der zweigeteil­ten Stre­ich­er, die es bei Góret­sky auf ins­ge­samt 10 Stim­men brin­gen. Weil die Tex­tur etliche Par­al­le­len aufweist, die phänom­e­nal in Reg­is­tra­tio­nen überge­hen, kommt es nie zu ein­er echt­en Zehn­stim­migkeit.

Drach glokal

Twar­dochs und Nowaks Zusam­me­nar­beit an Drach war ein glokales Pro­jekt: Es betont den Orts­bezug und die spez­i­fis­che Herkun­ft nicht nur im Reden von ihr, son­dern auch mit dem, was klingt: mit dem Klang der schle­sis­chen Sprache und ein­er musikalis­chen Tex­tur, die eine eigen­tüm­liche Avant­garde­tra­di­tion der Gegend um Kat­towitz fortschreibt. Lokales wird aber über­lagert und getra­gen von Musik­sorten, die für Europäisch-Glob­ales ste­hen und zugle­ich für his­torische Ferne. Mod­ell war ital­ienis­che Musik der frühen Neuzeit mit ihren Bezü­gen auf die mediter­rane Antike. Dass sich die Autorschaft dabei ver­flüchtigt, hätte Drach gefall­en: Wie Baum, Tier und Men­sch das­selbe sind, so sind auch Cav­al­li, obereschle­sis­ches Kom­ponieren der let­zten hun­dert Jahre und Twardoch/Nowak eins.

 

Lit­er­atur

Auk­so­drone Fes­ti­val, Web­site, http://www.auksodrone.com/en/ (Stand: 14.10.2023)

Cav­al­li, Francesco: La Cal­is­to. Par­ti­tur auf IMSLP, dig­i­tal­isiert nach einem Exem­plar in der Bib­liote­ca Nazionale Mar­ciana, Venedig (I-Vnm): Mss.It.IV.353, [1651]

Danuser, Her­mann und Matthias Kas­sel (Hg.): Wessen Klänge. Über Autorschaft in neuer Musik, Mainz 2017.

Dubowy Nor­bert: Artikel „Dram­ma per musi­ca“, Teil A, Abschnitte I–XII. In: MGG2, Sachteil, Bd. 2, Kas­sel – Stuttgart 1995, Spal­ten 1452–1479

Góret­zky Hen­ryk, Zitat aus dem Artikel „Hen­ryk Góret­zky“. In: Wikipedia (engl.), https://en.wikipedia.org/wiki/Henryk_G%C3%B3recki (Stand: 14.10.2023)

Nowak, Alek­sander: Drach. Dram­ma per musi­ca. Par­ti­tur. Pol­skie Wydawnict­wo Muzy­czne (PWM), Krakau 2019, (Ver­lagsnum­mer PWM 12 490)

Nowak, Alek­sander und Twar­doch Szczepan: Mitschnitt von Drach. Dram­ma per musi­ca auf YouTube:

  1. Kapi­tel: https://www.youtube.com/watch?v=FpqLKUM-wtw (Stand: 14.10.2023)
  2. Kapi­tel: https://www.youtube.com/watch?v=BQDjHY5gnI4 (Stand: 14.10.2023)
  3. Kapi­tel: https://www.youtube.com/watch?v=hWPTVWABhZc (Stand: 14.10.2023)

Nowak, Alek­sander: Per­son­al­seite auf der Home­page der Musikakademie Kat­towitz, https://am.katowice.pl/akademia/informacje/nowak-aleksander-352 (Stand: 14.10.2023)

Nowak, Alek­sander: Über­sicht über Opern/Musikdramatische Werke auf sein­er Home­page: https://www.aleknowak.com/muzyka/c/opera-dramat (Stand: 14.10.2023)

Nowak, Alek­sander: Infor­ma­tio­nen über Drach. Dram­ma per musi­ca, auf Nowaks Home­page: https://www.aleknowak.com/muzyka/v/drach-dramma-per-musica-na-solistow-smyczki-i-looper-2019  (Stand: 14.10.2023)

Nowak, Alek­sander: Infor­ma­tio­nen über Poko­ra. Dram­ma gio­coso, https://www.aleknowak.com/muzyka/v/pokora-dramma-giocoso-na-sopran-baryton-akordeon-i-smyczki-2021 (Stand: 14.10.2023)

Nowak, Alek­sander: Infor­ma­tio­nen über die Schaus­piel­musik zu Byk [Der Bulle],

https://www.aleknowak.com/muzyka/v/byk-muzyka-do-spektaklu-2022 (Stand: 14.10.2023)

Orliń­ki, Jakub Józef: Home­page, Liste früher­er Engage­ments, https://jakubjozeforlinski.com/past-engagements/ (Stand: 14.10.2023)

Pol­skie Wydawnict­wo Muzy­czne (PWM): Infor­ma­tio­nen über Drach, https://pwm.com.pl/pl/sklep/publikacja/drach-dramma-per-musica,aleksander-nowak,24030,ksiegarnia.htm) (Stand: 14.10.2023)

Twar­doch, Szczepan: Drach. Über­set­zung aus dem Pol­nis­chen von Olaf Kühl. Berlin 2016 (Taschen­buchaus­gabe Ham­burg 2017).

Twar­doch, Szczepan: Drach. Dram­ma per musi­ca. Libret­to, o. J., https://www.aleknowak.com/static/upload/store/Drach._Dramma_per_musica._Libretto.pdf (Stand: 14.10.2023)

Twar­doch, Szczepan:  Schlamm, Müdigkeit, Hoff­nung und Tod – wie ukrainis­che Sol­dat­en in der Schützen­gräben des Don­bass aushar­ren. In: Neue Zürcher Zeitung (nzz) vom 18. März 2023. https://www.nzz.ch/feuilleton/ukraine-krieg-szczepan-twardoch-bringt-hilfsgueter-an-die-front-ld.1730385 (Stand: 14.10.2023)

Wun­der­lich, Dieter: Blog Buchtipps und mehr, Seite über Twar­dochs Drach, 2016, https://www.dieterwunderlich.de/Twardoch-drach.htm (Stand: 14.10.2023)

 

Gesine Schröder, geb. 1957, Pro­fes­sorin (Emeri­ta) für musik­the­o­retis­che Fäch­er an der HMT Leipzig (1992–2023) und an der Uni­ver­sität für Musik und darstel­lende Kun­st Wien (2012–2022). 2017–2020 part time-Lec­tur­er am Kon­ser­va­to­ri­um Shang­hai. Gast­dozentin u.a. in Bres­lau, Paris, San­ti­a­go de Chile und Zürich. Mit­glied im Beirat des rumänis­chen Jour­nals revArt, des Jour­nals der rus­sis­chen Gesellschaft für Musik­the­o­rie (OTM), von Musik & Ästhetik sowie ein­er Buchrei­he der KuG (Graz). 2012–16 Präsi­dentin der Gesellschaft für Musik­the­o­rie (gmth). Arbeits­ge­bi­ete: Kon­tra­punkt um 1600, The­o­rie und Prax­is des Orchestri­erens, der musikalis­chen Bear­beitung und Inter­pre­ta­tion, Gen­der­stu­di­en, neue Musik.

 


[1] Der Beitrag geht aus einem Vor­trag her­vor, den die Ver­fasserin am 9. März 2023 bei der Kon­ferenz Trady­c­je śląskiej kul­tu­ry muzy­cznej / Tra­di­tions of Sile­sian Musi­cal Cul­ture an der Musikakademie Bres­lau gehal­ten hat und dessen (englis­che) schriftliche Ausar­beitung unter dem Titel Alek­sander Nowak’s and Szczepan Twardoch’s Drach. A Sile­sian Col­lab­o­ra­tion with Flash­backs für die Veröf­fentlichung in der Kon­feren­zschrift ein­gere­icht wurde.

[2] Siehe z. B. Twar­dochs Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18.03.2023.

[3] In diesem Jahr ver­lor Hein­rich der Fromme (bzw. Hein­rich von Schle­sien) in der Schlacht bei Lieg­nitz sein Leben (gegen das Mon­golen­heer). Schle­sien wurde infolge der Nieder­lage anhal­tend geschwächt und zer­split­tert.

[4] Siehe Nowaks Per­son­al­seite auf der Home­page der Musikakademie Kat­towitz.

[5] Drach wurde von Fil­ip Berkow­icz, dem Kura­tor des Auk­so­drane-Fes­ti­vals in Tychy, in Auf­trag gegeben, wo das Stück auch uraufge­führt wurde. Siehe die entsprechen­den Infor­ma­tio­nen auf der Web­site von Pol­skie Wydawnict­wo Muzy­czne (PWM). Es spielte das AUKSO genan­nte Kam­merorch­ester der Stadt Tychy, unter­stützt wurde die Ent­stehung des Stücks und dessen Auf­führung über das Kom­pon­is­ten­beauf­tra­gung­spro­gramm von IMiT (Insti­tut für Musik und Tanz). Angaben nach Nowaks Home­page, Abschnitt über Drach. Für das Stück wur­den Preise vergeben, und zwar der Coryphaeus of Pol­ish Music 2020 und der O!Lśnienia Preis 2021. Siehe die Web­site des Auk­so­drone-Fes­ti­vals.

[6] Eine vierte Arbeit Nowaks zu einem Text von Twar­doch bestand in der Musik zu dessen Schaus­piel Byk [Der Bulle] (2022). Nowak beze­ich­net das Schaus­piel als mon­odra­ma. Siehe Nowaks Home­page, Abschnitt über Byk.

[7] Vgl. Nowaks Home­page, Infor­ma­tio­nen über Drach. Eine inter­textuelle Beziehung zur all­wis­senden Erda aus Wag­n­ers Ring hat Nowak nicht hergestellt.

Als Stimme der Erde ist Drach das Pen­dant zur Stimme des Meeres aus Syre­na, dem zweit­en Teil der Trilo­gie von Twar­doch und Nowak, näm­lich der Fig­ur Morze-Syre­na. Im drit­ten Trilo­gi­eteil (Poko­rny) bleibt das lit­er­arische Pen­dant des Titels, die Stadt Berlin, ohne Stimme. Die Trias Land – Meer – Stadt erin­nert an Mau­rice Maeter­lincks vom Japon­is­mus inspiri­ertes Gedicht Les trois sœurs ont voulu mourir. Dessen Über­set­zung ins Deutsche durch Friedrich von Oppeln-Bronikows­ki hat Alexan­der von Zem­lin­sky 1913 unter dem Titel Die drei Schwest­ern als erstes Lied seines Zyk­lus op. 13 mit Klavier- bzw. Orch­ester­be­gleitung ver­tont.

[8] Nach der pol­nis­chen Ver­sion der Web­site Pol­skie Wydawnict­wo Muzy­czne (PWM). Dort wörtlich: „Obaj są syna­mi tej zie­mi, więc Drach Nowa­ka i Twar­docha nie sprowadza śląskoś­ci do naskórkowo potrak­towanego folk­loru, ale się­ga znacznie głę­biej – pod ziemię ufor­mowaną z bło­ta i węgla, miłoś­ci i trupów oraz do kolek­ty­wnej podświado­mości, gdzie żyje Drach. Stwór (smok), który wszys­tko widzi, czu­je i słyszy. Dzię­ki niemu miejs­ca i byty szczególne, lokalne, swo­jskie przenoszą się w uni­w­er­sal­ną sferę mitu“.

[9] Der Bari­ton singt fast kein Deutsch; siehe jedoch die deutschen Wortschnipsel auf S. 95f. der Par­ti­tur.

[10] Vgl. S. 24ff. der Par­ti­tur; d.i. Kapi­tel 1, T. 79–86.

[11] Wun­der­lich, Blog „Buchtipps und mehr“.

[12] Siehe Nowaks Home­page mit Infor­ma­tio­nen zu Drach.

[13] Das Genus beim Adjek­tiv ist ver­tauscht (‚il melo­dram­ma‘ ist Maskulinum, es müsste also ‚aeter­no‘ heißen). Zu Nowaks Ein­stu­fung als Ora­to­rien-Kan­tate siehe seine Per­son­al­seite auf der Home­page der Musikakademie Katto­witz, zu Nowaks Ein­stu­fung als Oper siehe seine Home­page, Liste der Opern/ Musik­drama­tis­chen Werke inner­halb des Werkverze­ich­niss­es.

[14] Siehe Nowaks Home­page. Als Ora­to­rien-Kan­tate ist Drach auf der Home­page der Kat­tow­itzer Musikakademie, Abschnitt Nowaks Per­son­al­seite, gelis­tet.

[15] Zur Geschichte des Begriffs und des Phänomens Dram­ma per musi­ca siehe Dubowy.

[16] Nowaks Home­page, Infor­ma­tio­nen über Drach.

[17] Es gibt je sechs erste und zweite Geigen, je vier Bratschen und Cel­li sowie zwei Kon­tra­bässe. Nicht sel­ten sind die fünf Stre­icher­parts à 2 geteilt, so dass es zuweilen zu einem bis zu zehn­stim­mi­gen Stre­ich­er­satz kommt.

[18] Orlińs­ki hat die Eris­me­na-Auf­führun­gen auf sein­er Home­page in der Rubrik „past engage­ments“ für den Dezem­ber 2017 gelis­tet. Bere­its im Feb­ru­ar 2016 trat Orlińs­ki – noch als Stu­dent – in La Cal­is­to (1651) auf.

[19] Vgl. die Diskus­sio­nen in: Danuser / Kas­sel.

[20] Dies lässt sich z.B. bei Cav­al­li anhand der die schieren Zahl sein­er Stücke und der Zeit, die er für deren Kom­po­si­tion hat­te, nach­weisen. Bei Nowak kann man es dem Ergeb­nis able­sen. „Schnellschreiben“ wäre ein musik­be­zo­genes Pen­dant zum poet­isch-lit­er­arischen Ver­fahren des Drau­floss­chreibens, siehe http://www.poeticon.net/drauflosschreiben

[21] Auf der über YouTube zugänglichen Auf­nahme des 1. Kapi­tel bei Minute 5:30–6:50.

[22] Seit­en­lang tauchen weit­ere grundierende Skalen auf: Im 1. Kapi­tel gibt es ab S. 36 eine von Hal­tek­län­gen unter­brochene Skala abwärts von G nach C, zunächst mit Tönen ohne Vorze­ichen, dann noch dreimal teilchro­ma­tisiert (S. 46–47). Das 2. Kapi­tel ist weniger von Skalen durch­zo­gen, die Skala von c abwärts (S. 76ff.) ist jet­zt kom­plett chro­ma­tisch. Aufwärtsskalen ganztönig von C bis Gis, beschle­u­ni­gend und später schrit­tweise höher anset­zend, gibt es auf den Seit­en 92–105, dazu unregelmäßige Mix­turen von Dez­ime plus Undez­ime plus Duodez­ime. Am Ende dieses Kapi­tels taucht von a aus eine (lück­en­hafte) Abwärtsskala auf. Im 3. Kapi­tel gibt es nach den beschrie­benen bei­den exten­siv­en Skalen von C1 aus sowie vor den an den Anfang anknüpfend­en und zugle­ich das Stück beschließen­den drei Skalen von d abwärts eine Skala abwärts von fis bis E (S. 181–190).

[23] Auf der über YouTube zugänglichen Auf­nahme des 3. Kapi­tel bei Minute 1:16–1:40.

  • 31. Dezember 20233. Januar 2025
Mimesis als kompositorisches Material. Zu Jonathan Harveys »Speakings«
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